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Ausgabe:

1961 Nr. 3

Spalte:

208-209

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Adamnanus de Iona, Adamnan's De locis sanctis 1961

Rezensent:

Flaskamp, Franz

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 3

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Jahrhunderten [19581, hat Klaus er auf Grund von Dölgers Material
bereits hinzugefügt.) — Eine umfangreiche, noch nicht abgeschlossene
Studienreihe „zur Entstehungsgeschichte der christlichen Kunst"
(1 20—51; II 115—145) hat Klauser selbst beigesteuert. Hier wird
dem alten Aberglauben von einer gleichsam durch Urzeugung entstandenen
rein ,.christlichen" Kunst für zwei hervorragend wichtige ikono-
graphische Typen der Garaus gemacht. Der sogenannte ,,gute Hirte" ist
keine christliche Neuschöpfung, sondern begegnet schon in der heidnischen
Kunst, sei es als allgemein bukolisches Motiv, sei es im besonderen
als Symbol der KpdavdgwTila, das sich literarisch allerdings nicht
beleeen läßt. Über Einzelheiten der Beweisführung, auch an den patri-
stischen Texten, läßt sich streiten; im ganzen scheint mir der Nachweis,
der durch einen umfangreichen Katalog der Denkmäler unterstützt wird,
unwiderleglich. Gewiß können die Christen das heidnische Bild früh in
ihrem Sinne verstanden und nachgeahmt haben; aber auf einen christlichen
Ursprung vieler Denkmäler, auch der berühmten Statue im Lateran
, werden wir verzichten müssen. Nicht minder einschneidend sind
die analogen Untersuchungen zur Gestalt der „Orans". Sie ist, wie der
reiche Katalog besonders der Münzbilder zeigt, gleichfalls schon heidnisch
, und zwar bereits in der „ambivalenten" Bedeutung einer allgemeinen
Personifikation des Gebets und der Frömmigkeit und — in der
sepulkralen Kunst — der individuellen Darstellung einer betenden
Person. Hier fehlt jedoch noch eine Untersuchung der christlichen
Denkmäler, die folgen soll. Es fragt sich, wieweit diese nicht trotzdem
eine gewisse Eigenart besitzen oder im Laufe der Zeit entwickelt haben.
Ed. S t o m m e 1 zeigt in einem Aufsatz über ,.Bischofsstuhl und Hohen
Thron" (I 52 — 78) die Unnahbarkeit von Instiskys These
(„Bischofsthron und Kaiserthron", 1955), der Bischofsstuhl sei aus der
unmittelbaren Nachahmung des Kaiserthrones entstanden. S t o m m e 1 s
Argumentation ist völlig zwingend: doch scheint es mir bei der erwiesenen
Verbreitung der Thronvorstellung überflüssig und kaum
wahrscheinlich wenn er nun seinerseits speziell die spätjüdische Ka-
thedra- Vorstellung als für die Christen maßgebend heranzieht. Die
kleine Studie „zum Problem der frühchristlichen Jonasdarstellungen"
(I 112—115) deckt — im Blick auf außerbiblische Überlieferungen und
heidnische Parallelen — mehr Fragen und Aporien auf, als daß sie Lösungen
bringen kann. Ein schöner, letzter Vortrag desselben Verfassers
über „Christliche Taufriten und antike Badesitten" (II 5—14) betont
ohne Anmerkungen und vollständige Belege mit Recht, daß für die
christliche Taufe die Bedeutung des Täufers neu und entscheidend war,
dem die Übergießung und nichl das Untertauchen von Anfang an
korrespondiert. „Der Orient erweiterte das aus dem Judentum stammende
Tauchbad zum Untertauchbad und verchristlichte es durch die
Taufformel; das Abendland dagegen verselbständigte die Übergießung
durch den Täufer als die ausschlaggebende Aktion."

Neben kleineren Beiträgen über einen vielfach belegten Gestus
(„Mit der Hand singen", II 105—108) und die Nachwirkung der antiken
Gesteinskunde in einem mittelalterlichen Text („Ein Amulett gegen Ertrinken
", I 116—118) hat Alfred Hermann einen besonders reichen
Beitrag über die Christianisierung eines bedeutsamen heidnischen „Wesens
" und seiner bildlichen Darstellung beigesteuert: „Der Nil und die
Christen" (II 30—69). Bei der ungeheueren Bedeutung des Nils für das
Leben der Ägypter haben sich viele ursprünglich heidnische Sitten und
Vorstellungen bis in christliche und islamische Zeiten erhalten und wurden
im Kampf der religiösen Parteien mehr oder weniger gründlich umgeformt
. (Die Gleichsetzung des Nil mit dem Paradiesesfluß Gihon und
die abstrusen geographischen Verwicklungen, in die das führen mußte,
bilden dabei ein besonderes Kapitel.) Im allgemeinen wendet sich der
Verfasser aber doch gegen eine Überschätzung des heidnischen Erbes,
wenn beispielsweise der Erzengel Michael als bloßer Nachfolger des
Gottes Thot gelten soll usw. (über Michael vgl. jetzt auch Detlef
Müller, Die Engellehre der koptischen Kirche [1959] 8 ff.). Ähnliches
gilt für den nicht minder interessanten archäologischen Teil: die Nilpersonifikationen
und Nillandschaften, die in Verbindung mit allgemeinen
Glückseligkeitsvorstellungen sogar in die kirchliche Kunst eindringen
, sind kein ernsthaftes theologisches Problem. „Die Zeitgenossen
, welche für eine schöpfungswidrige .Entmythologisierung' der
Lebenswirklichkeiten keinen Sinn hatten, haben solche Szenen . . . kaum
strenger beurteilt als die zum klassischen Bildungsgut gehörenden antiken
Göttergestalten in der späten römischen Dichtung." Ilona
O p p e 1 t klärt auf literarischem Wege die seltsame Vorstellung einer
„duftgesalbten Taube als Lockvogel" (I 109—111) und untersucht die
„Christianisierung heidnischer Etymologien" (II 70—8 5), die in der antiken
Rhetorik und Polemik eine so große Rolle spielen (es handelt sich
speziell um die Worte für „Gott", „Himmel" und „Mensch").
Stuiber steuert eine archäologisch-folkloristische Kleinigkeit bei,
„Die Wachhütte im Weinberg" (II 86—89).

Ins Kirchenhistorische bzw. Historische hinüber führt der strenge
und klare Aufsatz A. v. Gerkans „Zu den Problemen des Petrusgrabes
" (I 79—93) mit dem Ergebnis, „daß der vermeintliche Nachweis
eines nicht mehr vorhandenen Apostelgrabes unter dem wiedergefundenen
Tropaion eine modern-wissenschaftliche Legendenbildung ist". |

Zum ganzen Problemkreis ist jetzt der kritische Sammelbericht E.
Dinklers zu vergleichen. Theologische Rundschau 25 (1959) 289
—33 5. Leo Koep untersucht „die Konsekrationsmünzen Kaiser Konstantins
und ihre religionspolitische Bedeutung" (I 94—104). Konstantin
war der letzte Kaiser, für den solche Münzen noch einmal geschlagen
wurden; aber sie vermeiden mit der allgemeinen Symbolik der Himmelfahrt
alles, „was einerseits heidnisches, andererseits christliches Empfinden
hätte verletzen können". Auffallenderweise fehlen Konsekrationsmünzen
aus Rom — wohl aus einer gewissen Verärgerung der heidnischen
Senatskreise. Klaus T h r a e d e, „Beiträge zur Datierung Com-
modians" (II 90—111), sucht mit Hilfe der „bedeutungsgeschichtlichen
Methode" und auf Grund eines sehr gelehrten Apparats dem gerade jetzt
wieder viel diskutierten Commodian- Problem auf den Leib zu rücken.
Aber das Ergebnis ist zu 6chön oder vielmehr: zu wunderlich, um wahr
zu sein. Commodian soll seinem archaischen Sprachgebrauch nach in
voreyprianische, ja, vorklementinische Zeiten gehören und „nur auf dem
Hintergrund der versiegenden jüdischen Mission des zweiten Jahrhunderts
zu verstehen" sein. Lediglich um der Erwähnung der Goten willen,
entschließt 6ich der Verfasser widerstrebend, bis auf die Zeiten nach
240 herabzugehen, da die Goten zum ersten Mal am Rand des römischen
Reiches aufgetaucht sind (um Commodian offenbar sogleich den tiefsten
Eindruck zu machen)).

Besondere Hervorhebung verdienen die Nachtragsartikel, die auch
in ihrer äußeren Gestalt und Anlage ganz den Artikeln des Lexikons
entsprechen, in dem sie eigentlich hätten stehen sollen: die Stoff reiche
und interessante Behandlung von „Aethiopia" (= Nubien und Aksum)
durch G. L a n c z k o w s k i (I 134—153) und „Amen" von S t u i b e r,
der den nicht recht befriedigenden Amen-Artikel des Lexikons ersetzt
und ihn schon äußerlich um das Sechsfache übertrifft. J. M o r e a u hat
für den dritten Band des Lexikons vier glänzende historische Beiträge
nachgeliefert (II 158—184): Con6tantius I. (mit einer sehr skeptischen
Beurteilung seiner „Christenfreundlichkeit" unter m. E. zu weit gehender
Abwertung des besonders von Lietzmann betonten Namensarguments
bei seiner Tochter Anastasia); Constantin II. (der ursprünglich
neben Constantius im Osten den ganzen Westen allein übernommen
hatte); Constans (mit Schilderung seiner antidonatistischen Maßnahmen
und Charakterisierung seines „Sendungsbewußtseins", das bereits
ganz der eusebianischen Ideologie entsprach); endlich Constantius
IL, „der erste byzantinische Kaiser" (mit einer klaren Darstellung
der arianischen Streitigkeiten). — Das Jahrbuch bringt auch Rezensionen
von Büchern, die den Umkreis von „Antike und Christentum" berühren
. Hervorgehoben 6ei die mit Recht vernichtende Besprechung Ed.
Stommels zu C. Schneiders von früheren Rezensenten oft
(aber doch nicht durchweg I) gelobter „Geistesgeschichte des antiken
Christentums" (1 119—127).

Heidelberg Haas von Camp enha u s e n

M e e h a n, Denis: Adamnan's De Locis Sanctis ed. Dublin: The
Dublin Institute for Advanced Studies 1958. VII, 154 S., 2 Taf. gr. 8°
= Scriptores Latini Hiberniae, Vol. III. Lw. 30 s.

Um die Kenntnis Adamnans, des federfreudigen Mönches
und seit 679 Abtes von Hy-Jona, wurden Engländer und Deutsche
sonderlich verdient. Dessen Schrift „De locis sanctis" aber, eine
Schilderung der 679/82 ausgeführten Palästinafahrt des irischen
Mönches und fränkischen Wanderbischofs Arkulf, verdankt ganz
wesentlich deutscher Aufmerksamkeit ihre weitere und breitere
Beachtung. Paul Geyer untersuchte (Gymnasial-Programme
Augsburg 1895 und Erlangen 1896) Adamnans Quellen und handschriftliche
Überlieferung und bot 1898 in seinen „Itinera
Hierosolymitana saec. IV./VIII." (= CSEL. 39, S. 219/304) eine
der wissenschaftlichen Forschung genehme Ausgabe; Paul
M i c k 1 e y, Eines Pilgers Reise nach dem hl. Lande, 1917,
machte das Werk Adamnans ausgedehnter bekannt und bewährte
sich in der Übertragung des lateinischen Wortlautes als vortrefflicher
Dolmetsch.

Diese deutsche Vorarbeit und Wegweisung würdigt auch
Meehan in seiner Neuausgabe (mit englischer Übersetzung).
Er stellt einführend Arkulfs Reise und Adamnans Darstellung
in den Rahmen der frühmittelalterlichen irisch-angelsächsischen
Zeitgeschichte und Palästinakunde; er belichtet die begegnende
Topographie und erörtert die ergiebigen und die weniger belangvollen
Handschriften. Er selber legt die Wiener Handschrift
458 zugrunde, abweichend von Geyer für das mittlere
9. Jahrhundert eingeordnet. Ihr sind auch die Tafelbilder des
Jakobsbrunnens, des Sionsheiligtums, der Grabe6kirche und der
Himmelfahrtskirche entnommen. Wortlaut und Sache werden in
Anmerkungen wertvoll erläutert. Sprach-, personen- und orts-