Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | 1961 Nr. 3 |
Spalte: | 187-189 |
Kategorie: | Religionswissenschaft |
Autor/Hrsg.: | Hume, Robert E. |
Titel/Untertitel: | The world's living religions 1961 |
Rezensent: | Lehmann, Arno |
Ansicht Scan: | |
Download Scan: |
187
Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 3
188
sucht, seinen Lesern das Wesen vor allem der christlichen Gnosis
anschaulich zu machen.
Dann werden einzelne Stücke aus dem Funde besprochen,
die bereits genauer bekannt wurden; zunächst das „Evangelium
nach Thomas", das am meisten Aufsehen erregte (vgl. meine
Übersetzung ThLZ 1958, Sp. 481 ff.; eine verbesserte Ausgabe
brachte ich eben bei Reich in Hamburg heraus; ich konnte im
Jahre 1959 den Papyrus in Kairo vergleichen). Der Verf. gibt
eine kurze Würdigung der Schrift, einer Spruchsammlung; er prüft
die Textform, die Quellen usw. Dabei rechnet er mit der Möglichkeit
, hier Worte Jesu zu finden, die echt, aber bisher unbekannt
sind. Ein weiterer Abschnitt gilt dem sog. Evangelium
der Wahrheit, dessen Handschrift in Zürich liegt und bereits veröffentlicht
wurde (ThLZ 1957, Sp. 825 ff.). Ich finde es verdienstvoll
, daß auf die teilweise dichterische, jedenfalls von Begeisterung
getragene Ausdrucksform des Textes hingewiesen wird.
Weiter wird vom Apokryphon des Johannes gesprochen (Apokry-
phon nicht im heutigen Sinne, sondern = Geheimlehre). Diese
Schrift hat sonderliche Bedeutung wegen ihrer einstmaligen Beliebtheit
; wir haben jetzt von ihr vier Handschriften, in zwei
verschiedenen Textgestalten, die wohl eines Tages etwas über die
Entwicklung dieser Gnosis verraten werden. Die Beliebtheit erklärt
sich daraus, daß das Werk eine gute Einführung darstellt.
Endlich spricht der Verf. von einer Schrift, von der noch nicht
einmal ein Faksimile des koptischen Papyrus vorliegt, von dem
Apokryphon des Jakobus (Prof. Quispel stellte eine Übersetzung
zur Verfügung); es handelt 6ich hier um Gespräche des Auferstandenen
mit den Jüngern. Mit Recht wird zum Abschluß hinzugefügt,
daß die neuen Texte die Geistesgeschichte des zweiten Jahrhunderts
aufhellen werden; der Begriff der Gnosis wird deutlicher
werden; der Verf. hofft, daß man in Zukunft das Wort Gnosis
nicht mehr so leicht auf neutestamentliche Gedankengänge anwenden
wird.
Beigegeben ist eine Arbeit „Echte Jesusworte?" von Johannes
B. Bauer. Mit erfreulicher Kritik bespricht er den Aufbau des
Thomas-Evangeliums, die Gestaltung der einzelnen Sprüche, die
Frage, ob und wie man hier noch echte Worte Jesu feststellen
kann. Es ist ein schwieriges Arbeitsgebiet; aber Bauers Ausführungen
sind immer lehrreich, auch wo der Leser anderer Meinung
ist. Es folgt ein Aufsatz des bekannten Koptologen Walter
C. Till „Die Edition der koptisch-gnostischen Schriften". Till
beklagt mit Recht, daß die neuen Texte so langsam bekannt gemacht
werden, und macht Vorschläge, wie eine Beschleunigung
erreicht werden kann.
Am Schluß steht zunächst eine Übersetzung des Thomas-
Evangeliums von Hans Quecke S. J. Sie macht, freilich nicht regelmäßig
, auf Unsicherheiten der Deutung aufmerksam. Bedauerlich
finde ich die Ansetzung des ersten Spruches Jesu; der Satz „wer
die Deutung dieser Worte finden wird, wird den Tod nicht kosten
" gehört zur Überschrift, nicht an den Anfang der Sprüche
Jesu; so vermeidet man einen Subjektswechsel und zugleich die
seltsame Vorstellung, daß Jesus das Thomas-Evangelium bereits
vorgelegen habe. In der Übersetzung des Berliner Theologen und
Ägyptologen Hans-Martin Schenke wird das Evangelium der
Wahrheit angefügt, in der Übersetzung von Walter C. Till das
Apokryphon des Johannes. Verschiedene lehrreiche Abbildungen
zeigen uns z.B. die Handschriften und ihre alten Einbände; es
sind wohl die ältesten Einbände, die sich überhaupt erhielten.
Das Ganze darf, obwohl volkstümlich gehalten, als eine
Förderung der Wissenschaft und als ein Hilfsmittel bei weiterer
Arbeit angesehen werden.
Ostseebad Ahrenshoop Johannes L e i p o 1 d t
H u m e, Robert Ernest, Prof. Ph. D., D. Theol.: The World's Living
Rcligions. With special Reference to their Sacred Scriptures and in
Comparison with Christianity. An Historical Sketch. Compl. rev. Ed.
Edinburgh: Clark [1959]. XII, 335 S. 8°. Lw. 21 s.
Die 1. Auflage von 1924 ist mehr als 25 mal nachgedruckt
worden, weil das Buch 6ich als textbook in USA und in England
bewährt und sich das Ansehen eines Standardwerkes erworben
hat. Es behandelt die elf lebenden Religionen: Hinduismus, Jai-
nismus, Buddhismus, die Religion der Sikh, Confuzianismus, Tao-
ismus, Shinto, Judentum, Zoroastrismus, Islam und Christentum.
In der Darstellung einer jeden Religion wird ein „concise 6urvey
presenting the essential facts" erstrebt, wobei freilich die Bhaga-
vad-Gita auf nur knapp zwei Seiten zu kurz umrissen ist, als daß
ihr Lehrgehalt und vor allem ihre Heilswege dem Studenten klar
genug werden könnten. Der inhaltlichen Darstellung folgt dann
eine Liste der starken und der schwachen Punkte, und in einigen
Fällen auch eine Gegenüberstellung der betr. Religion und des
Christentums. Beim Buddhismus z. B. sieht das 60 aus: Darstellung
des Buddhismus, ein Vergleich von Hinduismus, Jainismus
und Buddhismus, eine schematische Aufstellung der Differenzpunkte
der drei Religionen bezüglich des Wesens des Übels,
der Methoden zu dessen Überwindung und der Aufweis der
Heilsziele; daran schließt sich an eine Aufzählung der partiellen
Entsprechungen im Buddhismus und im Christentum; dann folgt
die Nennung der radikalen Unterschiede zwischen diesen beiden
Religionen, und endlich die Elemente der Stärke und der
Schwäche im Buddhismus.
Der Bearbeiter, Charles S. Braden aus Dallas/Texas, hat an
der Anlage nichts geändert, wohl aber Berichtigung von Zahlen
(so S. 2) und manche Ergänzung eingefügt, also das Buch auf den
heutigen Stand der Wissenschaft gebracht. Auch die Urteile des
Verfassers hat er stehen lassen, selbst dann, wenn er abweichender
Meinung war: es sollte das alte Hume-Buch bleiben. Dafür
6ah er vor allem zwei Gründe: er kennt kein anderes Buch dieser
Art, das den Stoff in einem so „simplified treatment" erfaßt, wie
E. Hume das tat; und kein Buch dieses Umfanges biete den Lesern
soviele Quellenzitate aus den betreffenden hl. Schriften. Mit
beiden Gesichtspunkten wird er recht haben. Dabei sieht auch er,
daß der Stoff nicht rein objektiv bewältigt wird. Das erscheint
aber tragbar, weil viele Leser und Studenten nach einer Versre-
henshilfe ausschauen, um zu einer bewertenden Bewältigung der
Materialien zu gelangen.
Es ist nicht fraglich, daß 6ich solch ein textbook als 6ehi
hilfreich erweisen kann — auch in Deutschland, wo diese Art
nicht üblich ist und wo man ihr kritisch gegenübersteht. Es bleibt
auch dann noch wahr, daß die hier gewählten Methoden, Aufgliederungen
und Tabellen eine wirkliche Lernhilfe bedeuten und
zum Erfassen und Verstehen viel beitragen können. Dazu würde
ich auch die Fragen auf S. 315—317 rechnen, die als Kontrollfragen
für den eben ein textbook benutzenden Studenten und
als Diskussionsgrundlagen gedacht sind: warum sollte das nicht
sein dürfen? Aber genau hier kann doch die Kritik nicht schweigen
, wenn etwa gefragt wird: „Welche Religionen können ab
praktische Basis für eine politische Demokratie dienen? Welche
Religionen erscheinen als unvereinbar mit Demokratie? Und
warum?" Eine andere Frage geht auf die „wahrnehmbaren Resultate
in der Zivilisation der verschiedenen Länder" und auf die
„help to maintain a static type of civilisation". Die Bedenken
verstärken sich in dem abschließenden Kapitel, das einen zusammenfassenden
Vergleich der lebenden Religionen bringen will.
Da werden z. B. S. 273/4 die Religionen untersucht auf das, was
in ihnen als „outstanding revelations of truth" zu bezeichnen
wäre. Und zu diesen hervorragenden Offenbarungen der Wahrheit
sollen da u. a. gehören: „Human society, a divinely ordained
structure" (Hinduismus); „Self-renunciation, the condition of
salvation" (Jainismus); „Selfishness as the root of misery, sal-
vation through inner purity and self-discipline" (Buddhismus).
Die Aufzählung wird ausdrücklich abgeschlossen mit folgenden
Sätzen, die das Wesen dieses als evang. Religionskunde vermeinten
Buches aufdecken und zugleich auch ausreichen, um ohne
nähere Begründung die Bedenken und die Ablehnung des Rezensenten
verständlich zu machen: „Alle die vorausgehenden Lehren
der Religionen der Welt mögen im eigentlichen Sinne als göttliche
Offenbarungen der Wahrheit angesehen werden. Keine
derselben ermangelt dem Christentum. Aber im Christentum sind
sie eingeschlossen, harmonisiert und supplementiert durch eine
höhere Offenbarung" (S. 274).
Die Bibliographie auf S. 291—311 ist gerade für deutsche
Leser gut, weil sie ausschließlich englisch geschriebene Literatur
nennt. Daß nicht ein einziges deutsches Buch und keine deutsche
Übersetzung religiöser Texte genannt wird, ist bedauerlich, erklärt
sich aber aus dem Zweck als Textbook für englisch-ameri-