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Ausgabe:

1961 Nr. 5

Spalte:

351-352

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Jung, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Zur Geschichte des evangelischen Gottesdienstes in der Pfalz; 1.Von der Reformation zur Union 1961

Rezensent:

Merkel, Friedemann

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 5

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aus ihr nachgewiesen. Die Erläuterungen der Urkunde müssen
sich selbstverständlich auf das kürzeste beschränken und können
nur bringen, was zur Frage der Echtheit oder Datierung nötig ist.
Doch finden sich dabei nicht selten sehr ausgedehnte Darlegungen
. Ganz besonders gilt da6 für in Nürnberg ausgestellte Kaiserurkunden
. Bei ihnen wird dann nicht nur der Zweck und die Bedeutung
des kaiserlichen Aufenthaltes kurz genannt, sondern
werden auch chronikalische Nachrichten in ausgedehntem Maße
beigebracht. Im übrigen aber wird auf die Aufnahme solcher
Stücke, die nicht eigentlich Urkundencharakter tragen, mit Recht
verzichtet. Bei der angegebenen Literatur hat man den Eindruck,
daß hier wirklich bis in die entlegensten Winkel nachgespürt
worden ist. Dankbar ist man auch dafür, daß selbst Fälschungen
aufgenommen wurden, wenn sie bisher allgemein als echt gegolten
hatten, wie z. B. die Nummern 446 und 498. Das erspart
viel Suchen und Fragen. Für die Sorgfalt der ganzen Vorbereitungen
und Durchführung der Ausgabe spricht ganz besonders,
daß nun 8 Jahre nach Erscheinen der 1. Lieferung und 5 Jahre
nach Ausgabe der 4. Lieferung lediglich die Seiten 65 3—667
Nachträge und Berichtigungen bringen konnten, wobei vieles inzwischen
neu erschienene Literatur nachträgt.

Über den Wert und die Bedeutung des Urkundenbucb.es
braucht kein Wort verloren zu werden. Zwar konnte — der Entstehungsgeschichte
der Ausgabe entsprechend — verhältnismäßig
wenig völlig neu ans Licht gezogen werden. Von Bedeutung ist
hier vielleicht die im Nachtrag gebrachte Neufassung von Nr.
964 auf Grund einer neugefundenen, auf die Zeit nach 1363
datierbaren Niederschrift, wodurch die bis jetzt bestehenden Bedenken
, die in ThLZ 1955, Sp. 36 erwähnt wurden, gegen ein
bereits vor dem Deutschordensspital in Nürnberg vorhandenes
Spital gegenstandslos werden.

Die Ortsgeschichte — das Wort aber in erheblich weiterem
Sinn gefaßt — zieht natürlich den größten Gewinn. Die kirchliche
Seite nimmt einen beträchtlichen Raum ein. Nicht weniger Förderung
erfährt aber die Rechts-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte
. Hier wurde sehr viel Neuland erschlossen, weil in
den bisherigen Benützungen der Urkunden darauf weniger geachtet
wurde.

Erschlossen wird das Urkundenbuch nun durch einen reichen
Registerteil von S. 669—850. Die Hauptsache daran ist ein Ortsund
Personenregister, das sehr weitgehend aufgeschlüsselt ist —
Nürnberg z. B. von S. 763—773 — und wobei viel von Verweisungen
Gebrauch gemacht wird. Von großem Wert sind dann
aber noch die Sach- und Worthinweise (S. 833—850) mit kurzgefaßten
Deutungen. Wenn dabei z. B. gleich am Anfang nicht
weniger als 104 Ablaßbriefe aufgezeigt werden, so zeigt sich
schon allein daraus die Bedeutung dieser Ausgabe auch für die
Kirchengeschichte.

So verdient das Stadtarchiv und vor allen Dingen dessen
Vorstand, der inzwischen übrigens auf den Lehrstuhl für fränkische
Geschichte an der Universität Erlangen berufen wurde, den
Dank weitester Kreise der Geschichtsforschung für dieses Werk,
und es bleibt nur der Wunsch, daß die leise Andeutung auf eine
Fortführung dieser Ausgabe wirklich zur Durchführung gelangt.
Das Buch beweist, daß bei gründlicher Vorbereitung Urkunden-
bücher dieser Art auch heute noch nicht überlebt sind.

Nürnberg Matthias Simon

Jung, Wolf gang: Zur Geschichte des evangelischen Gottesdienstes in
der Pfalz. Teil I: Von der Reformation zur Union. Speyer: Verlag
des Vereins für Pfälzische Kirchengeschichte 1959. 158 S., 1 Tab.
gr. 8° = Veröffentl. d. Vereins f. Pfalz. Kirchengeschichte, Bd. VII.

Die Neuordnung des evangelischen Gottesdienstes der pfälzischen
Landeskirche gab Anlaß, die Gottesdienstformen in den
Gebieten zu untersuchen, die heute zur Kirche der Pfalz gehören.
Daß dieses Unternehmen begonnen und zu einem sehr instruktiven
Ende geführt wurde, ist gerade der Vielzahl und Mannigfaltigkeit
der Territorien wegen außerordentlich zu begrüßen.
So werden die Entwicklungen der gottesdienstlichen Ordnungen
in den verschiedenen Fürstentümern, Grafschaften, Herrschaften
und freien Reichsstädten dargestellt, nicht ohne die wesentlichsten
Bestimmungen der einzelnen Kirchenordnungen des Reforma-

tionsjahrhunderts abzudrucken. Gerade hierin liegt wohl die
größte Bedeutung dieses Werkes, daß die oft nur 6chwer greifbaren
Agenden und Gottesdienstordnungen sowohl der „Haupt"-
Gottesdienste als auch der Amtshandlungen nicht nur kommentiert
, sondern im Wortlaut wiedergegeben werden.

Trotz der Mannigfaltigkeit der gebietlichen Sonderentwicklungen
ist allerdings das Endergebnis wenig überraschend: Von
der Zweibrücker Kirchenordnung von 15 57 abgesehen, ist allen
Gebieten genieinsam, daß sie durchweg an die „oberdeutsche"
Gottesdienstform anknüpfen, die dem ganzen südwe6tdeutschen
Raum eigen ist und 6idi aus dem mittelalterlichen Prädikanten-
gottesdienst entwickelte.

Durch diese Untersuchung wird wieder einmal gezeigt, daß
die Gottesdienstformen nicht ohne weiteres ein konfessionelles
Merkmal darstellen, denn 6owohl lutherische wie reformiert geprägte
Gemeinden hatten in diesem Raum faktisch dieselben
gottesdienstlichen Formen. Sie macht aber weiter evident, daß
— zumindest historisch gesehen — die „oberdeutschen" Ordnungen
(eine wohl aus dem Abendmahlsstreit übernommene, sachlich
nicht schlecht passende Terminologie) ein gutes Recht neben
den von der römischen Mes6e abgeleiteten Formen haben. Man
wird bei einer Neuordnung des Gottesdienstes in den Kirchen des
Südwestens nicht an den Ergebnissen dieser klaren und sauber
gearbeiteten Schrift vorbeigehen können.

Wesentlicher Nachtrag zur Literatur: Eberhard Weismann, Der
Predigtgottesdienst und die verwandten Formen (Leiturgia III, 1956,
S. 1-97).

Mandel über Bad Kreuznach Friedemann Merkel

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Schaffner, O.: Christliche Demut. Des Hl. Augustinus Lehre von
der Humilitas. Würzburg: Augustinus-Verlag 1959. 327 S. 8° =
Cassiciacum. Eine Sammlung wiss. Forschungen üb. d. hl. Augustinus
u. d. Augustinerorden sowie wiss. Arbeiten v. Augustinern aus anderen
Wissensgebieten, hrsg. v. A. Kunzelmann u. F. Lang. Bd. XVII.
Kart. DM 18.-.

Vorliegende Arbeit greift ein fundamental wichtiges Problem
der Augustinischen Theologie und Anthropologie an und
bewältigt es — wenigstens in den wesentlichen Zügen — aus
gründlicher Kenntnis der Quellen und der Literatur wie des
Forschungsstandes heraus. In der sorgfältig untergliederten Studie
, die durch Quellen- und Literaturverzeichnis sowie Namen-
und Sachregister erschlossen wird, geht Schaffner dankenswerterweise
zunächst auf den „Begriff Demut und seine Geschichte" ein
und berührt damit zwangsläufig die Frage nach der vorchristlichen
„Demut", der in der letzten Zeit — etwa im RAC-Artikel „Demut
" von Dihle — verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet wurde.
Verf. scheint vom Begriffsgeschichtlichen her etwas engere Zusammenhänge
zwischen der heidnischen und christlichen „Humilitas
" zu sehen als beispielsweise Dihle (wieder eingeschränkt
S. 83 ff.) und behält gegen ihn Recht, wenn er betont, daß Demut
nicht zur Voraussetzung habe, daß „man den Menschen schlechthin
als niedrig, als um Gnade bittenden Sünder versteht" (S. 37).
Vielmehr weist er, was allgemein religionsgeschichtlich von Bedeutung
ist, auf den Begriff der kreatürlichen Demut — im Sinne
einer schlechthinnigen Abhängigkeit von Gott — hin und sieht
jedenfalls die Demut nicht allein aus dem „Sündergefühl" entstehen
.

Der Hauptteil enthält den „Versuch eines Aufrisses christlicher
Anthropologie nach Augustinus" und geht von hier aus auf die
Selbsterkenntnis des Menschen, auf das Wesen der Humilitas und
der Humiliatio und auf die „Superbia als Gegenteil der Humilitas"
ein. Ein Schlußteil behandelt die christliche Humilitas als Grundhaltung
des Menschen vor Gott, als Selbsttreue zum eigenen Sein,
als Dienst am Nächsten, und zeichnet die „Symbole und Vorbilder
" 60wie die „Wirkungen und Früchte" christlicher Humilitas
nach der Lehre Augustins auf. Akzentuiert wird der christo-
zentrische Charakter der Humilitas bei Augustin herausgearbeitet
und die enge Verbindung zwischen Gnaden-, Sünden- und Demutslehre
gewürdigt. Die Bedeutung der göttlichen Gnade und
des Christus humilis, der zur Nachfolge auffordert, tritt vor dem
Hintergrund des von Sünde und Superbia gezeichneten Menschen