Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1960 Nr. 2

Kategorie:

Judaistik

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

107 Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 2 108

kehrt gewählt); doch wird mehrmals darauf hingewiesen, daß
eine strikte Trennung nur schwer durchzurühren ist; eine Menge
mohammedanischer Legenden um biblische Gestalten sind jüdischen
Ursprungs, wie umgekehrt jüdische Geschichten mohammedanischen
Einfluß verraten; die Wanderung der Motive wird beachtet
und aufgezeigt.

Bei den jüdischen Legenden werden zunächst in 5 Abschnitten
(Urzeit, Abraham, Mose, Königszeit, Jerusalems Fall)
diejenigen mit biblischen Motiven gebracht. Es sind ja nicht nur
lesenswerte alte Geschichten (die in ihren Tendenzen vielfach
„moderner" sind und uns näher stehen als die deutschen Sagen
und Märchen), sondern es handelt sich in den meisten Fällen auch
um älteste jüdische „Kommentare" zu biblischen Erzählungen
und Texten, die einen wichtigen Beitrag zur Frömmigkeitsgeschichte
darstellen.

Es folgen Legenden aus nachbiblischer Zeit und „Zeitlos-
Gültiges im Kleid der Legende".

An den Anfang der arabischen Texte sind die um den
Tempelplatz gestellt; danach kommen die Erzählungen über biblische
Personen (Adam und Eva, Abraham, Joseph, Mose.
David-Salomo), über Kalifen und über Heilige und Heiligtümer.

Die jüdischen Legenden sind besonders den großen Sammelwerken
von M. J. bin Gorion („Die Sagen der Juden", „Der
Born Judas"), L. A. Frankl („Nach Jerusalem") und J. Kossarski
(„Sagen des Morgenlandes") entnommen. Als Quelle für die
arabischen werden u. a. genannt G. Weil („Biblische Legenden
der Muselmänner") und H. Schmidt - P. Kahle („Volkserzählungen
aus Palästina"). Doch hat der Verf. eine ganze Reihe weiterer
Quellen aus wissenschaftlichen Zeitschriften und anderen Ver
öffentlichungen herangezogen.

Gewiß kann man über die Auswahl streiten. Mancher wird
ihm bekannte oder gar altvertraute Stücke dieser Literatur vermissen
; mancher mag enttäuscht feststellen, daß die Märchen aus
1001 Nacht 6ich gefälliger lesen als manche dieser Geschichten.
Doch wird jeder auch die Berechtigung gerade dieser Sammlung,
die das Interesse an den biblischen und geschichtlichen Motiven
erkennen läßt, zugeben.

Die Erzählungen sind nun nicht einfach aneinandergereiht.
Schon der Textteil bringt viele Anmerkungen; besonders bei den
arabischen Erzählungen überwiegt im Textteil der Bericht des
Verfs. Hier hätte man sich eine deutlichere Trennung von übernommenem
Text und eigner Zutat gewünscht. Dazu kommen im
2. Teil de6 Buches umfangreiche „Erklärungen und Überlieferungen
" (S. 178-284). Dieser Teil gibt eine Fülle aufschlußreicher
wissenschaftlicher Erläuterungen zu den einzelnen Legenden.
Der Verf., der Palästina aus eigener Anschauung und Forschungsarbeit
kennt (dessen eigentliches Fachgebiet jedoch die Pädagogik
ist!), verfügt über umfassende religionsgeschichtliche wie
philologische, historische wie topographische, volkskundliche wie
archäologische Kenntnisse; seine Erklärungen sind niemals oberflächlich
. Selbstverständlich sind z.B. die zahlreichen exegetischen
und archäologischen Themen, die angeschnitten werden (beraka.
„Gott schauen", heiliger Fels, Satan, adam, Raheis Grab, II. Samuel
5, 6—9, die Lade, Metallverwertung u. v. a.) nicht erschöpfend
behandelt; die Literaturangaben dazu sind manchmal
auch zu spärlich und z. T. veraltet; aber stets bieten die Erläuterungen
eine erste, anregende und förderliche Orientierung.

Sehr viel Gegenwartskundliches gehört nicht unbedingt in
das Buch hinein, gibt aber doch oft gute Aufschlüsse über die
Art der Legendenbildung, etwa der Bericht über die Donato-
Bewegung (S. 95—99 u. Anm.), über das moderne Zelotentum
(S. 93-95 u. Anm.) oder die Regenmacherei (S. 223 f.). Der Aufgeschlossenheit
des Verfs. für das heutige Israel ist mancher
interessante Hinweis auf das Verhältnis von Einst und Jetzt zu
danken.

Die Transkription ist nicht genau, kann und will es auch
nicht sein (S. 1 5), so wenig, wie wir etwa biblische Namen korrekt
zu umschreiben pflegen. Doch hätten einige Inkonsequenzen vermieden
werden können (z. B. daß biblische Namen der arabischen
Geschichten z. T. in der üblichen, z. T. in arabischer Form wiedergegeben
werden; dazu etwa bat neben bath, S. 214). Bei den Bemerkungen
zur rabbinischen Literatur (S. 13 Anm.) tritt die
Rolle des tannaitischen Midrasch nicht deutlich genug hervor.

Am Anfang des Buches steht eine gattungsgeschiditliche
Einführung mit der Überschrift „Vom Wesen der Legende". Ist
auch hier der Anschluß an die modernste formgeschichtliche Diskussion
nicht gesucht, so ist doch eine gute gattungsgeschichtliche
Analyse der Palästina-Legende durchgeführt. Der Antrieb
zur Legendenbildung wird im Naturell des Orientalen gesehen.
„Geschichte und Mythos, Sage und Märchen, Fabelei und Visionäres
, ja auch Novelle und Schwank verschlingen sich in dem
mit üppiger Gestaltungskraft begabten, bildergesättigten, dem
Extremen und Paradoxen zugewandten Gemüt de6 Morgenländers
buntscheckig zu einem schwer entwirrbaren Gerank" (S. 7). Die
Legende ist das „Werk der diditenden Volksseele", aus „religiösem
Trieb" geboren, der Erbauung (= „eigentliche" Heiligenlegende
) oder Unterhaltung (== Volkslegende) dienend; das
Wunder ist ihr Kern und Mittelpunkt, der altsemitischen Natur-
und Volksreligion ist sie verhaftet, die konfessionellen Schranken
überschreitet sie.

So wird das Buch auch Fachleuten verschiedener Gebiete
seinen Dienst tun. Doch wird es vor allem von denjenigen begrüßt
werden, die an tiefsinnigen Palästina-Geschichten ihre
Freude haben und denen die älteren Sammlungen schwer zugänglich
waren.

Ihren Wünschen ist der Verlag noch weiter entgegengekommen
, indem er die schönsten Geschichten der Eberhardschen
Ausgabe mit der Einführung (ohne die Anmerkungen) in einem
sehr hübsch ausgestatteten Bändchen unter dem Titel „Im Widerschein
des Alten Testaments; Palästina-Legenden" (1958) heraus -
gebracht hat.

Borlin Fritz Miass

Jasper, Gerhard: Christlicher Glaube und jüdische Gottesfurcht.
Deutsches Pfarrerblatt 59, 1959 S. 344—346.

— Jüdische Mystik.

Deutsches Pfarrerblatt 59, 1959 S. 49—52.

K i s c h, Guido, Prof. Dr. jur„ u. Dr. jur. Kurt Roepke : Schriften zur
Geschichte der Juden. Eine Bibliographie der in Deutschland und der
Schweiz 1922—1955 erschienenen Dissertationen. Tübingen: Mohr
1959. XI, 49 S. 8° = Schriftenreihe Wissenschaft!. Abhandlungen des
Leo Baeck Institute of Jews from Germany, 4. Kart. DM 5.80.

Kraus, Hans-Joachim: Die Weisheit der Chassidim.
Quarember 23, 1958/59 S. 160—162.

NEUES TESTAMENT

Stamm, J. J. u. H. Bietenhard: Der Wcltfriede im Alten und
Neuen Testament. Zürich: Zwingli Verlag [1959]. 109 S. 8°. Kart.
DM 5.80.

„Eine zweite schweizerische Akademikertagung mit dem
Thema .Christ und Weltfriede' ist auf den Spätherbst 1959 in
Vorbereitung". Der Schweizerische Evangelisch-kirchliche Verein
bat die beiden Verfasser, hierzu eine biblische Grundlegung auszuarbeiten
. Sie erfüllen den Wunsch, wie nicht anders zu erwarten
, mit großer Sachkenntnis auf dem Gebiete der Quellen. So
habe ich dankbar gelesen, was über den vielgestaltigen Begriff des
Friedens (einschließlich der Etymologie von slm) und über den
Begriff des „heiligen Krieges" erarbeitet wird. Hier hätte ich
gern noch mehr empfangen: Phoiniker waren es wohl, die ihre
Handels-Niederlassungen zuweilen Salamis nannten (vgl. arabisch
Dar es-Saläm). Und das altägyptische htp berührt sich in seiner
wechselnden Bedeutung vielfach mit hebräischem slm. Auch auf
die griechische Philosophie wird zu wenig geachtet; die Behandlung
des „Kampfabschnitts" im Ephescrbriefe macht diesen
Mangel besonders deutlich (vgl. die Fascher-Festschrift „Gott und
die Götter" 1958, S. 16ff.).

Die ganze Darstellung macht leider, so viel man aus ihr im
einzelnen lernen kann, einen uneinheitlichen Eindruck. Es wird
zu viel von „Stellen" gesprochen. Das läßt sich vermeiden, wenn
man in den Mittelpunkt den Begriff der Nächstenliebe stellt. Auf
diesem Gebiete ist das Alte Testament anderen Völkern vielfach
voraus; es schafft z.B. ein ganzes Armenrecht. Aber der Weg