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Ausgabe:

1961 Nr. 3

Spalte:

212-214

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Gürtler, Paul

Titel/Untertitel:

Nationalsozialismus und evangelische Kirchen im Warthegau 1961

Rezensent:

Harder, Günther

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 3

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dieser Eigenschaft dürfte er einen großen Einfluß auf die junge Generation
mit seinem Lutherbild haben. Auch wird ihm von L. eine große
Belesenheit und exakte Kenntnis sowohl Luthers als auch der einschlägigen
Literatur bescheinigt. Um so seltsamer muten die eigenartigen
„Ergebnisse" an, zu denen Weijenborg in seinen Schriften kommt.

Mit äußerst fragwürdiger Beweisführung will Weijenborg die Berufung
ins Kloster bei Stotternheim im Jahre 1505 als eine Wunder-
Fiktion Luther unterschieben, denn nur auf diese Weise habe sich Luther
ins Kloster begeben können, um so der Rückzahlungspflicht für sein
Studiengeld an seinen Vater zu entgehen. Eine auch nur kurze Darlegung
der „Beweisführung" Weijenborgs und der sachlichen Widerlegung
L.s würde hier zu weit führen, da sie — aus dem Zusammenhang gerissen
— wegen ihrer Skurrilität kaum verständlich ist. Genau so ist es
mit der zweiten Studie Weijenborgs, die sich mit Luthers Romreise und
den Ordensauseinandersetzungen beschäftigt. Kaum ernst zu nehmen ist
die Weijenborgsdie Interpretation von Genesis 31 in Luthers großer
Genesisvorlesung, wo Luther angeblich keine Exegese des Textes biete,
sondern ein Detail seiner Gesamtbiographie. Laban ist demnach mit Luthers
Vater Johannes und Jakob mit Luther selbst zu identifizieren. Wie
Genesis 31 eine Art Schlüsselroman sei, so seien alle literarischen Werke
Luthers eine chiffrierte Botschaft und müßten dringend von der wissenschaftlichen
Forschung in die gewöhnliche Sprache übersetzt werden.
Luthers Biographie werde so bis in die kleinsten Details ergänzt werden
können. —

Ausführliche Besprechungen und die Luther-Bibliographie, diesmal
für das Jahr 19 57, runden wie immer den Band ab. Mit Befriedigung
wird der wissenschaftlich interessierte Leser zur Kenntnis nehmen, daß
die Luther-Bibliographie in Zukunft nicht mehr drei Jahre zwischen
Erscheinungs- und Berichtsjahr vergehen lassen wird, sondern daß die
Bibliographie ab 1961 alles aufnimmt, was bis zum 31. Juli des Vorjahres
erschienen ist.

Berlin Hans-Ulrich Delins

Allmen, Jean-Jacques von: L'autorite pastorale d'apres les confes-
sions de foi reformees.

Verbum Caro XIV, 1960 (N" 55) S. 202—216.
Cheyne, Alax C: The Scots Confession of 1560.

Theology Today 17, 1960 S. 323—352.
Horst, Ulrich: Das Verhältnis von Schrift und Tradition nach Melchior

Cano.

Trierer Theologische Zeitschrift 1960 S. 207—223.
Ja vi er r e, Antonio Ma: Ministerio eclesiästico: anotaciones a la

Confesiön Escocesa en el IV° centenario de su redaeeiön.

Salesianum XXII, 1960 S. 211—244.
Jedin, Hubert: Das Tridentinische Bischofsideal. Ein Literaturbericht.

Trierer Theologische Zeitschrift 1960 S. 237—246.
M e c h i e, Stewart: The Principles of Scottish Reformation.

The Expository Times 71, 1960 S. 3 56—3 58.
Motekat, Helmut: „Was mein Gott will, das g'scheh allzeit".

Herzog Albrecht von Preußen als Dichter der Reformationszeit.

Igreja Luterana XXI, 1961 S. 151—169.
Pesch ke, Erhard: Die Kritik Dungersheims von Ochsenfurt an der

Lehre der Böhmischen Brüder.

Wiss. Zeitschr. d. Universität Rostock, Ges. -Sprachw. 8, 1958/59
S. 377—399.

Reynolds, Stephen M.: Calvin's View of the Athanasian and Nicene
Creeds.

Westminster Theological Journal 23, 1960 S. 33—37.

S t a k e m e i e r, Eduard: Die italienischen Bischöfe auf dem Konzil
von Trient (1545—1547).
Catholica 14, 1960 S. 205—207.

Tarvainen, Olavi: Michael Agricolas Leben und Arbeit.
Die Kirche Finnlands 6, 1960 S. 3—5.

W a n t u 1 a, Andrzej: Die älteste Kirchenordnung im Teschener Schlesien
.

Wiss. Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,
Ges. - Sprachw. IX, 1960 S. 211—215.

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

M a i e r, Hans: Revolution und Kirche. Studien zur Frühgeschichte der
christlichen Demokratie 1789—1850. Freiburg/Br.: Rombach [1959].
2 50 S. 8° = Freiburger Studien zu Politik und Soziologie, hrsg. v.
A. Bergstraeßer u. H. Popitz. Lw. DM 17.80.

Die Frage, inwieweit sich die christlichen Kirdien mit der
modernen Demokratie auseinandergesetzt, abgefunden oder im
besten Falle ihr positiv sich zugekehrt haben, ist im Blick auf das
Verhältnis von christlicher und bürgerlicher Gemeinde eine der
brennendsten unserer Tage. Sie hat neue Bedeutung erlangt durch

das Aufkommen spezifisch christlicher demokratischer Parteien.
Der Verf. der vorliegenden Untersuchung geht der Frühgeschichte
der christlichen Demokratie nach, wie sie in dem Ursprungsland
der kontinental-europäischen bürgerlichen Demokratie, in Frankreich
, im Verlaufe der beiden Menschenalter vom Ausbruch der
Revolution bis zum Staatsstreich Louis Napoleons bzw. dem
2. Kaiserreich als innere Begegnung sich abgezeichnet hat. Vorweg
sei gesagt, daß das Buch außerordentlich sorgfältig, vor allem,
was die Literaturbenutzung angeht, gearbeitet ist. Es beginnt mit
einer grundlegenden Einleitung, in der von der heutigen Situation
, nämlich der Tatsache des Vorhandenseins christlicher Parteien
, ausgegangen wird, wobei der Verf. allein die westliche
Lage vor Augen hat und auch bei der Nennung der CDU die besondere
Problematik des politisch geteilten Deutschlands außer
acht läßt. Aber man wird ihm diese Begrenzung zubilligen müssen,
da es ihm im Blick auf sein eigentliches Thema in diesem Eingang
um eine Sachuntersuchung geht. Dabei wird die Lage des deutschen
Protestantismus sehr treffend dargestellt, sowohl die geschichtlichen
Voraussetzungen wie die heutige Diskussion, unter
guter Auswertung der entsprechenden theologischen Literatur.
Man könnte höchstens einwenden, daß der Verf. nicht auch eingehender
der Frage nachgegangen ist, warum in den protestantischen
angelsächsischen Ländern christliche Parteibildungen bis
heute nicht zu verzeichnen sind. — In drei Teilen wendet sich der
Verf. dann seinem eigentlichen Gegenstand zu. Zunächst der
„revolutionären Verschmelzung von Demokratie und Kirche in
der revolutionären Epoche von 1789—1794". Hier geht er unter
sicherer Begründung und überzeugenden Erwägungen von den
traditionellen Auffassungen ab. In der laizistischen Begegnung
von Demokratie und Kirche haben positive, die Zukunft weisende
Momente gelegen. Denn daß die an der alten, von der vorrevolutionären
Feudalordnung bestimmten Gesellschaftsbildung orientierte
Kirche keine Aufgaben mehr erfüllen konnte, war längst
klar. Wenn es dennoch zu keiner Verschmelzung von Demokratie
und Kirche kam, so lag das daran, „weil die Revolution nicht
eine geordnete Zusammenarbeit, sondern die Unterordnung und
Einverleibung der Kirche wollte; weil die demokratisch -pres-
byterianische Basis in der französischen Kirche zu schmal war,
um diesem Willen eine ernsthafte Alternativlösung entgegenzusetzen
; weil daher die Verschmelzung von Kirche und Staat sich
nur in der Gestalt eines revolutionären Cäsarismus realisieren
konnte" (S. 101). So kam es zwangsläufig zu einer Reaktionsbewegung
(2. Teil: „Der traditionalistische Widerspruch"), für
den als Wortführer de Maistre, de Bonald und Lamennai6 genannt
werden. Aber man spürt auch diesen konservativen Sprechero
eine6 restaurierten Katholizismus an, daß hinter 1789 nicht mehr
zurückgegangen werden kann. Den Abschluß der Untersuchung
bildet der 3. Teil: „Liberaler Katholizismus und christliche Demokratie
" (18 30—18 50), in dem die Ideen einer christlichen
Demokratie auf katholischem Boden zur Entwicklung kommen.
Denn das wird man mit dem Verf. festhalten müssen: für eine
solche christlich - demokratische Parteibildung bietet die
katholische Gesellschaftslehre mit ihren auf das christlich - stoische
Naturrecht zurückgehenden Prämissen weit günstigere Voraussetzungen
als der Protestantismus, dessen besondere Problemlage
vom Verf. deutlich gemacht wird. Vom Boden einer protestantischen
politischen Ethik her wäre natürlich gegen die „Ergebnisse
", mit denen das Buch schließt, manches zu sagen. Aber die
Arbeit als Ganzes, mit ihrem vorwiegend historisch-soziologischen
Charakter, ist eine Untersuchung, die gerade innerhalb der protestantischen
Theologie zu einer Belebung und Vertiefung der im
Gange befindlichen Diskussion beitragen kann.

Berlin KarlKupisch

Gürtler, Paul, Dr.: Nationalsozialismus und evangelische Kirchen im
Warthegau. Trennung v. Staat u. Kirche im nat.-soz. Weltanschauungsstaat
. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1958. 360 S., 1 Kt«.
gr. 8° = Arb. z. Gesch. d. Kirchenkampfes, hrsg. v. K. D. Schmidt,
Bd. 2. Kart. DM 22.—.

Als ein „wohlfundiertes" Buch bezeichnen die Herausgeber
der „Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes" die Darstellung
von Paul Gürtler. Dies Urteil trifft in der Tat zu. Der 180
Seiten umfassenden Darstellung folgt eine Sammlung von 72 Dokumenten
, großenteils aus den Akten des Evangelischen Ober-