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Ausgabe:

1961 Nr. 4

Spalte:

289-293

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Behling, Lottlisa

Titel/Untertitel:

Die Pflanze in der mittelalterlichen Tafelmalerei 1961

Rezensent:

Ladendorf, Heinz

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 4

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Der Herausgeber war offensichtlich bemüht, die Verschiedenheit
der innerkirchlichen Stellungnahmen deutlich werden zu lassen
. Vielleicht wäre dies Anliegen noch klarer herausgekommen,
wenn er theologisch nur ein einziges Thema behandelt hätte, die
Frage der Offenbarung etwa oder die der Ekklesiologie, wo z. B.
Pietismus, Liberalismus, konfessionelles Luthertum, Unionismus
und die dialektische Theologie sich widereinander spannten. —
In mancher Weise ist auch schade, daß er mit 1945 aufhört. Bei
der Mission etwa wird so nicht deutlich, welch tiefe Wandlung
sich vollzog (W. Freytag, Vicedom), oder bei der Ökumene der
inzwischen erarbeitete Fortschritt. Auch hätte der Vergleich von
einigen Kirchenverfassungen von 1945 ff. mit denen von 1922 ff.
einen sehr plastischen Eindruck des Neuen vermittelt, das der
Kirchenkampf gewirkt hat. 1945 ist keine echte kirchliche
Grenze. — Sachlich hätte der Nationalismus der kirchlichen Führergruppen
vielleicht noch etwas stärker betont werden müssen.
Hier eröffnet schon der Vergleich der Kriegspredigten von 1914 ff.
mit denen von 1939 ff. tiefe Einblicke.

Aber das letzte Wort soll nicht eins der Kritik sein, sondern
des herzlichen und ehrlichen Dankes. Wo hatten wir denn die
Möglichkeit, all das zu finden, was uns jetzt so bequem dargeboten
ist: die Äußerungen des EOK zur sozialen Frage oder die
prinzipiellen Äußerungen der kirchlichen Parteien, es sei denn
für den Preis unendlicher Mühe! Daß der Verf. das alles leicht
zugänglich gemacht hat, jedermann, auch dem nicht Suchenden,
das ist wirklich dankenswert.

Eine Einzelheit: Der Name „Kittel-Münster" ist per nefas unter
die Godesberger Erklärung gesetzt und darf also dort nicht mehr gebracht
werden.

Hamburg-Großflottbek Kurt Dietrich Schmidt

van K 1 e e f, B. A.: Das Utrechter Provinzialkonzil vom Jahre 1763
(Schluß).

Internationale Kirchliche Zeitschrift 50, 1960 S. 194—224.

Casalis, Georges: Fünfzehn Jahre danach — Fragen an die evangelische
Christenheit in Deutschland.
Junge Kirche 21, 1960 S. 638—644.

Massaut, J.-P.: Thomisme et augustinisme dans l'apologetique du
XVII" siecle.

Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques 44, 1960 S. 617
bis 638.

Schuster, Kurt: Gruppe, Gemeinschaft, Kirche. Gruppenbildung bei
Zinzendorf. München: Kaiser 1960. 55 S. gr. 8° = Theologische Existenz
heute, eine Schriftenreihe, hrsg. v. K. G. Steck u. G. Eichholz,
N. F. Nr. 85. DM 3.30.

S p e n e r, Philipp Jakob: Wenn du könntest glauben. Ausschnitte aus
seinen Briefen, ausgewählt u. eingeleit. v. H.-G. F e 11 e r. Mit einem
Vorwort v. F. Rienedcer. Stuttgart: Steinkopf [i960]. 143 S. kl. 8° =
Steinkopfs Hausbüchcrei. Pp. DM 3.20.

GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

Behling, Lottlisa: Die Pflanze in der mittelalterlichen Tafelmalerei.

Weimar: Böhlau 1957. 221 S., 130 Taf., 48 Textabb. u. 1 färb. Titelbild
. 4°. Lw. DM 45.-.

Die Pflanzensymbolik des Mittelalters und der werdenden
Neuzeit mußte sich bisher im Gegensatz zur Bearbeitung der
Tiersymbolik mit einer verhältnismäßig geringen Anzahl von
Studien begnügen. Der Kunsthistoriker verfügt nur in seltenen
Fällen über hinreichende botanische Kenntnisse (— in diesem Buch
werden weit über 500 Pflanzen bestimmt). Um das wechselseitige
Geben und Nehmen zwischen wachsender Naturerkenntnis und
wachsenden Darstellungsmöglichkeiten der Kunst zu erläutern,
um die Kulturgeschichte, Wissenschaftsgeschichte und Medizingeschichte
der Pflanzenkunde zu überblicken, bedarf es weitschichtiger
Spezialkenntnisse. Auch die mittelalterliche Theologie
und Dichtung sind über die Bedeutung der Pflanzen zu befragen,
ohne die der Sinn der Darstellungen im einzelnen nicht zu enträtseln
ist.

Es darf gleich vorweggenommen werden: den vielfältigen
Erfordernissen ist hier in einer Weise Genüge getan, daß gute
Erläuterung und vorzügliche Darbietung sich harmonisch ergänzen
. Der Leitfaden der Betrachtung bleibt die kunstgeschichtliche
Entwicklung, für die sich die Frage der Pflanzendarstellung in

der Zeit des späteren Mittelalters und der beginnenden Neuzeit,
in Spätgotik, Quattrocento und Dürerzeit außerordentlich fruchtbar
erweist.

Die sorgfältig ausgewählten 185 Abbildungen machen mit
Pflanzen in Zeichnungen, Stichen, Holzschnitten1 und Plastiken
bekannt, vor allem in etwa 60 Hauptwerken der Tafelmalerei,
zu denen fast 80 zusätzliche, meist ganzseitige Ausschnitte ungefähr
100 einzelne Pflanzen, z. T. mehrfach in verschiedenen
Werken, in Nahsicht wiedergeben. Die Wahl der Werke und die
Gegenüberstellung der Tafeln ist sehr gut gelungen. Der Abbildungsteil2
vermittelt eine reiche Anschauung und ist als Pflanzenbilder
-Buch, nicht nur für Kunsthistoriker als botanische
Laien geradezu von selbständigem Wert.

So wie die Register der deutschen und lateinischen Pflanzennamen
und ein Synonymenschlüssel für die Erschließung des vielfältigen
Stoffes 6orgen, der in dem Buch zur Sprache kommt, so
bietet eine Zusammenfassung als Schluß der Arbeit noch einmal
eine kunstgeschichtliche Übersicht, um die gelegentlich in der
Fülle der Einzelheiten fast versinkenden Hauptgesichtspunkte der
Darstellung noch einmal hervorzuheben. In der Malerei des
14. Jhdt.s ist die Pflanze noch lange Zeit fast zeichenhaft stilisiert
, wirklichkeitsnahe Studien von künstlerischer Bedeutung
treten erst gegen Ende des Jahrhunderts, z. B. bei Meister Bertram
auf. Bald nach 1400: als wäre die Welt erst jetzt auf einmal
aufgeblüht —, häufen sich die herrlichsten Pflanzenbildnisse
beim Meister des Frankfurter Paradiesgärtchens (c. 1410) wie auf
dem Genter Altar (1432). Die Pflanzendarstellungen werden
durch das ganze 15. Jhdt. in der niederländischen und deutschen
Malerei verfolgt und mit dem Stande der Pflanzenkenntnis und
Pflanzenwiedergabe in botanischen und medizinischen Werken
verglichen. Italien ist dabei nicht übersehen worden. Die Abbildungen
des Paduaner Pflanzenbuchs um 1400 sind von einer
künstlerischen Höhe und einer Beobachtungstreue, die erst über
ein Jahrhundert 6päter bei Dürer und Weiditz wieder erreicht
wird. Auf dem Hintergrund der sehr beachtenswerten italienischen
Tradition wird die unvergleichliche Zeichenkunst Leonardos in
ihrer einmaligen Vereinigung wissenschaftlicher und künstlerischer
Erkenntnis gut geschildert. Ein wichtiges, noch immer ungeschriebenes
Kapitel der Kunstgeschichte, die Wirkung Leonardos
auf Dürer, wird von der Pflanzendarstellung her hier zum
ersten Mal mit Erfolg bearbeitet. Leider erfährt das große Rasenstück
Dürers nicht die umfassende allgemeine Würdigung, die
ihm im Rahmen eines solchen Buches zukäme, auch hätte man
gern die Frage beantwortet gesehen, ob hier die Ökologie, die
bis zu Grünewald im allgemeinen außer Acht gelassen wird, Berücksichtigung
gefunden hat. Naturkenntnis3, Naturbeobachtung
und Naturverbundenheit der Maler der Donauschule, insbesondere
Altdorfers und Cranachs, sind fesselnd beschrieben4, Granat-

*) Auf L. C. Treviranus, Die Anwendung des Holzschnittes zur
bildlichen Darstellung von Pflanzen. Nach Entstehung, Blüte, Verfall
und Restauration, Leipzig 1855 ist nicht eingegangen. Ein Neudruck
Utrecht 1949 = Classic« of natural history Reprints 1. Vgl. die Bespr.
Ludwig Choulant, Archiv f. d. zeichnenden Künste 1, 1855, 139—146,
von diesem Verf. noch Botanische und anatomische Abbildungen des
Mittelalters ebda 3, 1857, 18 8—309, bes. zu Breydenbach und Reuwich
221—224, sowie Apuleius, De herbarum virtutibus ebda 5, 1859, 26
bis 30.

s) Es ist hier für einen besonderen Zweck nach mancherlei Mißbrauch
des Ausschnittes wieder das erreicht, was Leo Bruhns in seinem
vorbildlichen Buche Aus alten Bildern, Zeugnisse deutschen Wesens.
Königstein i. T. u. Leipzig 1932 (Die blauen Bücher) anstrebte.

3) Zu S. Killermanns Buch 1910 eine Bespr. von Friedländer, Re-
pertorium f. Kunstwiss. 34, 1911, 75—77. Die kleinen Studien Killermanns
in Natur und Kultur (Monatsschrift) sind übersehen worden:
Altdorfer 36, 1939 (3), 76—80; Burgkmair 9, 1913/1914 (9); Grünc-
wald 17, 1919/1920 (8). Zu Dürer fehlt Rudolf Wustmann, Dürers Natursymbolik
in: Von deutscher Kunst 1, Leipzig 1904, 1 — 18 (vgl. den
Aufsatz des Verf.s in Grenzboten im gleichen Jahr); Carl Willnau u.
Rudolf Gießler, Ein Beitrag zur Pflanzensymbolik bei Dürer, Zeitschr.
f. bild. Kunst 64, 1930/1931, 47—48; Kenneth Romney Towndrow, A
note upon Dürers Virgin with the Iris, lately acquired by the Nationaf
Gallery, Burlington Mag. 89, 1947, 102.

*) Hier wird auch auf die Baumikonographie eingegangen, die sonst
etwas zu kurz kommt. Zur Tradition der Baumdarstellung vgl. Kurt
Erdmann, Bemerkungen zu einer Miniatur der Carmina burana, Beiträge