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Ausgabe:

1961 Nr. 3

Spalte:

193-195

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Teeple, Howard M.

Titel/Untertitel:

The Mosaic eschatological prophet 1961

Rezensent:

Meyer, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 3

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Natürlich läuft die mündliche Tradition neben der schriftlichen
her, was sich in manchen Erweiterungen und Zusätzen niedergeschlagen
haben mag (S. 76). Aber Autorität ist nicht die mündliche
Tradition; das sicherere Medium ist die schriftliche, deren
Stoffe dann, wie gesagt, mitunter durch mündliche Tradition angereichert
, „auf neue Situationen angewandt" werden (S. 72:
mein diesem Tatbestand gewidmeter Aufsatz über die „Nachgeschichte
" in BZAW 66 ist dem Verf. offenbar unbekannt geblieben
). Jedenfalls die „amtliche" Tradition ist die schriftliche
(S. 119).

Was die Methode der skandinavischen Traditionsforschung
anbetrifft, so macht G. darauf aufmerksam, wie stark hier der
masoretischen Textgestalt der Vorzug gegeben wird. Aber mit
Recht hebt er hervor, daß zwar auf diese Weise Konjekturen
vermieden würden, daß es dafür aber „neu erfundene Wortbedeutungen
und unwahrscheinliche Konstruktionen" gebe
(S. 54), ein nicht ungefährliches, jedenfalls nicht minder willkürliches
Unternehmen. Dies ist ein beachtliches Kriterium, das
nachdrücklich zu unterstreichen ist. Ebenfalls interessant ist die
Auseinandersetzung um die ipsissima verba der Propheten; G.
macht auf die Inkonsequenz der traditionsgeschichtlichen Schule
aufmerksam, die darin liegt, daß man die mündliche Überlieferung
für zuverlässig erklärt, aber die „Jagd auf die ipsissima
verba" für sinnlos hält und gar das Ende der „Einleitung in
das AT" statuiert. —

Das verständig und geistreich geschriebene Buch kann man
nur mit aufrichtigem Dank zur Kenntnis nehmen, ohne daß man
sich mit allem zu identifizieren braucht. Es führt mitten in die
heute wichtige Auseinandersetzung um die traditionsgeschicht-
lichen Methoden hinein; daß e6 in erster Linie die skandinavische
Literatur ist, die Berücksichtigung findet, ist besonders wichtig
und gut. Aus der deutschen Literatur fehlt einiges, so z. B. Quells
Arbeit über die wahren und falschen Propheten. Das soll aber
nicht das hohe Verdienst dieser aufschlußreichen Arbeit beeinträchtigen
.

Kiel Hans Wilhelm Hertzberg

T e e p 1 e, Howard M.: The Mosaic Eschatological Prophet. Philadel-
phia/Pa.: Society of Biblical Literature 1957. XIII, 122 S. gr. 8° =
Journal of Biblical Literature, Monograph Series, Vol. X. $ 1.50.

In Gestalt seiner überarbeiteten Chicagoer Dissertation legt
Verf. eine Monographie zum messianischen Prophetentum der
nachexilischen Zeit vor, die Beachtung verdient. Mit Recht wird
einleitend festgestellt, daß die meisten Untersuchungen, die sich
mit der jüdischen Endzeiterwartung befassen, an dem Problem
der Endzeitprophetie vorbeigehen (S. 1).

Verf. hat sich die Aufgabe gestellt, der Vorstellung vom
mosaischen Propheten der Endzeit nachzugehen und zu untersuchen
, ob und wieweit eine solche Heilsgestalt die jüdische und
frühchristliche Eschatologie beeinflußt hat. Hierbei versteht er
unter dem mosaischen Endzeitpropheten einerseits das eschato-
logische Gegenstück zu Mose in der Person eines Mose redivivus,
andererseits eine Heilsgestalt, die auf Grund der eschatologi-
schen Auslegung von Deut. 18, 15 ff. die Heilsvollendung „wie
Mose" heraufführt, ohne mit dem Urbild identisch zu sein.

Da das „Gesetz" für das gesamte nachexilische Judentum
konstitutiv ist und auch die Erwartung eines prophetischen
Heilsvollenders in diesem Zusammenhang gesehen werden muß,
wird zunächst die Frage nach der Rolle der Tora in der Endzeit
gestreift, wobei Verf. die Ewigkeit des „Gesetzes" (Eternal
Torah), seine Auslegung (Interpretation of the Torah) und die
Möglichkeit eines „neuen Gesetzes" und damit der Ablösung des
alten in der Endzeit (New Law and Abrogation of the Torah) als
Unterthemen behandelt. Es liegt auf der Hand, daß hiermit ein
äußerst komplizierter und vielschichtiger Problemkreis angeschnitten
ist, der in das Zentrum nachexilischer theologischer
Spekulation hineinführt; Verf. beschränkt sich auf eine knappe
Übersicht, die in wenigen Seiten vom Beginn der nachexilischen
Zeit bis zum Sohar führt (S. 14—28).

Das Schwergewicht der Untersuchung liegt offensichtlich auf
dem dritten Kapitel „The Mosaic Eschatological Prophet in
Judaism" (S. 29—73). Sachgemäß geht Verf. davon aus, daß die

mosaische Periode Israels als idealisierte Vorzeit für die Enderwartung
urbildliche Bedeutung hat. Stärker als es hier und im
Gesamtrahmen der Untersuchung geschieht, sollte man allerdings
betonen, daß die mosaische Periode nur einen Ansatz für die
nachexilische Eschatologie darstellt, während als zweiter Faktor
die idealisierte Regierung Davids anzusehen ist und drittens nicht
übersehen werden darf, daß mythische Vorstellungen aus Israels
hellenistisch - orientalischer Umwelt bis hin zum sakralen
Herrschertum eine nicht zu übersehende Rolle spielen. Wenn nun
Mose innerhalb der divergierenden und heterogenen Linien
nachexilischer Eschatologie zum Urbild eines charismatisch begabten
Endzeitherrschers werden konnte, so dürfte dies m. E. nicht
zuletzt auch eine geschichtliche Voraussetzung haben, insofern
als die Jerusalemer Hierokratie durch fast vier Jahrhunderte hindurch
— bis zum Aufkommen des Herodes 37 v. Chr. — einen
Hohenpriester an der Spitze hatte, der als Priesterfürst zugleich
Gesetzeslehrer war, wie auch Verf. S. 18 mit Recht betont, und
dem man, wie Johannes Hyrkanos (Josephus, Ant. 13, 299 Par.),
Prophetengabe zuschreiben konnte, so daß eine 6olche sakrale
Herrschergestalt die gleichen „Ämter" besaß wie Mose als charismatischer
Führer der Vorzeit.

Im einzelnen bespricht Verf. zunächst die Aussagen über die
„neuen mosaischen Zeiten" (New Mosaic Times; S. 29 ff.), um
dann zu Mose als Idealgestalt (S. 31—41) überzugehen. Einen
breiten Raum nimmt hier Philos Mosebild ein, bei dem, wie im
Anschluß an E. R. Goodenough gezeigt wird, das hellenistische
Königsideal im Hintergrund steht. Wenn nun Philo Mose als
einen solchen Idealkönig, der zugleich der größte Gesetzgeber,
Hoherpriester und Prophet ist, zeichnet, so liegt es nach dem
oben Gesagten wohl nahe, die Parallelen zum Priesterfürstentum
Jerusalems zu ziehen und die Idealisierung Moses religionsgeschichtlich
tiefer zu verankern, als es jetzt der Fall ist.

Des weiteren bespricht Verf. das Motiv von der Himmelfahrt
Moses (S. 41 ff.) sowie die Vorstellung von Mose als dem Propheten
der Endzeit (S. 43—48). Ausgehend von Mk. 9, 2 — 8
und Apk. 11, 3 — 13, sieht er als Hauptursache für die Entstehung
des Dogmas vom Mose redivivus den Umstand an, daß das Motiv
der Entrückung vor allem Elias u. a. auf Mose übertragen
wurde und daß, analog zu Elia, das Entrückungsmotiv die Vorstellung
von der endzeitlichen Wiederkehr ausgelöst hat.

Einen größeren Raum nimmt die Untersuchung des Motivs
vom endzeitlichen Propheten „wie Mose"entsprechend der escha-
tologischen Auslegung von Dt. 18, 15. 18 ein (S. 49—73). Dieses
Motiv wird nun teils mit Männern der Vergangenheit, teils mit
zeitgenössischen messianischen Gestalten, zuweilen auch mit
Heilspersonen der Zukunft verbunden. Als noch unmittelbar
unter seinen Anhängern nachwirkend, wird der „Lehrer der
Gerechtigkeit" von Qumran als Beispiel angeführt, da er in der
Tat als ein Mann „wie Mose" erscheint. Zwar vertritt Verf. die
m. E. unhaltbare These, daß es ein offizielles Dogma (official
doctrine: S. 52) vom Fehlen einer Prophetie in der Gegenwart
geeeben habe, gleichwohl sagt er im Widerspruch hierzu, daß die
,.Sekte" ihn als Propheten angesehen habe, und weist darauf hin,
daß er nach 1 Q pHab 7, 4 f. sogar mehr ist als Prophet und
gleichzeitig den Titel „Toraausleger" träge, den man nach Philo
im hellenistischen Judentum zuweilen Mose zugelegt hat. Wenn
T. nun aber 4Q Testimonia als Beleg dafür anführt, „daß die
Sekte ihren Gründer als neuen Mose betrachtete" (S. 55), so kann
man ihm hierin kaum folgen; denn die Aneinanderreihung von
Dt. 18, 18 ff. und 5, 25 f., Nu. 24, 15 — 17 und Dt. 33, 8-11
gipfelt eindeutig im sadokidischen Priesterfürstentum, dem das
mosaische Prophetentum ebenso vor- und untergeordnet ist wie
das profane Herrschertum eines Davididen. Wir haben hier also
die bleiche sakrale Herrschaftsidee vor uns, wie sie von den Has-
monäern vertreten wurde und wie 6ie in Jerusalem nach dem
kurzen Auftreten Serubbabels und dem anschließenden Verschwinden
der Davididen maßgebend war.

Des weiteren geht Verf. der Frage nach, ob und wieweit der
„Knecht" der Ebed-Jahwe-Lieder als Mose redivivus oder als
. neuer Mose" anzusehen sei. Er kommt hierbei — m. E. mit
Recht — zu einem im wesentlichen negativen Ergebnis: „Not only
was the Servant an individual, but he and his followers antici-
pated that he would become a Prophet-King" (S. 60). Nachdem