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1961 Nr. 3

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 3

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einschlägt als Seder Olam. Seder Olam hatte als Grundprinzip,
teils keine anderen Quellen als die heiligen Schriften zu benutzen
, teils im Falle einer Unsicherheit immer die kürzeste Alternative
zu wählen (p. 78).

Ein besonderer Abschnitt ist chronologischen Problemen in
neutestamentlichen Texten gewidmet (p. 8 8 ff.). Die neutesta-
mentliche Geschichtsauffassung wird als biblizistisch gekennzeichnet
(p. 87), womit gemeint ist, daß im NT — abgesehen von
Ereignissen der neutestamentlichen Zeit — von keinem andern
geschichtlichen Geschehen berichtet wird als dem aus dem AT.

Indem aber das Christentum allmählich mit der hellenistischen
Welt in Berührung kam, mußten die Theologen der Kirche,
ob sie wollten oder nicht, beim hellenistischen Judentum in die
Lehre gehen. Als Beispiel hierfür benutzt Verf. Justinus, indem
er über dessen Chronologie berichtet (p. 90 f.). Es fanden sich
aber auch andere Strömungen. Irenäus wird genannt (p. 91), welcher
die Einheit der alttestamentlichen und neutestamentlichen
Offenbarung zu beweisen sucht, ohne sich dabei recht stark für
griechische Denkweise zu interessieren, und Tatian, der überhaupt
nicht anerkennen will, daß es in der griechischen Philosophie
irgendwelche Wahrheit gibt (p. 91).

Um die Mitte des 2. und im Anfang des 3. Jahrhunderts
findet eine Auseinandersetzung zwischen der christlichen Kirche
und der hellenistischen Welt auf breiterer Basis 6tatt. Teils besitzen
die christlichen Theologen eine größere Gelehrsamkeit,
teils existierten ziemlich große Sammlungen, die auch Gelehrsamkeit
und Schulwissen in der hellenistischen Welt bekundeten.
Verf. setzt dem Leser auseinander, wie man sich um ein Totalbild
mühte, wo der nicht-biblische Stoff zum biblischen Stoff in
Beziehung gesetzt wird (p. 93), und um seine Ausführung und
6eine Problemstellung zu verdeutlichen, beschäftigt sich Verf.
besonders mit vier charakteristischen Gestalten und dem besonders
Kennzeichnenden in deren Gedankengang, nämlich Klemens
von Alexandrien, Sixtus Julius Africanus, Hippolyt und Eusebius
. Linton beschäftigt sich besonders ausführlich mit dem letztgenannten
, dessen kronikoi kanones er ein besonderes Kapitel
widmet (p. 118 ff.).

Lintons Buch ist nicht nur ein Werk voller Gelehrsamkeit,
es ist auch ein sehr interessantes Werk (wovon der Titel nicht
eben zeugt), indem Verf. es auf Grund seines großen Wissens
vermag, oftmals die Probleme ins rechte Licht zu rücken und
dabei mit Hypothesen zu arbeiten, die von gesunder Methode
zeugen. Es ist zu hoffen, daß Lintons Buch weiteren Kreisen zugänglich
werden möge, (dabei wäre auch die sprachliche Gestaltung
erneut zu berücksichtigen), und daß Verf. diese Studien ausbauen
möge, da sie ja gerade seltene Wege der Forschung aufsuchen
, und da Linton allem Anschein nach weiteres wesentliches
Material zur Verfügung zu stellen vermag.

Aarhus Poul N eppe r-Ch r i»t en s en

[Kurz, G.:] Wege des Friedens. Gertrud Kurz zum 70. Geburtstag.
Hrsg. v. Rudolf Weckerling, Ruth Schmidt, Heinrich Kühner
. Zollikon: Evang. Verlag [i960]. 256 S., Titelb., Die Gratulanten
: 14 S. 8°. Lw. DM 16.30.

Dies Buch gilt dem Wirken einer Frau, der auch wir Deutsche
zu warmem Dank verpflichtet sind. Gertrud Kurz war und ist der
Mittelpunkt einer weit ausgedehnten Hilfs- und Friedensarbeit,
die sie für die von den Nazis verfolgten Juden übte, vor allem
dann aber für Vertriebene, Notleidende der Welt aus allen Lagern
. Sie ist ein Mittelpunkt, von dem immer auch das persönliche
Verstehen, die persönliche liebevolle Teilnahme ausgeht und
zur Stärkung vieler wurde und wird. Ein Mensch, der Ungezählten
neuen Lebensmut gab. So steht sie immer weiter tätig im Mittelpunkt
des Werkes ,,Christlichen Fliedensdienstes", der aus der
,,Kreuzritterbewegung" hervorging. Diese aber weckt die Erinnerung
an jenen Lieutenant Etiennc Bach, der einst während der Besetzung
der Ruhr durch Frankreich als Besatzungsoffizier und
Christ eine Tätigkeit der Versöhnung zwischen den Völkern begann
und fortführte, an die wir immer wieder dankbar zurückdenken
müssen.

Sehr reizvoll ist das Bild des Lebens dieser gütigen Frau und
des Wirkungskreises, in dessen Mittelpunkt sie steht. Alle Beiträge
, die ihr sagen sollen, wie dankbar man dessen gedenkt, was

sie tat, geben ein sehr eindrucksvolles Bild der weltweiten Hilfsarbeit
, die hier geschieht — um des Menschen willen — ohne die
Frage, welche politischen Tiefen hinter diesen Schicksalen hüben
und drüben stehen. Es ist ein Bild schwerer geistiger und körperlicher
Not, das uns vor Augen geführt wird und tapferer, liebevoller
Hilfe, die sich bewußt ist, wie wenig sie leistet im Blick auf
das Ganze. „Mutter kann hören" ist eines der Dankesworte genannt
. Gerade es zeigt, wie das teilnahmsvolle Hören von
„Mutter Kurz" vielen entscheidende Hilfe wurde.

Unter den Freunden von Gertrud Kurz sind Männer wie
Martin Niemöller, Joseph L. Hromädka, Heinrich Grüber, Karl
Kupisch. So enthält das Buch Grußworte, die auch für das geistige
Rüstzeug solcher Arbeit Klarheit und Kraft bieten, Entscheidendes
sagen. Dies gibt dem Buche einen Wert weit über den
Kreis hinaus, aus dem es kommt und dem es zuerst dienen soll.
Ein Wort wie das von Georges Casalis über seinen Aufenthalt in
Algerien ist ein Schrei des Entsetzens, der uns zwingt, das ganze
Elend dieser Zeit zu schauen und in uns zu verarbeiten.

Mit Schmerz aber liest man immer wieder — besonders in
einzelnen der Schweizer Beiträge — Worte, die zeigen, wie sehr
auch Menschen dieses Kreises im Banne der allgemeinen Angstsuggestion
gegen den Osten stehen. Da muß man sich immer
wieder fragen: Hört auch für diesen Kreis die Pflicht der christlichen
Verantwortung, Frieden zu wirken, auf am „eisernen Vorhang
" und damit die ernste Pflicht, echtes Verstehen zu suchen
und nur aus wirklicher Kenntnis der Dinge zu urteilen?

Erfrischend wirkt dem gegenüber das ernst-mutige Wort von
Peter Schmidt aus dem Osten und dann das Wort, das für mich
den Höhepunkt dieses Buches und dessen, was es will und soll,
darstellt: das Wort von Heinrich Hellstern: Die Kirche im Dienst
der Menschenwürde. — Ob Ost oder West, das haben wir alle
uns sagen zu lassen. Er sieht gerade heute „die gewiß schmerzhaften
und auch gefahrvollen Geburtswehen einer werdenden
Gemeinde . . . Zellen weltoffener Christen, die frei von allen
romantischen Rückblicken . . . von der biblischen Wahrheit her ...
sich als Zeugen Jesu Christi auf das offene Weltgelände in der
Begegnung mit Nichtchristen und Atheisten gesandt wissen:
Kirche im Dienste der Menschenwürde".

Leipzig Emil Fuchs

R e i n i s c h, Leonhard: Theologen unserer Zeit. Eine Vortragsreihe
des Bayerischen Rundfunks hrsg. München: Beck [i960]. IX, 254 S.
8°. Lw. DM 9.80.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

U n n i k, Willem Cornelis van: Evangelien ans dem Nilsand. Mit einem
Beitrag „Echte Jesusworte?" von J. B. Bauer und mit einem Nachwort
„Die Edition der koptisch-gnostisdien Schriften von Nag Hammadi"
von W. C. Till. Übers, von J. L a n d r e. Frankfurt/M.: Scheffler
[i960]. 223 S., 12 Abb. a. Taf. gr. 8°. Lw. DM 16.80.

Das Buch erschien zuerst niederländisch; wir sind dankbar,
daß wir nun eine deutsche Ausgabe vor uns haben; sie wird einem
weiteren Kreise eine gute, sachliche Einführung in die koptischen
Texte bieten, die vor einiger Zeit in Nag Hammadi in Oberägypten
gefunden wurden; dabei werden so viele Übersetzungen
geboten, daß der Leser eine Art quellenmäßiger Kenntnis gewinnt
.

Der Verf. berichtet zunächst über den Fund und seine Geschichte
, zählt dabei die dreizehn Papyrus-Handschriften auf, um
die e6 sich handelt, und nennt die Schriften, die sie enthalten;
es sind etwa tausend Seiten, von denen fast achthundert „recht
gut" erhalten sind. Das bedeutet nicht, daß restlos jeder Buchstabe
zu lesen ist: da sind Ränder ausgefranst und Stücke abgerissen
; aber mit den achthundert Seiten läßt sich etwas anfangen.
Das ist um so wichtiger, als es sich fast durchweg um Texte handelt
, die noch nicht bekannt waren. Sie gehören meist in das
Gebiet der sog. Gnosis, also in den Bereich der frühen Kirchengeschichte
, und werden hoffentlich dazu helfen, diese geheimnisvolle
Erscheinung besser zu verstehen und zu erklären. Die
Papyri sind, wie meist die alten Buchhandschriften, schwer zu datieren
. Ich würde sagen: um 400 nach Chr. Die große Menge wird
im koptischen Museum von Altkairo verwahrt. Der Verf. ver-