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Ausgabe:

1961 Nr. 5

Spalte:

345-348

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Stock, Hans

Titel/Untertitel:

Studien zur Auslegung der synoptischen Evangelien im Unterricht 1961

Rezensent:

Grundmann, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 5

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nämlich durch Hören des Evangeliums und durch Glauben, und es
ist wohl kein Zufall, daß die wenigen Erzählungen der Evangelien
über Heiden eben deren Glauben hervorheben. Im Zusammenhang
damit ist zweitens hervorzuheben, daß die Mission
zwar Gottes Tat ist, daß er sie aber durch Menschen, die er aussendet
(Apostel), und die man als seine Mitarbeiter bezeichnen
kann (Paulus in 1. Thess. 3, 2), ausführen läßt. Ohne synergistischen
Gedanken zu verfallen, müssen wir noch an ein Jesuswort
erinnern: „Die Ernte ist groß, aber der Arbeiter sind wenige.
Bittet daher den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte
sende".

Und hiermit wäre ein Vorschlag gegeben für eine Diskussion
mit den Gesichtspunkten von Professor Jeremias. Daß es sich bei
dieser Diskussion um wesentliche und prinzipielle Fragen handelt
, das zeigt die Bedeutung dieses Werkes.

Aarhus Johannes Manck

Stock, Hans: Studien zur Auslegung der synoptischen Evangelien im
Unterricht. Gütersloh: Bertelsmann [1959]. 254 S. gr. 8°. Lw.
DM 16.80.

In seiner gehaltvollen Arbeit macht Hans Stock, als Theologe
an der Pädagogischen Akademie in Göttingen tätig, den beachtlichen
Versuch, aus den Erkenntnissen der neutestamentlichen
Forschung an den Evangelien Folgerungen für den Unterricht zu
ziehen und sie dafür fruchtbar zu machen, ein Unternehmen, das
ihm möglich erscheint, weil „die Gesamttendenz der kritischen
Interpretation . . . nicht auf Destruktion, sondern auf Verstehen
der Aussage des Textes hinzielt" (3 8). Dabei geht es darum, den
Teufelskreis zu durchbrechen, in dem theologisches Wissen und
Erkennen vor der Gemeinde verschwiegen wird; Stock spricht von
der „unglaubwürdigen Zweigleisigkeit zwischen dem, was der
Theologe weiß, und dem, was die Gemeinde und die Jugend erfahren
und wissen"; er ist von der Einsicht bestimmt: „Im
Grunde... ist bei den Jugendlichen heute alles neu aufzubauen"
(36); ihn leitet der Gedanke: „Es sollte jedenfalls im Unterricht
möglichst nichts gesagt und gelernt werden, was später zurückgenommen
werden müßte" (37).

In einem ersten grundsätzlichen Teil werden „die synoptischen
Evangelien als Gegenstand des
Unterrichtes" behandelt. Ausgehend von den „traditionellen
Schwierigkeiten und Verlegenheiten", in die „ein Verzicht
auf dogmatisch unbefangene, exegetisch fundierte Textauslegung
" führt, erörtert Stock zunächst die Situation der
gegenwärtigen neutestamentlichen Forschung. Die Darstellung, die
er gibt, hat ihren Standort in der Forschungsrichtung, wie sie
durch Rudolf Bultmann und seine Mitarbeiter gekennzeichnet ist,
und ist in dieser Hinsicht durchaus zutreffend; auch Martin
Dibelius wird stark herangezogen. Dieser Ausgangspunkt macht
sich unmißverständlich geltend in den einigen synoptischen Einzel-
perikopen gewidmeten Studien des zweiten Teiles. Formgeschichtliche
Einsichten werden mit den redaktionsgeschichtlichen Erkenntnissen
der Forschung des letzten Jahrzehntes fruchtbar verbunden
. Der kerygmatische Charakter der synoptischen Periko-
pen erscheint Stock als die entscheidende Hilfe gegenüber dem
dogmatischen Fürwahrhalten und der historistischen Frage nach
dem Gewesenen. „Hätten die Evangelisten nichts getan, als Jesus
exakt und sachlich der historischen Anschauung durch „Lebensbilder
" zugänglich zu machen, so hätten sie ihn damit der Vergangenheit
preisgegeben; nun aber vermittelt ihre Art der
kerygmatischen Veranschaulichung den tröstlichen Glauben, daß
Gott für immer mit uns ist, weil Jesus „lebt" ... In immer neuen
Geschichten wird die unerschöpfliche Wahrheit, d. h. die wirkende
Präsenz seiner Geschichte entfaltet" (53). Daß hier eine
der schwierigsten Fragen überhaupt aufgezeigt ist, ist jedem Wissenden
klar, denn der Haltung, die nur das experimentell Erprobbare
für wirklich hält, entspricht auf dem Gebiet der Geschichtsund
Geisteswissenschaft die Frage nach der historischen Zuverlässigkeit
im einzelnen, weil diesem allein Wert beigemessen
wird. Weil die Einzelperikope „erzähltes Evangelium" ist und in
jeder Perikope geschieht, wovon sie alle sprechen, darum ist in
jeder einzelnen Perikope das ganze Evangelium enthalten; und
weil in jeder Perikope geschieht, was in Jesu Geschichte geschehen
ist, darum haben sie historischen Grund und sind doch Verkündigung
, in der auch der gegenwärtige Mensch angeredet wird:
„Jesus nimmt in sein menschliches Wort die Zuwendung Gottes
zu seinen Geschöpfen auf; sein Wort will nichts anderes als dieses
Geschehen selbst. Jesus bringt den ursprünglichen Willen Gottes
in einer Weise zur Geltung, als sei er Gottes geschichtlicher
Repräsentant. Dieser Anspruch und dieser Sachverhalt sind mit
Jesu historischem Auftreten eo ipso gegeben" (33).

Was an den Darlegungen Stocks in besonderem Maße auffällt
, ist seine Sprachfähigkeit. Wenn G. Ebeling sagt, es gehe
heute nicht „um die Verständlichkeit einzelner Wörter, sondern
um die Verständlichkeit des Wortes schlechthin, nicht um neue
Sprachmittel, sondern um ein neues Zur-Sprache-Kommen"
(G. Ebeling, Wesen d. christlichen Glaubens S. 11) dessen, was in
Jesus zur Sprache gekommen ist, so wird man Stock gern zuerkennen
, daß ihm Aussagen gelingen, sowohl in seinem grundsätzlichen
Teil wie auch in seinen Einzelstudien, in denen sich
etwas von einem neuen Zur-Sprache-Kommen dessen, was
im Evangelium zur Sprache gekommen ist, anzeigt. Natürlich
bleiben Fragen offen, von denen noch zu reden sein wird. Nur
eines: Eröffnet die Verkündigung Jesu dem schuldigen Menschen
eine neue Möglichkeit, sich vor Gott zu verstehen (S. 67) oder
nicht vielmehr eine neue Möglichkeit, vor Gott zu existieren,
was freilich ein neues Verstehen einschließt, aber nicht in ihm
aufgeht?

In einem zweiten Teil gibt Stock „Beispiele für
I n t e r p r e t a t i o n u n d u n t e r r i c h 11 i c h e Behandlung
der Evangelien; Wundergeschichten
und Apophthegmata". Er wählt sieben Beispiele aus,
die unter die bezeichnenden Überschriften treten: Vergebung der
Sünden: Jesus und der Gichtbrüchige Mark. 2, 1—12/Par; Heilsamer
Glaube: Die Heilung des epileptischen Knaben Mark. 9,
14—29/Par; Dankbarer und bekennender Glaube: Die Heilung
der zehn Aussätzigen und die Belehrung über das Reich Gottes
Luk. 17, 11—21; Die große Freude: Jesus begegnet dem Zachäus;
Luk. 19, 1—10; Die Gotteskindschaft: Jesus und die Kinder
Mark. 10,13—16 und Matth. 18, 1—5/Par; Ernstfall des Glaubens
: Die Beschwörung des Seesturms Mark. 4, 35—4l/Par; Brot
des Lebens: Die wunderbare Speisung Mark. 6, 30—44/Par. In
diesen Beispielen wird angewendet, was grundsätzlich ausgesprochen
war. Es bewährt sich die Erkenntnis, daß die Erwartung eines
Berichtes über verifizierbare historisch-psychologische Vorgänge
sich nicht bestätigt und daß die didaktische Ausfüllung dieser
vermeintlichen Lücken in Erzählhilfen von der Eigenart des Textes
ablenkt. Stock macht damit ernst, „daß der Unterricht endlich
prinzipiell auf lange Gewöhnungen Verzicht leisten und entschlossen
umdenken lernen" muß (5 3). Er versteht die Perikope
z. B. des Gichtbrüchigen als „in der Gemeinde entstandene Erzählung
... , die von außerordentlicher Kraft verstehender Interpretation
und gewiß auch darstellender Erinnerung zeugt" (76);
all den synoptischen Perikopen liegt „der nachösterliche Ursprung
des Kerygmas vom Gekreuzigten und Auferstandenen vorgängig"
zugrunde; es zieht sowohl historischen Stoff aus dem Leben Jesu
an sich, wie es „auch neue Berichte aus sich heraustreibt" (100).
Sie offenbaren „die exzeptionelle Mächtigkeit Jesu Christi, des
gegenwärtigen Herrn, den hilflosen Menschen bis auf den Grund
vor die Gottesfrage und in die wirkende Anwesenheit Gottes zu
bringen" (ebda).

Die exegetischen Ausführungen zu den einzelnen Perikopen
werfen jene Fragen auf, die bereits der grundsätzliche Teil erkennbar
werden ließ. Die Sicherheit, mit der auf der Grundlage
des formgeschichtlichen Kritizismus Urteile gefällt werden, täuscht
über die Tragfähigkeit ihrer Grundlagen hinweg. Geben die Erwägungen
über den kerygmatischen Charakter der Einzelperiko-
pen den common sense der neutestamentlichen Forschung wieder,
so ist es nach wie vor eine offene Frage, wie weit der vom
Kerygma an sich gezogene Stoff aus dem Leben Jesu, wie weit
darstellende Erinnerung reicht und in wie starkem Maße vom
Heraustreiben neuer Berichte gesprochen werden kann. Wir sind
geneigt, hier teilweise durchaus anders zu urteilen als der Verfasser
. Die falsche Sicherheit des historischen Urteils ist deshalb
besonders bedauerlich, weil es sich zu einem großen Teil auch an
Leser wendet, die nicht in der Lage sind, selbständig seine Grundlagen
nachzuprüfen. Die Frage des „unmessianischen Lebens Jesu"