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Ausgabe:

1961 Nr. 3

Spalte:

196-198

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schoeps, Hans-Joachim

Titel/Untertitel:

Paulus 1961

Rezensent:

Michel, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 3

196

er kurz den samaritanischen Heilsvollender gestreift hat, der aus
dem Stamme Levi erwartet wird und Züge eines Mose redivivus
und eines Propheten „wie Mose" in sidi vereint, wendet er sidi
den messianischen Propheten des 1. Jhdt6. n. Chr. zu, die keineswegs
immer an Mose ausgerichtet sind (S. 65—68). Gerade diese
Endzeitgestalten verdienten im Zusammenhang mit den zeitgenössischen
Freischarführern und den allgemeinen prophetischen
Erscheinungen eine ausführlichere Behandlung, wie ich bereits
vor zwanzig Jahren in: Der Prophet aus Galiläa, Leipzig 1940,
S. 41—88, gezeigt habe und wozu neuerdings Kittel-Friedrich,
ThWNT VI, S. 813-828, zu vergleichen ist.

Das folgende Kapitel ist der urchristlichen Vorstellung von
Jesus als dem messianischen Propheten gewidmet. Zunächst wird
die Konzeption des Matthäusevangeliums besprochen (S. 74—8 3).
Hierbei stellt Verf. im Anschluß an H.-J. Schoeps fest, daß Matthäus
von allen Evangelisten in der Zeichnung Jesu als Propheten
,,wie Mose" am weitesten geht, gleichwohl aber Dt. 18, 15. 18
nicht verwertet. Anschließend untersucht Verf. den Einfluß dieser
AT-Stelle auf das urchristliche Jesusbild (S. 84—94). Aus den hier
vorgetragenen Erwägungen sei angeführt, daß Verf. gegen J. Jeremias
zu Recht betont, daß zumindest in Ag. 7, 17 ff. nicht das
Leiden des Mose, sondern die nationale Befreiungstat als Prototyp
zu gelten hat: „Moses in this tradition is not represented as
suffering, but as deliverer and ruler whom this people reject"
(S. 92), während er es andererseits für unwahrscheinlich hält, daß
Jesus sich selbst als eschatologischen Propheten „wie Mose" angesehen
habe: „No tradition has come down to us which indi-
cates that Jesus led his followers through the desert to duplicate
the Exodus" (S. 94).

Den Ausklang des Kapitels und damit der eigentlichen
Untersuchung bildet das Thema „The Christ Superior to Moses"
(S. 94—99), wo in knappen Strichen von Paulus (Gal. 3, 19—25)
bis zu den pseudoklementinischen Rekognitionen (I, 59) die
christliche Vorstellung von der Erhabenheit des Christus und
Gottessohnes über Mo6e charakterisiert wird.

Das letzte Kapitel faßt den Ertrag der Untersuchung zusammen
(S. 100—122). Aus diesem Teil, der vielleicht etwas zu breit
angelegt ist und nicht immer Wiederholungen von bereits Gesagtem
vermeidet, 6eien folgende Gesichtspunkte angeführt:
Verf. unterscheidet bei der Funktion des eschatologischen Propheten
zwischen dem charismatischen Herrscher (Prophet-King)
und dem charismatischen Gesetzgeber (Prophet-Lawgiver) als gewöhnlich
selbständigen Heilspersonen, die sekundär zu einer
Gestalt — wie bei Mose — zusammenfließen können (S. 114);
zuweilen kann der eschatologische Prophet als „Prophet-King"
die Funktion des davidischen Endzeitkönigs (King-Messiah) übernehmen
(S. 115). Hinsichtlich der Gestalt Jesu vertritt T. die
Auffassung, daß Jesus sich zunächst als Endzeitpropheten im
Sinne der Vorbereitung der unmittelbar bevorstehenden Gottesherrschaft
verstanden habe, daß er aber, angeregt durch ihm entgegengebrachte
Erwartungen, sich innerlich in Richtung auf den
charismatischen Herrschertyp hin entwickelt habe und daher als
„König der Juden" auch gekreuzigt worden sei. Diese These erscheint
mir jedoch mehT als fraglich, zumal der Quellenbefund
dafür spricht, daß bereits zu Lebzeiten Jesu eine Spannung zwischen
national-religiösem Jesusbild einerseits und Jesu eigenem
Sendungsbewußtsein andererseits bestanden hat. Dementsprechend
i6t es m. E. auch unwahrscheinlich, daß die betont antizelo-
tischen Züge im Jesusbild der Evangelien erst das Ergebnis einer
aus dem Mißerfolg am Kreuz resultierenden Umdeutung darstellen
.

Aufs Ganze gesehen zeichnet sich vorliegende Studie dadurch
aus, daß sie eine Fülle von Problemen anreißt und damit
zu weiterem Nachdenken anregt. Methodisch freilich dürfte man
wünschen, daß die Fachliteratur etwa zur nachexilischen Eschato-
logie oder zum Problem des historischen Jesus in etwa6 größerem
Maße herangezogen worden wäre, als es hier der Fall ist.

Jena Rudolf Meyer

Chronique archeologique.

Revue Biblique 67, 1960 S. 226—260.
- (suite) (Plandies XVIII a XXVII).

Revue Biblique 67, 1960 S. 368-404.

Couroyer, B.: „Mettre sa main Sur ea bouche" en Egypte et dan»
la Bible.

Revue Biblique 67, 1960 S. 197—209.
Groß, Heinrich: Die Verheißung des Emmanuel (1s 7, 14).

Bibel und Kirche 15, 1960 S. 102—104.
Haag, H.: Das Pascha als alttestamentliche Bundesfeier.

Bibel und Kirche 15, 1960 S. 34—36.
Herrmann, Wolfram: Götterspeise und Göttertrank in Ugarit und

Israel.

Zeitschrift f. d. alttestamentliche Wissenschaft 721, 1960 S. 205—216.

Hubmer, Fritz: Weltreich und Gottesreich in Prophetie und Erfüllung
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H u m b e r t, Paul: Le substantif to'ebä et le verbe t'b dans l'Ancien
Testament.

Zeitschrift f. d. alttestamentliche Wissenschaft 72, 1960 S. 217—237.
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de Qumrän.

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K 1 i n e, Meredith G.: Dynastie Covenant.

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Lohse, Eduard: Israel und die Christenheit. Göttingen: Vandenhoeck

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M i 1 i k, I. T.: Notes d'epigraphie et de topographie palestiniennes
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Revue Biblique 67. 1960 S. 3 54—367.

Mowinckel, Sigmund: Loven og de 8 termini i SI 119 (III—IV).
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Schildenberge r, Joh.: Psalm 23 (22): Heilbringende Gottesgemeinschaft
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Bibel und Kirche 15, 1960 S. 49—51.
Weiser, Artur: Samuel und die Vorgeschichte des israelitischen
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Zeitschrift für Theologie und Kirche 57, 1960 S. 141—161.
Ziegler, Joseph: Zur Septuaginta-Vorlage im Deuteronomium.
Zeitschrift f. d. alttestamentliche Wissenschaft 72, 1960 S. 237—262.

NEUES TESTAMENT

Schoeps, Hans-Joachim: Paulus. Die Theologie des Apostels im
Lichte der jüdischen Religionsgeschichte. Tübingen: Mohr 1959. XII,
324 S. gr. 8°. Lw. DM 32.50.

Dies neue und umfassende Paulusbuch eines „unabhängigen
Religionshistorikers", der dies mit wirklicher Liebe geschriebene
Werk „ohne konfessionelle Vorbelastung" durchgedacht hat
(S. 42), beginnt mit der kritischen Feststellung, daß der Apostel
eine wahrhaft große Gestalt ist, dessen Bedeutung keinen kongenialen
Interpreten gefunden hat und wohl auch niemals finden
wird (S. 1). „Ohne konfessionelle Vorbelastung" bedeutet in
diesem Fall, daß der Verfasser religionswissenschaftlich zu denken
sich bemüht, die jüdische Religionsgeschichte zu seinem
Ausgangspunkt wählt, aber sich bewußt bleibt, daß er die besonderen
Fragen der christlichen Existenz ausklammern muß
(Vorwort, auch S. 42). „Der Verfasser bemüht sich zwar, 6ein
Bestes herzugeben, tröstet sich schließlich aber damit, daß in
unserer Zeit die idealen Paulusinterpreten ohnehin schon ausgestorben
sind, die gleicherweise in drei Welten so zu Hause
sind, daß sie dem Denken ihres Helden wirklich gewachsen
wären" (S. 42).

In Auseinandersetzung mit der hellenistischen Deutung
(Mysterien, Kyrioskult, Gnosis) 6tellt der Verfasser zunächst
fest, daß Paulus mit dem hellenistischen Heidentum keine nachweisbaren
Zusammenhänge gemeinsam hat, daß aber der unbestreitbar
hellenistische Zug in seinem Denken sich aus dem
Assimilationsprozeß erklärt, dem das Diasporajudentum als solches
ausgesetzt war (S. 11). Der jüdische Hellenismus (Dia-
sporapharisäismus, Septuagintafrömmigkeit, Philo, philosophische
Tradition) darf nicht außer Acht gelassen werden, wenn
das Denken des Paulus nachgezeichnet werden soll. Die Septua-
ginta exegesiert missionarisch und universalistisch, ist geneigt,
das Judentum als ethisches Gesetz aufzufassen und die Schrift
im pädagogisch-psychologischen Sinn auszulegen. „Das fromme
Leben des Menschen, die menschliche Religiosität steht im
Mittelpunkt" (S. 20). Die palästinisch-rabbinische Deutung des
Apostels darf einen gewissen Primat beanspruchen, ist aber ver-