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Ausgabe:

1961

Spalte:

231-233

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Kraemer, Hendrik

Titel/Untertitel:

Theologie des Laientums 1961

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Theologische Litcraturzeitung 1961 Nr. 3

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jewskis zum Zeugnis dafür nehmen. Wohl soll dem hierarchischen
Prie6tertum nichts von seiner Ehre genommen werden,
aber ebenso sollen dem Laientum alle schwer errungenen religiösen
, ja hierarchischen Rechte verbleiben. Dabei geht es ohne
Reibung nicht ab. Uns scheint die letzte Begründung der priesterlichen
Hierarchie überhaupt blaß zu sein. Daß das Weihe-
priestertum im NT nicht erwähnt sei, wurde schon vermerkt.
Die Unfehlbarkeit des höchsten Lehramtes wird „Voraussetzung
" der katholischen Kirche genannt (228). Ist der Laie an
der Unfehlbarkeit beteiligt? Unzählige Male führt C. den sen-
6us fidelium ins Feld, im allgemeinen im Verständnis der Ostkirche
, daß Rechtgläubigkeit erst durch die Zustimmung des
Kirchengewissens gesichert sei. Aber — der römische Theologe
muß zurückstecken: zum sensus fidelium gehört „wesentlich eine
gehorsame Haltung gegenüber der apostolischen Autorität"

(470) . Aber das Unbefriedigtsein spricht sich sofort hinterher
in einer Kritik am Dekret Lamentabili von 1907 aus (Denz.
2006, Ncuner-Roos 389): „Wir können eine Theologie, für
welche die Körperschaft der Gläubigen keinen andern Unfehlbarkeitstitel
hat als ,in der erforderlichen Weise auf das Lehramt
hören', nicht als genauen und vollen Ausdruck des Überlieferungsbefundes
und der autorisierten Lehre anerkennen"

(471) . Ein anderes Beispiel problemreichen Fragens sind Sätze
zum Amt des „Weltpriesters". „Echte Weltpriester sind nur die
verheirateten Priester der orientalischen Kirchen. .. Bei uns
aber sind seit dem Mittelalter und besonders seit dem Konzil
von Trient Ziel und Mittel der Priesterheiligung dem Mönch-
tum entlehnt" (673). Ausdruck einer Unsicherheit ist die gelegentliche
dogmatische Fesselung exegetischer Überlegungen.
Das Evangelium berichtet, daß der Auferstandene zuerst Frauen
erschien. C. kommentiert: „Es fehlt ihrer Bezeugung gleichsam
die volle kirchliche und für das apostolische Zeugnis entscheidende
Bedeutung; nur auf diesem kann der Glaube aufruhen;
die Bezeugung der Frauen gehört gewissermaßen in die Ordnung
des persönlichen Eifers; ihre Aufgabe ist es gewesen, Petrus
wachzurütteln — man möchte sagen, wenn man es wagen darf:
die Hierarchie in Bewegung zu bringen" (456). Wir versagen
uns weitere Hinweise auf schillernde Zwischenzonen, die für die
Una Sancta-Theologie ebenso anziehend wie gefahrenreich sind.
Daß unser Buch in einem Verlag erschienen ist, der 6ehr um das
interkonfessionelle Gespräch bemüht ist, wird kein Zufall sein.

Aber kritische Seitenblicke möchten bei dem ungewöhnlich
anregenden, glanzvoll geschriebenen, hochaktuellen und mit solidem
patriotischem Wissen unterbauten Buch nicht das letzte
Wort haben, sondern Anerkennung und Bewunderung. Daß die
KA das katholische Volksleben in der Tiefe bewegt und besonders
die Lehre von der Seelsorge neu und modern konzipieren
läßt — wir verweisen auf Viktor Schurr, Seelsorge in einer neuen
Welt, eine Pastoral der Umwelt und des Laientums, 2. Aufl.
1957 — wird überall erkannt werden. Welche starken Impulse auf
die katholische Ekklesiologie ausgehen, beweist unser Buch.

Die Dominikaner in Walberberg haben recht getan, das Werk
ins Deutsche zu übersetzen. Obgleich sie die französischen
Literaturangaben gekürzt haben, tritt eindrucksvoll die Leistung
der französischen katholischen Theologie heraus, mit der bekannt
zu werden ein nicht unerheblicher Nebenerfolg des Studiums ist.
Leider fehlt ein Sachregister, da6 bei dem großen Umfang
des Buches unentbehrlich ist und durch das dankenswert ausführliche
Inhaltsverzeichnis nicht ersetzt werden kann. Warum das
Autorenregister unvollständig ist, begreift man nicht.

Rostock Gottfried Holtz

Kiacmct, H.: Theologie des Laientums. Die Laien in der Kirche.
Aus dem Engl, übers, v. U. M a r k u n. Zürich: Zwingli Verlag [19 59].
158 S. gr. 8°. Kart. sfr. 14.—.

Die Literatur zur theologischen Frage des Laientums wächst.
Kraemers Buch, das aus Vorlesungen in Cambridge (Februar 1958)
hervorgegangen ist und dankenswerterweise stark auf die angelsächsische
Literatur eingeht, hat wesentliche Einflüsse von
Congar empfangen (s. oben Sp. 229; Kraemer zitiert nach
der französischen, nicht der deutschen Ausgabe), der auf beträchtliche
Strecken hin die Rolle des Gesprächspartners spielt.

Es kennzeichnet die Lage, daß gern von einer neuen Kirchenreformation
gesprochen wird; sie würde „noch radikaler sein
müssen als diejenige des 16. Jahrhunderts" (80).

Daß die Kirche der Theologen und des geistlichen Amtes
bedarf, wird nur nebenbei mit kurzen kritischen Worten gestreift.
„Natürlich ist ein gewisser institutioneller Apparat unentbehrlich
" (67). „Es ist wohl recht und gut, über den Platz und die
Aufgaben der ordinierten Geistlichkeit zu reden, denn sie "hat ja
wirklich eine wichtige Aufgabe zu erfüllen; aber die Schweigsamkeit
über die Laien beweist eine große Einseitigkeit" (132).
Einsatz- und Orientierungspunkt ist die neutestamentliche Auffassung
von Xmxog und y.XijQO?, womit im Urchristentum die
gleichen Menschen bezeichnet werden. „Es besteht kein Schimmer
von einer Idee einer bestimmten Körperschaft unter dem Namen
Klerus" (40). Die entstellende geschichtliche Entwicklung,
die dem Theologen bekannt sein sollte, wird in knappen Umrissen
aufgezeigt, auch bisweilen ein Hinweis auf die faktische
Bedeutung der Laien in der Geschichte der evangelischen Kirchen
gegeben. Dabei heißt es allerdings: „Wenn man die zentrale
Hervorhebung des priesterlich - hierarchischen Charakters der
Kirche in der katholischen Kirche vergleicht mit der starken
Betonung der Geistlichkeit in den nichtkatholischen episkopalen
und nicht-episkopalen Kirchen, kann man nicht umhin zu fühlen,
daß die Hefe der ersteren auch in den letzteren weiterwirkt"
(66). Über alle bisherigen Ekklesiologien wird geurteilt, daß 6ie
„krüppelhaft" seien (132). Das institutionelle Element wird auf
ein Minimum reduziert. „Die Kirche als traditionelle Institution
ist eine der härtesten Nüsse, die es zu knacken gilt" (146). Die
grundlegende Auffassung der Kirche, von der allerdings nur kurz
gehandelt wird, ist durch Karl Barth vermittelt: Die Kirche —
„ein ewig neues Abenteuer des Glaubens", ein Echo auf Gottes
Erlösungstat (70). In der weithin spiritualisierten Kirche ist nicht
der Geistliche, sondern der Laie die Hauptperson, weil in ihm
„erstrangig" die Kirche der Welt begegnet, in den Fabriken,
Warenhäusern, Parteien, Parlamenten, wo die eigentlichen
Glaubenskämpfe heute ausgetragen würden. Es wird von der
„strategischen Bedeutung der Laien" geredet (25) und dem
„Marschbefehl" (140), unter dem sie ständen. Noch andere Worte
aus der militärischen Sprache wie „offensiv" und „militant" werden
gebraucht (90). Der Kirche wird vorgeworfen, daß sie das
Problem von Kirche und Welt eigentlich nie richtig erkannt
hätte (78). Eine Hauptthese lautet: „Die Kirche ist für die Welt
da" (106). Ihre eigentliche Begründung kann nicht im römischhierarchischen
Strukturdenken liegen, auch nicht in Worten Jesu,
die als Grundlage für eine institutionelle Kirchengründung angesehen
wurden. Wo denn? Überraschenderweise in einer erweiterten
Lehre vom Amt Christi, wozu Ausführungen bei Congar
den Anstoß gegeben haben dürften. Die Lehre vom munus triplex
geht darüber zu Bruch, denn ein munus diaconicum wird hinzugefügt
, nein, übergeordnet. Entsprechend heißt es von der Kirche
— in Zustimmung zu einem Wort Torrances — „Wir müssen die
grundlegende Einheit der prophetischen, priesterlichen und königlichen
Funktionen der Kirche wirklich unter dem Gesichtspunkt
des Dienens durch den leidenden Diener sehen" (121). „Dieses
Thema hat 6chon seit Jahren mein Denken beschäftigt."

Daß es sich hier um eine reformierte Schau der Kirche
und ihres Laientums handelt, bedarf keiner besonderen Betonung
mehr. Daß die hier in der Luft liegende Frage nach der Sekte nur
einmal angeschnitten wird, mag man bedauern; wie es geschieht,
ist höchst bezeichnend (149): an entscheidendem Punkt wird das
Wort Sekte in Anführungszeichen gesetzt, worauf die grundsätzliche
Beipflichtung erfolgt: „Doch haben die Sekten recht."
„Die charismatische Natur der Kirche als unerschütterliche grundlegende
Tatsache und nicht als vorübergehender Zustand muß
mit voller Überzeugung bejaht werden." Den Sekten wird vorgeworfen
, daß sie die biblische Auffassung der Kirche als einer
charismatischen Bruderschaft falsch interpretierten. Wie das des
näheren gemeint ist, wird nicht gesagt.

Es ist wohl deutlich, daß jetzt eine Theologie des Laientums
in lutherischer Sicht fällig wird. Sie sollte den einseitigen aktivistischen
Spiritualismus, der in der Ostkirche sein wahres Gegenstück
hat, vermeiden wie auch die Inflation des Lehrstücks vom
dreifachen Amt Christi.