Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1961 Nr. 3

Spalte:

221-223

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Ebeling, Gerhard

Titel/Untertitel:

Das Wesen des christlichen Glaubens 1961

Rezensent:

Schultz, Werner

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

221

Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 3

222

renden... J: das, wie Sie neulich sagten, währt als das Gewährende
... F: und dasselbe bleibt wie die Botschaft... J: die uns
als Botengänger braucht (Die Punkte finden sich im Text,
bezeichnen also keine Auslassung. Sperrung des letzten Wortes
von H., S. 154 f.)." Dies Nikodemusgespräch zeigt, wie die Vergottung
der Sprache aussieht. Die mystische Tonart, in der von
der Gottheit geredet wird, ist offenkundig. Vielleicht ist es verständlich
, daß junge Theologen heute sich von dieser Sprachphilosophie
versprechen, was ihnen die Theologie vorenthält.

3. Die noch fehlende Konsequenz wäre, daß Gott von der
Sprache abhängig gesehen würde. Auch sie ist in dem Buch bereits
deutlich angezeigt, wenn auch nicht ausgeführt. In der Interpretation
des Gedichtes „Das Wort" von Stefan George wird
zum Schlußvers „Kein ding sei wo das wort gebricht" ausgeführt:
„Wir wagten die Umschreibung: Kein Ding ist, wo das Wort
fehlt. ,Ding' wird hier im überlieferten umfassenden Sinn verstanden
, der jegliches Etwas meint, das irgendwie ist. So genommen
ist auch Gott ein Ding. Erst wo das Wort gefunden ist für
das Ding, ist das Ding ein Ding. So erst ist es (Sperrung v. H.,
S. 164)." Wäre das psychologisch gemeint, könnte man es so
auffassen: Was nicht durch eine Aussage in mein Bewußtsein eingegangen
ist, existiert für mich n;cht, demnach auch Gott (in
meinem Bewußtsein) nicht, wenn die Predigt seines Wortes mich
nicht erreicht hat. Aber so ist es von Heidegger doch wohl nicht
gemeint.

Wir brechen hier ab und sprechen nur noch eine Sorge aus:
daß diese Philosophie sich eines Tages inmitten der Theologie als
der schärfste Angriff auf den christlichen Glauben seit Nietzsche
enthüllen könnte — und dann vielleicht zu spät.

Tübingen Walter Uhsadel

B o g 1 i o 1 o, Luigi: La filosofia dell' integralitä di M. F. Sciacca.

Salesianum XXII, i960 S. 434^44.
— Un nuovo metodo di fondare l'ontologia.

Salesianum XXII, 1960 S. 445—452.
Hödl, Ludwig: Der Anspruch der Philosophie und der Einspruch der

Theologie im Streit der Fakultäten. München: Hueber 1960. 23 S.

gr. 8° = Mitteilungen d. Grabmann-Instituts d. Univ. München, hrsg.

v. M. Schmaus, H. 4. DM 3.80.
Hübscher, Arthur: Arthur Schopenhauer — seine Persönlichkeit

und seine Philosophie.

Universitas 15, 1960 S. 1297—1306.
L u d z, Peter Christian: Der Begriff der Religion bei Karl Marx und im

Marxismus.

Monatschrift für Pastoraltheologie 49, 1960 S. 268—276.
Martensen, Hans: Der Glaube als „Durchsichtigkeit" bei Soren
Kierkegaard.

Catholica 14, 1960 S. 208—222.
Thieme, Karl: Der jüdische Beitrag zur europäischen Existenz und zu
ihrem philosophischen Selbstverständnis.
Freiburger Rundbrief XII, 1959/60 S. 10—13.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Ebeling, Gerhard: Das Wesen des christlichen Glaubens. Tübingen:
Mohr 1959. IV, 256 S. kl. 8°. Kart. DM 8.-; Lw. DM 11.-.

Die Untersuchung E.s über das Wesen des christlichen Glaubens
ist aus einer Vorlesungsreihe hervorgegangen, die der Verf.
an der Universität Zürich für Hörer aller Fakultäten gehalten hat.
Sie will keine „ausgeführte Dogmatik" sein, sondern nur eine
„Anleitung zum Verstehen des christlichen Glaubens" geben, wie
es im Vorwort heißt. „Wer aufmerksam liest, hat dann Recht und
Pflicht, über die Skizzenhaftigkeit des hier Dargebotenen hinauszustreben
."

Bereits diese Sätze werfen ein Licht auf die Methodik, von
der die ganze Untersuchung getragen ist, und die uns besonders
wertvoll erscheint. Der Glaube als solcher ist eine Bewegung, die
von sich aus zu kritischem Denken aufruft. „Wir wollen uns ein
Herz fassen zu kritischem Denken. Darum sprechen wir vom Wesen
des christlichen Glaubens" (13). Dies kritische Denken, das
nun in 15 Abschnitten des Buches vorgetragen ist, führt gewiß zu
klaren, scharf umrissenen Ergebnissen, die den Leser jeweilig vor
die Entscheidung stellen, seine Zustimmung und Kritik herausfordern
. Aber wie der Verf. selbst vermerkt, bedeuten die Überschriften
der einzelnen Abschnitte nur Markierungen, die „das
Fortschreiten auf einem Wege und die notwendige neue Marschrichtung
" angeben. „Sie haben den Sinn von Fragen" (164), von
Fragen allerdings, wie man hinzufügen darf, die aus der Sache
selbst sich ergeben und sich einem streng von der Sache geleiteten
theologischen Denken folgerichtig ergeben. „So gehört die Frage
nach der Wirklichkeit des Glaubens ... zu den Problemen, die
nicht gelöst und damit erledigt werden wollen, sondern die eingeübt
werden müssen und hinter deren Anforderungen wir stets
als Schüler weit zurückbleiben" (l 50). Das ständige Bedroht-
und Infragegestelltsein, die Angefochtenheit gehört zum Wesen
des Glaubens.

Trotz dieser aus dem Wesen der Sache des Glaubens folgenden
Frage-Methodik, die sich in einem fortlaufenden neuen Anbohren
der Probleme vollzieht, die der Glaube aufgibt, kommt
der Verf. zu einer Fülle klarer Antworten, von denen hier nur
einige wichtige genannt werden können. Wie selbstverständlich
gehört ihm die Lehre von der Rechtfertigung allein aus dem Glauben
in das Zentrum seiner Vorlesungsreihe (163). In ihr ist das
Ganze des christlichen Glaubens enthalten (195). „Der Glaube ist
wirklich nur als rechtfertigender Glaube" (153). Glaube ist ein
Weg, der unter dem Zeichen des Heils, der Rettung steht, in dem
Wissen darum, daß ich schlechthin ohnmächtig bin, daß ich frei
werde von mir selbst nur durch die Vergebung der Liebe Gottes,
die in Jesus Christus Wirklichkeit wurde und in dem Glauben an
ihn über die Menschen kommt. „Denn Glauben kommt aus dem
Geliebtwerden und geht auf im Geliebtwerden" (178). Geht es
um den Glauben, so geht es um Jesus Christus und zugleich um
das „Aufgebot", das in der Kirche Jesu Christi im Gange ist,
deren einziges revolutionäres Kriterium der Glaube ist, dem
gegenüber „all die vielen endlos diskutierten Probleme der kirchlichen
Ordnung und Gestalt, ob Volkskirche oder Freikirche .. .,
ob mehr Liturgie oder mehr praktische kirchliche Werke ganz in
den Hintergrund" treten (193 f.). Die Urkunde dieses Glaubens
aber ist allein die Heilige Schrift, die nun den Glaubenden vor
das Problem stellt, mit dem sich der Verf. in seinen voraufgehenden
Schriften eindringlich auseinander gesetzt hat, dem Problem
der Auslegung. Die Reformation brachte eine neue Schriftauslegung
, die die Welt von Grund aus veränderte. Die Auslegung der
Heiligen Schrift wirkt kritisch gegen das kirchlich tradierte Schriftverständnis
, gegen die vorher herrschende Disziplinlosigkeit in
der Methode der Schriftauslegung und gegenüber der Schrift
selbst. Gewiß hat die Reformation das hermeneutische Problem
nicht zu Ende gedacht. Aber sie fordert dazu auf, es „in seine
theologische Tiefe hinein zu verfolgen" (47), und 6ie hat gezeigt,
daß die Schrift eine Sammlung kerygmatischen Schrifttums ist,
also selbst Zeugnis des Glaubens ist. Es gibt kein Verstehen des
christlichen Glaubens, das sich nicht der Interpretationsaufgabe
stellt. Daraus aber folgt, daß die Sprache des Glaubens viel stärker
in den Bereich der theologischen Gesinnung treten muß, das
Problem, worauf besonders Dietrich Bonhoeffer hingewiesen
hatte mit seiner Forderung nach einer neuen Sprache, die „vielleicht
ganz unreligiös, aber befreiend und erlösend, wie die
Sprache Jesu, sein muß". — In einem der Vorlesungsreihe angefügten
Anhang „Wort Gottes und Sprache" gibt der Verf. noch
einige wichtige Richtsätze zu dem Problem der Verständigung.
In den Worten einer Sprache vollzieht sich ein Geschehen, das uns
in unserer inneren Existenz trifft. So sind Sprachen verschiedene
Weisen der Wirklichkeitsbegegnung und des Wirklichkeitsverständnisses
. So bringt das Wort Gottes die uns angehende
Wirklichkeit neu zur Sprache, wie die Sprache des Menschen ein
vielfältiges Echo ist auf die Anrede Gottes. Aber neu zur Sprache
kommt das Wort Gottes allein aus einem neuen Hören, einem
angespannten Horchen, das ein ehrliches Ausharren in der Erfahrung
und ein geduldiges Harren auf Verstehen umschließt. Nur
wenn das Wort Gottes neu vernommen wird, kann es auch neu
gesagt werden.

So eröffnet das Buch des Verfs. eine Fülle neuer Perspektiven
der Wesenserfassung des christlichen Glaubens, vermittelt
echte Wesenschau und regt gleichzeitig zu fruchtbarer Auseintandersetzung
mit dem Dargebotenen an, erweckt weitgehend Zustimmung
und gleichzeitig neues Fragen und selbständiges Suchen