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1960

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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127

müht: Griechische oder biblische Theologie? Das Problem der Helleni-
sierung des Christentums in neuer Beleuchtung, 1956.)

Überblickt man das Ganze der Aufsätze, so muß man leider
feststellen, daß die entscheidenden Probleme der wissenschaftlichen
Theologie darin kaum berührt sind. Es sind das vor allem
folgende: das eschatologische Bewußtsein Jesu, die Entmytholo-
gisierung des Neuen Testaments, die Frage nach dem historischen
Charakter des vierten Evangeliums, das Problem der Stiftung
des Papsttums durch den historischen Jesus, endlich das
Problem der Hellenisierung des Christentums. Es gibt nur ein
Werk, in dem diese Probleme von katholischen Geistern in
wissenschaftlicher Weise angegangen worden sind: es ist das
von katholischen Theologen und Laien verfaßte, von Gustav
Mensching herausgegebene Werk „Der Katholizismus, sein Stirb
und Werde" (Leipzig 1937). Die negative Beurteilung, die das
Werk seinerzeit im „Literarischen Ratgeber für die Katholiken
Deutschlands" gerade durch Grosche erfahren hat, beweist, daß
er für die eigentlichen Probleme einer wissenschaftlichen Theologie
kein rechtes Organ hat. Das vorliegende Werk bestätigt
das. Jene „heißen Eisen" werden nirgendwo angefaßt.

Damit soll der Aufsatzsammlung keineswegs jeder Wert abgesprochen
werden. Wer jene wissenschaftlichen Ansprüche nicht
stellt, wird aus ihr mannigfache Belehrung und Anregung schöpfen
. Auch wird er sich über manches mutige Wort der Kritik an
katholischen Dingen freuen. Dahin gehört z. B. die realistische
und illusionsfreie Schilderung der gegenwärtigen Lage des Katholizismus
, insbesondere auch der katholischen Frömmigkeit, wie
sie in praxi weithin aussieht. Erfreulich sind auch Grosches Ausführungen
zu dem Thema: „Maria mediatrix" (S. 122 ff.). Grosche
stützt sich hier auf die saubere und gründliche Untersuchung
des belgischen Theologen Werner Goossens, der zu einer „völligen
Ablehnung der These von der unmittelbaren Mitwirkung
Mariens bei der objektiven Erlösung kommt" (S. 125). Mit
Recht tadelt Grosche das Schweigen der deutschen Theologen zu
diesem Fragenkomplex und betont: „Tempus tacendi — tempus
loquendi!" Er hätte ihnen auch das schöne Wort des hl. Ambrosius
entgegenhalten können: „Nihil in sacerdote tarn periculosum
apud Deum, tarn turpe apud homines, quam quod sentiat non
libere denunutiare."

Köln Johannes Hessen

Bult mann, Rudolf: Der Gedanke der Freiheit nach antikem und
christlichem Verständnis.
Univcrsitas 14, 1959 S. 1129—1138.

Heyl, Cornelius Frhr. v.: Consecratio per Chrisrum.
Lutherischer Rundblick 7, 1959 S. 50—53.

K ö b e r 1 e, Adolf: Pneumatologie und Eschatologie.

Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung 13, 1959 S. 377—380.

Kolping, Adolf: Zur Neuauflage der Scheebenschen Dogmatik, insbesondere
theologiemethodische und editionskritische Bemerkungen.
Theologische Revue 55, 1959 Sp. 97—104.

Köster, Hermann: Akkomodation oder Theologie?
Theologische Quartalschrift 139, 1959 S. 257—269.

Die Lehre von der Heiligen Schrift. Eine gemeinsame Darlegung der
amerikanischen Synodalkonferenz.
Lutherischer Rundblick 7, 1959 S. 53—56.

Sasse, Hermann: Ein lutherischer Beitrag zur gegenwärtigen Abendmahlsdiskussion
.

Lutherischer Rundblick 7, 1959 S. 2—17.
Whittemore, Robert C: Karl Heim: Panentheism and the Space
of God.

Concordia Theological Monthly XXX, 1959 S. 824—837.

ETHIK

J e r g e n s e n, Poul Henning, Pfarrer: Die Ethik Schleiermachers.

München: Kaiser 1959. 223 S. gr. 8° = Forschungen zur Geschichte
und Lehre des Protestantismus, hrsg. von Ernst Wolf, 10. Reihe,
Bd. XIV. Kart. DM 13.50.

Daß auch von theologischer Seite — nach der philosophischen
Arbeit von Nicolai Hartmann — der Versuch unternommen wird,
die Ethik Schleiermachers darzustellen und zu würdigen, ist als
solches schon ungemein verdienstlich. Der Verf. der vorliegenden
Untersuchung läßt sich dabei mit vollem Recht von dem Gesichts

punkt leiten: „daß die theologische Auseinandersetzung mit
Schleiermachers großem Werk auch heute noch notwendig und
fruchtbar ist, und daß diese nicht so einfach erledigt werden kann,
wie dies in den letzten Jahrzehnten mitunter geschehen ist".

Bei der Ausführung des Themas geht der Verfasser so vor.
daß er zunächst die Wesenszüge der Ontologie Schleiermachers
herausarbeitet und dann durchaus zutreffend die Ethik in diese
Ontologie hineinstellt, wobei sich dann ergibt, daß die Grundstruktur
der Ethik entscheidend von jenen Wesenszügen bestimmt
ist, deren Linien in Schleiermachers Satz aus den Lucinde-Briefen
zusammenlaufen: „Sie wissen ja doch von Leib und Geist und der
Identität beider, und das ist doch das ganze Geheimnis". Die
Untersuchung baut sich in vier Abschnitten auf, die im engen Zusammenhang
mit der ontologischen Einführung stehen: 1. Sein
und Wissen, 2. Sein und Tun, 3. Sein und Sollen, 4. Sein und
Gefühl. Diese Abschnitte werden jeweils durch eine kritische
Würdigung abgeschlossen. Der in ihnen gegebenen Aufhellung
der Grundprinzipien des ethischen Denkens Schleiermachers kann
man im allgemeinen zustimmen. Sie gibt eine gute Einführung
in die Problematik dieses Denkens. Die Kritik setzt erst ein bei
der eigenen kritischen Würdigung des Verfassers. Sie sei im folgenden
in einigen wesentlichen Punkten zxisammengefaßt.

Der Verf. weist zunächst mit Recht auf die Gegensätzlichkeit
hin, die Schleiermachers gesamte Deutung der Wirklichkeit durchzieht
: Vernunft und Natur,, Geist und Fleisch, Seele und Körper,
Idee und Erscheinung, und bemerkt ebenso richtig: dieser Gegensatz
ist nicht absolut, aber er ist doch real. Doch bemerkt er
dann — im Gegensatz zu seiner eigenen Feststellung —, der Grundschaden
in Schleiermachers System sei dessen Behauptung: „es
gibt Differenz und es gibt doch keine. Das einzige wirklich Reale
ist nur die Einheit; der Gegensatz kommt daher, daß wir raumzeitliche
Wesen 6ind" (37). Das wird später noch bestätigt durch
den Satz: „Wie früher aufgezeigt, ist es immer das Identitätsprinzip
, der Gesichtspunkt der Nicht-Differenz, was bei Schleiermacher
den Sieg davonträgt" (103). Aber gerade das ist unzutreffend
. Dem Verf. ist entgangen, daß das hier von Schleiermacher
vorgetragene metaphysische Prinzip ein reales, philoso
phisches Diktum ist, das im Abendland bereits bei Heraklit einsetzt
, bei Nikolaus von Cues als coincidentia oppositorum einen
gewissen Höhepunkt erreicht, um dann zu Schleiermachers Zeit
bei Sendling und Goethe als Prinzip der Polarität neu zu erstehen
. Gewiß wird immer — mit Ausnahme des östlichen Denkens, wo
dies Prinzip zur Weltformel erhoben wird — eine Einheit vorausgesetzt
. Aber diese Einheit hebt die Wirklichkeit des Gegensatzes
nicht auf, sondern bestätigt sie gleichsam. So auch bei
Schleiermacher. Zur Verdeutlichung des ganzen Vorganges zieht
er den Begriff der Oszillation heran. „Die Oszillation ist ja die
allgemeine Form alles endlichen Daseins", also auch die Form des
Gegensatzes zwischen Idealem und Realem. Beide Pole bleiben
immer voneinander abgekehrt, wie Schleiermacher in dem bekannten
Brief an Jacobi vom 14. 3. 1818 bemerkt. Alles Leben,
und demnach auch die menschliche Existenz, bleibt also wirklich
in der Oszillation des Gegensatzes von Idealem und Realem. Gewiß
ist Schleiermacher — wie Goethe in seinem Polaritätsdenken -
der Meinung gewesen, daß in der Bewegung dieser Oszillation
eine Steigerung stattfindet, so daß das Ideale immer stärker das
Reale durchseelt. Aber diese Durchseelung führt in diesem Leben
nicht zur Aufhebung der gegensätzlichen Spannung. Die Pole
bleiben erhalten.

Vielleicht führt dies Ernstnehmen der Oszillation alles Lebendigen
auch zu einer Klärung der Problematik der Individualität
bei Schleiermacher, mit der der Verf. sich besonders gründlich
auseinandersetzt. Schleiermacher hat bekanntlich die Ansicht
vertreten, daß das Problem der Individualität sich theoretisch
nicht lösen läßt. Individuum est in effabile. Aber er war davon
überzeugt, daß das Individuum unmittelbarer Ausdruck des Ewigen
ist und daher eine religiöse und ethische Berechtigung hat,
eine Überzeugung, die im Rückgang auf Leibniz ein Novum darstellt
gegenüber dem antiken Schema von Wesen und Erscheinung,
an dem Schleiermacher grundsätzlich festhielt. Hier mußten sich
Spannungen und aus ihnen Unklarheiten ergeben, auf die der
Verf. mit Recht aufmerksam gemacht hat. Denn für das griechische