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1961 Nr. 3

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Systematische Theologie: Ethik

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 3

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Fuchs, Emil: Christliche und marxistische Ethik. Lebenshaltung und
Lebensverantwortung des Christen im Zeitalter des werdenden Sozialismus
. IL Leipzig: Koehler & Amelang 1959. 251 S. 8°. Hlw.
DM 5.50.

Der erste Teil dieses Werkes ist in der Theologischen
Literaturzeitung des Jahrganges 195 7, Nr. 9 angezeigt worden.
Das dort aufgezeigte Fundament des Gedankenganges trägt auch
die Ausführungen des zweiten Teils; es möge hier mit Sätzen, die
dem neu erschienenen Teil entnommen sind, noch einmal kurz
dargelegt werden!

1. ) „Gewaltig steht über den Schicksalen der Menschheit der
Ruf zu der Aufgabe, die Arbeitsorganisation und die gesamte Gesellschaft
so zu gestalten, daß das Bewußtsein des Füreinander,
des Zusammengehören wieder bestimmend wird" (S. 33). Dem
Christentum und dem Marxismus, so legt Fuchs dar, ist gemeinsam
, daß der Ruf zu dieser Aufgabe von beiden ernstgenommen
wird. Er führt Jesu Wort an: „Die Fürsten dieser Welt herrschen,
und ihre Gewaltigen üben Macht, so soll es unter euch nicht sein,
sondern, wer unter euch will der Größte sein, der sei aller
Knecht. . .!" (Matth. 20, 25).

2. ) Christentum und Marxismus haben auch gemeinsam, daß
sie ihrer Aufgabe gegenüber oft versagt haben. „Wir müssen sehen
können, daß es ein Christentum gab und gibt, das für die furchtbare
Zerstörungsgewalt der bestehenden Machtverhältnisse kein
Auge hatte, ja, dem Menschen die Sicht verdunkelte und sie auf
kleine persönliche Pflichterfüllung und Selbstbehauptung abdrängte
" (S. 13). Von den Marxisten sagt Fuchs: „Sie griffen in
schweren Nöten und Kämpfen zu den Mitteln der Gewalt, den
Mitteln der alten Welt, um die neue zu bauen und zu verteidigen
" (S. 12). Von den Massen der Arbeiterschaft sagt Fuchs auf
Seite 39: ,,... sie waren und sind vom kapitalistischen Denken
so um ihr Menschsein gebracht, daß sie das Ziel, das Karl Marx
ihnen zeigte, als ein nur materielles Ziel im Bewußtsein erfassen
konnten". Und von dieser Ablenkung der Gedanken auf die
Überwindung der Not heißt es auf Seite 47: „wie sehr verhindert
6ie jetzt noch die Entwicklung einer echten Verantwortung in
denen, die zu der gewaltigen Aufgabe des Neubaus einer Gesellschaft
berufen sind und sich noch erschöpfen in der Sucht nach
kleinem persönlichem Gewinn und Genuß."

3. ) „Alle großen Sozialisten haben jedoch dagegen gekämpft"
(S. 39), d. h. gegen die Ablenkung der Gedanken von der Aufgabe
, eine neue brüderliche Gesinnung zu schaffen. Und immer
hat der wahre Christ darum gewußt, was es heißt: „Wer unter
euch will der Größte sein, der sei aller Knecht!" Darum, so
schließt Fuchs, müssen die wahren Christen und die wahren
Sozialisten miteinander an die große Aufgabe gehen, die beiden
gestellt ist.

Diese 3 Sätze stellen das Fundament dar, auf dem Fuchs
seine Ethik aufbaut. „Das Arbeitsleben" und „Staat und Staats-
gestaltung", das sind die Überschriften der beiden ersten Abschnitte
; dann folgen Kapitel, die vom Geist Jesu Christi „als
Kraft und Sinn des Einzellebens", vom „Geist Jesu Christi als Liebe
zum Bruder" handeln. Aus den weiteren Themen seien die hervorgehoben
, die von Liebe, Ehe und Familie handeln. Der letzte
große Abschnitt trägt die Überschrift: Volk und Völker —
Kultur und Menschheit. Um die Methode des Verfassers kennen
zu lernen, soll der Abschnitt „Staat und Staatsgestaltung" näher
ins Auge gefaßt werden. Es ist bedauerlich, daß die6 an dieser
Stelle nur in solcher Kürze geschehen kann, so daß manche Feinheit
der Darstellung nicht zu ihrem Recht kommt.

Dem Abschnitt vorangestellt sind die bekannten Stellen aus
Römer 13 und die aus der Offenbarung 13 und 14, in denen vom
Staat als von dem Tier gesprochen wird. Fuchs übersetzt ££ovo(ai
nicht wie Luther mit Obrigkeit, sondern mit „herrschenden Gewalten
"; ÖLnxayrj wird übertragen als „Gottes Schicksalsfügung".
Fuchs weist darauf hin, daß sowohl das Urteil, das Paulus über
den Staat fällt, wie auch das andere, das vom Verfasser der Offenbarung
gesprochen wird, auf bestimmten zeitgebundenen Erfahrungen
beruht, nämlich auf dem glücklichen Anfang der Regierung
Neros und auf dem Eindruck der Verfolgung unter Domitian
. Sein Urteil über den Staat als solchen ist —wie es dem
Referenten scheint — stärker als durch diese beiden Stellen durch
das Jesus-Wort bestimmt: „Die Fürsten herrschen, und ihre Gewaltigen
üben Macht; so soll es unter euch nicht sein." Dieser
Ablehnung des Machtstaates reiht der Verfasser unseres Werkes
nun an die Beurteilung des Staates, wie das Kommunistische
Manifest sie ausspricht. Es definiert den Staat als „die organisierte
Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung der anderen". Sowohl
die christliche wie die kommunistische Beurteilung des Staates
fordert, daß er überwunden werde: die Maditordnung muß abgelöst
werden durch die Liebesordnung. So weit Fuchs!

Der Frage, ob eine Liebesordnung je verwirklicht werden
könne, obgleich der Mensch, um Kants Wendung zu gebrauchen,
„aus krummem Holze geschnitzt ist", wird nur so weit nachgegangen
, als betont wird, daß das von unser aller Verhalten
abhänge. Die hoch gespannte sittliche Forderung schiebt also
die Frage der Verwirklichung beiseite. Ein solches Verfahren
wird bei nicht wenigen Lesern des zweiten Teils die Kritik wieder
wachwerden lassen, die einst dem ersten Teil gegenüber geübt
wurde. Man sprach damals von „Mangel an nüchternem Wirklichkeits
-Sinn". Auch der Besprechung des ersten Teils wurde
vorgeworfen, daß sie diesen Mangel an Wirklichkeits-Sinn nicht
genügend hervorhebe.

Einer solchen Kritik gegenüber könnte unser Autor darauf
hinweisen, daß jede Ethik es mit dem „du sollst" zu tun hat, daß
seit den Tagen der Bergpredigt die christliche sittliche Forderung
es abgelehnt hat, sich durch die Frage nach der Verwirklichung
abschwächen zu lassen. Es soll nun aber auch weiter darauf hingewiesen
werden, daß der Verfasser darum weiß, wie sehr die
Wirklichkeit des Menschen hinter der Forderung zurückbleibt.
Er spricht mehrfach davon, daß wir alle dem Gericht und der
Gnade Gottes entgegen gehen. Ist nicht das Wissen um Gericht
und Gnade Gottes der beste Maßstab für die Frage danach, ob
jemand Wirklichkeits-Sinn habe oder nicht?

Greifswald Ernst Jenssen

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