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Ausgabe:

1961 Nr. 3

Spalte:

183-185

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Linton, Olof

Titel/Untertitel:

Synopsis historiae universalis 1961

Rezensent:

Nepper-Christensen, Poul

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Theologische Literaturzeitung 1961 Nr. 3

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ruht — 60 können wir zusammenfassend sagen — tatsächlich auf
einer richtigen Kenntnis der Dinge. Diese 84jährige Periode war
aber freilich nur astronomisch bekanntes Prinzip. Sie war auf keinen
Fall in jener luni-solar ausgerichteten Struktur im Gebrauch,
wie sie etwa in dem altrömischen kirchlichen Osterkanon vorliegt
, oder wie sie früher einmal Bucherius (De doctrina tempo-
rum in Victorium Aquitanum, Antwerpen 1634, p. 331 f.) und
Petavius (MPG 42, Sp. 967 ff.) rekonstruieren wollten. Das essenische
Grundschema des 364tägigen Jahrs, das wahrscheinlich auf
Grund des Jubiläenbuches für verbindlich erachtet wurde, schob
dem klar einen Riegel vor. Vielleicht wird man vorsichtigerweise
für die ersten Jahrzehnte (etwa 150 bis 66 v.Chr.) in QumrSn
sogar nur die Kenntnis des 28jährigen Sonnenzirkels behaupten.
Bei sorgfältigen Beobachtungen ergab 6ich früher oder später
dann da6 Wissen um die 84jährige Periode von selbst. Zu beachten
ist in diesem Zusammenhang freilich wieder, daß anscheinend
6chon das dem 2. Jahrhundert v. Chr. angehörige Jubiläenbuch
darum weiß, daß der Mond die Zeiten verdirbt (Kap. 6, 36). Und
tatsächlich arbeitet ja die 84jährige Periode mit einer Fehlerquelle
von über 24 Stunden16. Aber die Skepsis des Jubiläenbuches
kann ebensogut schon bei Anwendung einer simplen
3jährigen Periode gewonnen worden sein. Letztere wird vielleicht
Kap. 6, 36 sichtbar, wo es heißt, daß der Mond von Jahr zu Jahr
„10 Tage" vorgeht. Jedenfalls verbietet das offensichtlich primitivere
Kalenderwissen des Jubiläenbuches16 (wie auch das des äth.
Henoch, der Kap. 75, 13 bestenfalls den alten griechischen Sjähri-
gen Zyklus kennt), über das Jahr 150 v. Chr. für die Entstehung
und Herausbildung des hochentwickelten Sonnenkalenders von
Qumrän hinaufzugehen. Einen solchen, neuerdings behaupteten
.altpriesterlichen Kalender', der wie der essenische auf dem
System des Sonnenzirkels beruhte, hat es niemals gegeben17. Die

16) Vgl. hierüber F. K. Ginzel, a.a.O. Bd. III, S. 226 f. 23 8 ff.

ie) Überschätzt beispielsweise von M. Testuz, Les Idees religieuses
du Livre des Jubiles, Geneve 1060, S. 126 ff.

17) Vgl. hiergegen sdion J. B. Segal, Intercalation and the Hebrew

Entwicklung dürfte die gewesen sein, daß im frühen 2. Jhdt.
v. Chr. die Kenntnis des 365 ^tägigen Sonnenjahrs von Ägypten
nach Syrien gelangte, wo es den meisten Stadtären in Farm
eines Jahrs von 360 Tagen und 5 bzw. 6 Zusatztagen noch bis
über Casars Kalenderreform hinaus zugrundegelegt war18. Von
hieraus kam es dann auch nach Palästina, das dem syrisch-
seleukidischen Einfluß- und Herrschaftsbereich zugehörte. Bezeichnenderweise
hören wir auch schon Dan 7,25 von Kalenderveränderungen
, die wohl von Seiten des Antiochus Epiph. durchgeführt
wurden. Er stieß auf Widerstand. Nicht ausgeschlossen
aber ist es, daß man früh den Wert des 365 /^tägigen Sonnenjahrs
erkannt hat. Vielleicht polemisiert Jub 6, 36 aus Rückständigkeit
noch gegen diesen Fortschritt. Später wird man sich
auch hier angepaßt haben.

Was man dieser Darstellung zum Vorwurf machen kann, ist
dies, daß hier allzu konstruktiv gearbeitet werde. Aber wie soll
es in dieser heiklen Frage je anders sein? Mit demselben Recht
kann ich darauf hinweisen, daß man es sich bisher in der Auseinandersetzung
um den essenischen Kalender etwas zu leicht
gemacht hat. Es gibt Tatbestände, die nun einmal in Rechnung
zu stellen sind, soll wirklich in der Klärung des Problems ein
Fortschritt erzielt werden. In diesem Sinne (und nur in diesem!)
wurde von mir der Versuch gemacht, den esseni6chen Sonnenkalender
plausibel einzuordnen. Daß ein Kalender, in dem mit
dem Begriff der duqyah (= Präzision, Genauigkeit) gearbeitet
und in dem die Neumondsdaten notiert wurden, ein beträchtliches
Maß an Brauchbarkeit besessen haben muß, dürfte jedenfalls unbestreitbar
6ein (vgl. Milik, Ten Years of Discovery, 1959,
P- 152).

Calendar, VT 7, 1957, S. 250 ff.; J. M. Baumgarten, The Beginning of
the Day in the Calendar of Jubilees, JBL 77, 1958, S. 359. Wir sprechen
besser vom altzadokidisch-essenisdien Kalender, denn audi die Samari-
taner richteten sich nach dem syrischen 365 /4-tägigen Sonnenjahr.

18) Vgl. L. Ideler, Handbuch der mathematischen und tedinisdien
Chronologie, Bd. I, Berlin 182 5, S. 429 ff.

ALLGEMEINES: FESTSCHRIFTEN

Linton, Olof: Synopsis Historiae Universalis. Om en middelalderlig
skoletraditions forudsaetninger i bibelsk-jodisk, graesk-hellenistisk
og oldkirkelig tradition. Kopenhagen: Gads 1957. 144 S. 4°. Kart.
D. Kr. 15.-.

Olof Linton, Universitätsprofessor der neutestamentlichen
Wissenschaft, Kopenhagen, bringt in dem vorliegenden Buch, das
November 1957 bereits als ein Beitrag zur Festschrift der Universität
Kopenhagen erschien, eine Reihe von Ergebnissen aus
seinen Studien einer mittelalterlichen Schultradition und deren
Wurzeln in biblisch-jüdischer, griechisch-hellenistischer und urkirchlicher
Tradition.

Es haben andere vor Linton auf diesem Gebiet gearbeitet,
und Verf. bringt in mehrfacher Weise zum Ausdruck, was er diesen
Forschern schuldig ist. Trotzdem sucht Linton wesentlich
seine eigenen Wege und kommt zu neuen und fruchtbaren Erkenntnissen
.

Verf. spricht zuerst über die alttestamentlichen Traditionen
und deren Einordnung in ein chronologisches Schema, wobei er
u. a. auf die verschiedenen Ansichten von der Urgeschichte bei
den Propheten einerseits und in den Büchern Moses anderseits
hinweist. Der Leitgedanke bei den Propheten ist die Idee von der
Befreiung, diese Idee aber bedeutet in ihrer radikalen Form einen
Bruch mit der Vergangenheit, und die vorausgehende Zeit liegt
daher im Dunkeln. Dagegen kennzeichnet Kontinuität die Erzählung
der Bücher Moses (p. 13 f.), wenn auch diese Kontinuität
keine völlige ist. Es liegt auch hier ein dunkler Zeitabschnitt
zwischen der Zeit der Patriarchen und der des Auszuges. Von
diesem Zeitabschnitt hören wir 1. Mose 15, 13, wo auch von der
Länge des Zeitraumes gesprochen wird, nämlich von 400 Jahren.
Damit stand man im Kern des Problems. Die Anzahl der Generationen
setzte nämlich eine lange Lebensdauer voraus, während
die Abraham-Erzählung nur mit einer relativ kurzen rechnete.

Linton zeigt, wie man in verschiedenster Weise sich mit diesem
Problem befaßt hat, daß man aber an der Zahl 400 in den jüdischen
und christlichen Kreisen nicht zu rütteln wagte, da es eine
Orakelzahl war und damit unantastbar.

Lintons Interesse konzentriert sich besonders auf die ersten
Genesiskapitel, nicht zuletzt, weil in diesen die Geschlechtsregister
und chronologischen Angaben einen großen Platz einnehmen
. Er zeigt, wie die hier geschilderten Ereignisse verhältnismäßig
kurze Zeitspannen umfassen. Die Schöpfung beansprucht
nur 7 Tage, die Sintflut ein Jahr, und die Erzählung vom Turmbau
zu Babel ebenfalls nur eine kurze Zeitspanne. Linton erscheint
es daher möglich, daß eine Anzahl von Berichten in die
dazwischenliegenden Zeitabschnitte hineingehörten, die aber von
der Redaktion aus dem Erzählerwerk gestrichen worden
sind (p. 25).

Im folgenden werden Probleme, die mit den drei Geschlechtsregistern
zusammenhängen, behandelt, und danach sucht Linton
zu zeigen, was sich ereignete, als die Aufzeichnungen der Hof-
historiographen aus derselben Zeit hinzukamen (p. 25 ff.). Anschließend
wird die rabbinische Zeitrechnung in Seder Olam
beschrieben.

In Kapitel 2 schildert Linton die Art und Weise der Chronologie
in der Geschichtstradition der griechisch-hellenistischen
Welt (p. 41 ff.). Auf diesem Gebiet bringt Linton nicht, wie im
vorhergehenden, selbständige Ergebnisse, sondern begnügt sich
hier oftmals mit einem Referat der vor ihm bereits zum Ausdruck
gebrachten Gesichtspunkte und Überlegungen, was die Anmerkungen
erkennen lassen. Aber er tut dies ganz bewußt, da er zu
untersuchen wünscht, was zu dem Zeitpunkt stattfand, wo die
klassisch - hellenistische und die alttestamentliche Geschichtstradition
aufeinanderstoßen.

Mit dieser Untersuchung kommen wir zu Kapitel 3
(p. 73 ff.). Hier beschäftigt sich Linton besonders mit Philo und
Josephus. Bei Philo wird der Depravationsgedanke hervorgehoben
(p. 76) und bei Josephus, daß dieser einen ganz anderen Weg