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Ausgabe:

1960

Spalte:

925-928

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bornkamm, Günther

Titel/Untertitel:

Überlieferung und Auslegung im Matthäusevangelium 1960

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 12

926

tion sectarians" sich aufgrund des Neuen Testaments über die
Ämter in der Urkirche nicht einigen, die neutestamentlichen Schriften
müssen aber verstanden werden „historically, that is, in
relation to a development which emerge6 into clearer daylight in
the time of Clement of Rome or St Ignatius of Antioch" (312).
Von diesem Ausgangspunkt aus wird die Organisation der Jerusalemer
Urgemcinde als maßgeblich für die Ausbildung des Mon-
episkopats hingestellt, alle Presbyter-Bi6chöfe 6ind nach dem Vorbild
der von Jesus selbst eingesetzten ersten Apostel vom Pres-
byterium eingesetzt. Sukzession wird als im Neuen Testament
nicht gelehrt, aber vorausgesetzt bezeichnet. Während also die
Rücktragung nachapostolischer Vorstellungen in das frühe Urchristentum
als sachgemäß erscheint, wird der „Biblizismus", der
seit der Reformation die geschriebenen Worte der Schrift als
allein inspiriert angesehen hat, als die Quelle des Sektentums und
,,one of the principal hindrances to the union of Chri6tendom"
(329) bezeichnet, der anglikanische Traditionsgedanke also mit
dem Neuen Testament identifiziert. „Die Theologie der Taufe"
(Kap. 15) wird auf Jesus 6elbst zurückgeführt, der seinen Tod als
Taufe deutete, die von allen geteilt werden müs6e; die Taufe bewirkt
Austreibung der bösen Geister (,,it is reasonally certain
that the ancient practice of baptismal exorcism goes back to
apostolic days"! 337 f.) und Gericht; daß die Handauflegung ein
regelmäßiger Zug der Taufe war, ist durch Tradition gesichert,
auch die Kindertaufe geht in die Apostelzeit zurück, der Glaube
bei der Taufe ist Antwort auf die Tat Gottes in der Taufe.
„Die eucharistische Theologie des Neuen Testaments" (Kap. 16)
schließlich schließt 6ich an die Passazeremonien an, vertritt keine
Wiederholung des Opfers Christi, enthält aber (entgegen der
reformatorischen Anschauung) die Vorstellung von der Darbringung
von Brot und Wein als Symbole für das Selbstopfer der
Christen, die Eucharistie ist ein vergegenwärtigendes Gedächtnis
des Opfers Christi. „Only in the eucharistic worship of the Church
the theology of the New Testament can be truly understood"
(387).

Es dürfte deutlich geworden 6ein, daß wir in dieser Darstellung
der Theologie des Neuen Testaments nicht den Aufweis
eines geschichtlichen Sachverhalts, sondern eine additive Konstruktion
vor uns haben. Nicht die theologischen Anschauungen
der einzelnen urchristlichen Schriftsteller und Perioden, aber auch
nicht die frühkatholische Theologie unter Einbeziehung des Neuen
Testaments wird uns hier geboten, sondern eine Darstellung, die
geschichtlich sein will durch den (oftmals bloß behaupteten) Anspruch
, die apostolischen Gedanken als Verwirklichung der Verkündigung
Jesu zu erweisen, die aber in Wirklichkeit völlig ungeschichtlich
ist, weil die Voraussetzung der Einheitlichkeit der
neutestamentlichen Verkündigung zur Angleichung der einzelnen
Verkündigungsformen aneinander führt. Die Theologie des Neuen
Testaments, die Richardson schildert, hat in Wirklichkeit niemals
existiert. Und der geschichtlich Fragende kann nur au6 manchen
Wertvollen Einzeluntersuchungen in diesem Buch etwas lernen.

Drei Fehler im griechischen Text bedürfen der Berichtigung: S. 67
'■es fteza/wprpoMiis statt /ieiafioQ(pä>oii, S. 259 dovXoi statt Aovkoi,
S. 334 yvvaZxtss statt yvvaixai.

Marburg/Lahn Werner Georg Kümmel

B or n k a m m, Günther, Barth, Gerhard, u. Heinz Joachim Held:
Überlieferung und Auslegung im Matthäusevangelium. Neukirchen:
Neukirchener Verlag der Buchhandlung des Erziehung6vereins 1960.
304 S. gr. 8° = Wissenschaftl. Monographien z. Alten u. Neuen
Testament, hrsg. v. G. Bornkamm u. G. v. Rad, Bd. 1. DM 24.75;
Lw. DM 27.-.

Die WMANT beginnen, wenn ich recht sehe, (abgesehen von solchen
für Arbeiten katholischer Theologen) die siebente der Reihen, die
gegenwärtig ausdrücklich zur Veröffentlichung deutschsprachiger Monographien
zum NT bestimmt sind: 1. Forsch, z. Rcl. u. Lit. d. A. u. N. T.
(seit 1903), 2. Bcih. z. ZNW (seit 1923), 3. Beitr. z. Wiss. v. A. u. N.T.
(1926-1938. 1960 IT.). 4. Abb. z. Theol. d. A. u. N.T. (seit 1942),
5- Wiss. Unters, z. N.T. (seit 1950), 6. Supplements to Nov. Test,
(seit 1958). Immerhin bestanden vor 30 Jahren fünf solche Reihen:
»eben l. bis 3.: Unters, z. N. T. (seit 1912), Nt.liche Forsch, (seit 1923),
d'e beide 1938 eingingen. Daneben ist nicht zu übersehen, daß von
Keihcn mit weiterem Rahmen besonders die Beitr. z. Förd. christl.
j! ' 2ah,rci<hc Arbeiten zum NT aufgenommen haben; ferner erschienen
solche in den Texten u. Untere, z. Gesch. d. altchr. Lit., den

Beitr. z. hist. Theol. usw., und diese Reihen stehen dafür auch heute
noch offen (wie ferner die der „Theologischen Arbeiten"). Welche
Gründe zu dem damaligen und heutigen Nebeneinander der (at.lich-)
nt.lichen Spezialreihen geführt haben, 6ei hier dahingestellt. Die neue
Reihe verspricht außer theologischer Weiträumigkeit besonders auch,
der jüngeren Generation zum Drude ihrer Arbeiten zu helfen.

Der erste Band enthält gleich deren zwei; beinahe zur Hälfte
füllt ihn die Dissertation (1957) von H. J. Held: „Matthäus als
Interpret der Wundergeschichten" (155-287). H. betont: Matth,
„bringt nicht eigentlich einen neuen Gedanken an die Überlieferung
heran", sondern läßt bereits in ihr gegebene Leitmotive
deutlicher hervortreten (284 f.); „die Neuerzählung und die
Interpretation unterbleibt, wenn sich in der Tradition keine Berechtigung
dazu findet" (286). Matth, arbeitet in seiner Gestaltung
der Wundererzählungen nach H. einmal besonders den
,,christologi6chen" Gedanken heraus (234—262), d. h. er zeigt
Jesus als „Erfüller des Alten Testamentes" (241; genauer: die
Wunder werden durch den Schriftbezug als legitimer Teil de6
Christuswerkes beglaubigt, 242), ah „den Knecht Gottes in seinem
Eintreten für die Hilflosen" (252), 6chon darin aber als den
Herrn der Kirche („die irdisch-menschlichen Züge fehlen" in den
Wundergeschichten des Matth., 252), auf deren Lage hin „die
Wundergeschichten . .. zugeschnitten werden" (255), und der ihr
Herr Anteil an 6einer Vollmacht gibt (258—262). Sodann liegt
H. an der Feststellung, daß Matth, in den Wundergeschichten den
Glauben als Gebetsglauben herausstellt (272—276; überhaupt
bilden die synoptischen Wundergeschichten großenteils eine
Beispielsammlung für die Zuverlässigkeit der Verheißung Jesu,
die dem gläubigen Gebet gilt, 272; „die Formel vom rettenden
Glauben. .. findet sich in allen drei Evangelien", 228). Die Formung
der Wundergeschichten durch Matth, tendiert dahin, sie als
Gespräch zu gestalten (233); die Heilungsgeschichten geben eine
„formelhafte Einleitung" (die Formeln werden anschaulich 214
— 218 vorgeführt) zu einer „Bitte in direkter Rede" und der
„Antwort Jesu in Entsprechung der Bitte" und schließen mit
einer „formelhaften Notiz über den Eintritt des Wunders" (229).
Wird auch das Gespräch bei Matth, nie zugefügt, wenn ein solches
nicht schon bei Mark, vorhanden war (224), so wird es doch
bei Matth, zum „eigentlichen Inhalt der Wundergeschichten"
(205). Die Konzentration der Darstellung auf das Wesentliche
wird en-eicht einerseits durch Kürzung („Zurücktreten des Erzählerischen
", 213, „Fortfall von Nebenpersonen und Nebenhandlungen
", 220 f.), andererseits durch Umformung, und d. h. teilweise
auch Erweiterung, des tradierten Textes; die Richtung der
Interpretation wird nach H. häufig auch durch die „Komposition",
d. h. den Einbau der Erzählungen in den Zusammenhang des
Matth.-Ev., sichtbar (155-195).

Die Untersuchung von H. liest sich gut; die häufigen Wiederholungen
machen jedenfalls .deutlich, worauf e6 dem Verf. ankommt
. Mitunter wird auch in seiner Darstellung sichtbar, daß
nicht alle6 Material des Matth.-Ev. 6ich ohne weiteres seinen
Hauptthesen einordnet. Man wird zwischen zwingenden Beobachtungen
und möglichen Kombinationen scheiden und manche
Schlü66e auf ihre Tragfähigkeit prüfen müssen. So wird m. E. für
die Erklärung bestimmter Züge der Darstellung z. T. die Möglichkeit
des „Sitzes" im Leben Jesu nicht genügend erwogen
(mitunter ergeben sich gerade dadurch Schwierigkeiten der Interpretation
, 18 5—187); durch das Bestimmtsein des Evangeliums
für die Kirche ist diese Möglichkeit ja wohl nicht aufgehoben.
Doch scheinen mir wesentliche Züge des Matth.-Verständnisses
richtig herausgestellt zu sein, etwa auch im Vergleich zu Luk.,
der die Vorgänge des Wunders stärker in den Blick rückt.

Die Dissertation von G. Barth untersucht „Das Gesetzesverständnis
des Evangelisten Matthäus" (54-154); vgl. den Bericht
des Verf.s in ThLZ 81 [1956] 481 f.). Die „starke Betonung
" sowohl „der Gerichtserwartung" wie „der Mahnung zum
Tun des Willens Gottes" in Matth. (54), heißt es zu Beginn,
müsse „ihren Grund in der Situation des Verfassers bzw. seiner
Gemeinde haben" (58). Matth, wende sich, heißt es zuletzt, gegen
Antinomisten, die sich für ihren (ungnostischen) ibert^'
mus auf die Abschaffung des Gesetzes durch Christus und im Blick
auf ihren Mangel an Werken auf ihre Charismen beriefen
(149_154). Das tragen m.E. die angezogenen Stellen nicht. Nach
Barth stellt Matth, „die Aufrichtung des Rechtes Gottes" durch