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Ausgabe:

1960

Spalte:

103-104

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Albright, William Foxwell

Titel/Untertitel:

Die Bibel im Licht der Altertumsforschung 1960

Rezensent:

Fichtner, Johannes

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Seite 1

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103

unter Theologen verständliche Redensart oder verzwickte Formu
lierung verziehen werden. Aber es bleibt doch zu fragen, ob wir
Theologen nicht etwas mehr für die Pflege unserer Sprache tun
sollten, als im allgemeinen geschieht. Das heutige Theologendeutsch
ist mit affektgeladenen Begriffen und Redewendungen
gesättigt, die die sachliche Verständigung ungemein erschweren
und vor allem den Gedankenaustausch mit Nichttheologen
hemmen. Bisweilen hat man den Eindruck, wir stünden in einer
Knechtschaft des Begriffszwanges, für die es in andern Wissenschaften
und Berufsständen kaum ein Gegenstück gibt. Was das
im Bereiche der Predigt, der Seelsorge und des Unterrichtes bedeutet
, ist bekannt und Gegenstand häufiger Klage. Es ist die tägliche
Sorge des Praktischen Theologen im Homiletischen und
Katechetischen Seminar. Dieses Problem wird sich wohl nur durch
eine sorgfältige Forschungsarbeit, in der die Hilfe der Germanisten
nicht entbehrt werden kann, bewältigen lassen. Hier also ist eine
bedauerliche Lücke des Buch|s festzustellen.

Eine andere Lücke, deren Schließung auch für die erste einiges
Nützliche erbringen könnte, ist darin zu sehen, daß kein Beitrag
aus der Missionswissenschaft geleistet worden ist. Gerade in
der Mission ergeben sich Erfahrungen mit der Sprache und aus den
Erfahrungen Erkenntnisse, die heilsam auf uns zurückwirken
könnten.

Der Theologentag war, nach dem Vorwort des Herausgebers
zu schließen, durch die gehaltenen Referate schon überfordert.
Der Hinweis auf Lücken kann deshalb nicht bedeuten, daß die
Zahl der Referate hätte vermehrt werden sollen. Wohl aber soll
er besagen, wie wichtig das Problem ist und wie wertvoll, daß es
einmal „zur Sprache gekommen" ist. Es ist zu hoffen, daß der
vorliegende Band der Referate einen weitwirkenden Anstoß zu
weiterer Forschung und selbstkritischer Arbeit an dem Problem
der Sprache in Theologie und Kirche gibt.

Tübingen W. Ulis ade I

ALTES TESTAMENT

Albright, W. F.: Die Bibel im Lidit der Altertumsforschung. Ein

Bericht über die Arbeit eines Jahrhunderts. Mit einer Zeittafel. Vorwort
von Prof. D. Eißfeldt. Stuttgart: Calwcr Verlag (1957]. 148 S.
8». DM 6.80; Lw. DM 8.80.

Das Interesse am alten Orient ißt in den letzten Jahren
immer lebendiger geworden von der Frage nach der Geschichtlichkeit
alttestamentlicher Aussagen her. Neben manchen von NichtFachleuten
geschriebenen — höchst zugkräftigen! — deutschen
Büchern sind mehrfach Übersetzungen ausländischer Werke erschienen
. Ich nenne nur die kleinen instruktiven Bändchen von
Andr6 Parrot (Bibel und Archäologie). Theodor Schlattcr hat
sich ein Verdienst damit erworben, daß er für den Calwer Verlag
Albrights Werk ,,Recent discoveries in Biblc lands" ins Deutsche
übersetzt hat. W. F. Albright ist einer der bewährtesten Archäologen
unserer Zeit auf dem Gebiet der Ausgrabungen im Vorderen
Orient und damit in besonderer Weise dafür prädestiniert,
eine ,.für einen weiten Leserkreis bestimmte, gemeinverständliche
Darstellung der von der vorderorientalischen Archäologie erzielten
Ergebnisse" zu schreiben (Vorw. von O. Eißfeldt).

Es ist erfreulich, daß Albright in einem einführenden Kapitel
zunächst Form und Methode der Erforschung des Alten
Orients behandelt und daß er sodann eine kurze Darstellung der
Geschichte der Archäologie des alten Vorderen Orients und
Ägyptens gibt (Kap. 2—7). Dieser Teil umfaßt mit mehr als 50
Seiten ein Drittel des ganzen Buches; der Verfasser zeichnet in
ihm zugleich jeweils den bunten altorientalischen Hintergrund,
auf dem sich das Leben der alttestamentlichen Geschichte abspielt
. Schon in diesem Teil wird dem Leser deutlich, daß Israel
mit allen Wurzeln in die Welt seiner Zeit eingesenkt ist und in
jeder Beziehung an der altorientalischen Kultur teilhat.

Von Kap. 8 ab folgt die Darstellung dem biblischen „Bericht
": zur Urgeschichte Kap. 8—10, zur Geschichte Israels von
den Erzvätern bis nach dem Exil Kap. 11—17, zur Zeit zwischen
den Testamenten Kap. 18 und zu der des Neuen Testaments
Kap. 19-21. Während sich der Verfasser in den Kapp. 22/23 I

und den „Zusätzlichen Bemerkungen" S. 143-145 den Handschriften
-Funden zuwendet, macht er in Kap. 24 kurze grundsätzliche
Ausführungen über das Thema „Die Bibel und neue
Entdeckungen", in denen er feststellt, daß die alttestamentliche
Wissenschaft im Blick auf die historische und literarische Kritik
entdeckt habe, daß sie „ihre Schritte zu einem vernünftigen Konservativismus
zurücklenken müsse".

Die Ausführungen von Kap. 24 sind vielleicht für den weiteren
Leserkreis reichlich kurz. Wer freilich die vorausgehende
Darstellung aufmerksam verfolgt hat, wird sich einiges Weitere
an grundsätzlichen Erkenntnissen erworben haben. Er wird beobachtet
haben, daß die archäologischen Ergebnisse für die einzelnen
Strecken der Geschichte Israels in verschiedenem Maße und
in verschiedener Weise fruchtbar gemacht worden sind: einmal
für die Siedlungsgeschichte des Gottesvolkes in Palästina, dann
zur Erhellung des Hintergrundes alles Geschehens in Israel und
schließlich — vor allem in der Königszeit von Salomo bis zum
Exil — zur Bestätigung und z. T. 60gar zur Berichtigung einer
Fülle von Einzelangaben der Darstellung des Alten Testaments.
Diese verschiedene Auswertung der Ergebnisse der Archäologie
unterscheidet den Fachmann vom Dilettanten!

Man wird dem Verfasser für seine kurze instruktive Dai-
stellung dankbar sein müssen, selbst wenn man in Einzelheiten
anderer Meinung ist als er. Man wird auch dem Übersetzer für
seine exakte und gut lesbare Übersetzung Dank wissen. Daß Karten
und Bilder fehlen, kann man bedauern; die synchronistische
Zeittafel, die beigegeben ist, wird dem Leser willkommen sein.
Der Preis des Buches ermöglicht einem weiten Kreis seine Anschaffung
; dafür sei dem Verlage Dank.

Bethel b. Bielefeld Johannes F i c h t n c r

Rob scheit, Hellmuth: Der Knecht Gottes. Luthers Auslegung von
Jesaja 53 übersetzt. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1957]. 74 S. 8°.
Pp- DM 3.20.

Es ist verdienstlich, daß der Verf. Luthers Auslegung von
Jes. 53 (WA 40 III S. 683ff.) aus dem Jahre 1544 in ein ver
ständiiehes und doch „lutherisch" klingendes Deutsch übertragen
und dadurch weiteren Kreisen zugänglich gemacht hat. Das große
Jesajakapitel ist auch wohl besondere geeignet zu zeigen, wie
Luthers Auslegung eines alttestamentlichen Textes beschaffen war.

Sie ist zunächst biblisch in weitestem Sinne, von wirklicher
Totalität. Auch entlegene Schriftstellen werden herangezogen,
die an 6ich mit dem Text nichts zu tun haben und mehr der
Illustration dienen; so etwa, wenn zu V. 12 die Haustafeln aus
Eph. und l.Petr. beigebracht werden als Gegenbild zur „Macht
des Hausherrn" oder wenn Luther S. 66 Gen. 26,16 zitiert, um
auf den „großen mächtigen Haufen" hinzuweisen, der dem Sieger
Christus „zugebracht" wird. Dennoch zerflattert Luthers Auslegung
nicht in ein Vielerlei biblischer Einzelheiten, sondern ist
biblisch zentral. Der „Arm Gottes" wird sofort und immer wieder
mit Christus gleichgesetzt (bes. S. 26). An dem Knechtscin
Christi wird die Zwcinaturenlehre entfaltet. Unter Zuhilfenahme
von Ps 8 — den Luther bekanntlich christologisch verstanden hat —
wird der Christusweg vorgeführt (S. 29). Luther empfindet, als
ein Zeichen der „unglaublichen Würde" der Sendung des Sohnes,
daß Jesaja in ständiger Wiederholung die gleiche Botschaft vom
Heil in Christus verkündigt (..jedoch so. daß er immer noch etwas
hinzufügt"; S. 61).

Als drittes, sehr charakteristisches Merkmal ist zu nennen,
daß er dieses Heilswerk Christi im Sinne der paulinischen Rccht-
fertigungslehre definiert und die so gepredigte biblische Botschaft
abgrenzt gegen die Juden — die da sagen: „Wenn er Gott ist.
kann er nicht Knecht sein" (S. 27) —, die Nestorianer, die Anti-
nomer, Papisten und Schwärmer. ..So sucht und stützt 6ich die
Welt nur auf ihre formale Gerechtigkeit, die au6 ihren eigenen
Kräften kommt". Sie 6etzen Jesaja „Sprüche von den Werken
entgegen". Auch „wir haben im Kloster gegen Jesaja gelehrt" und
„vernachlässigten darüber diese Stellen, die wie Sonnen und
leuchtende Blitze glänzten, an denen gesagt wird: sie sind alle
Sünder, niemand ist gerecht, nur Christus ist gerecht und Sieger
über die Sünde" (S. 72 f.).