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1960 Nr. 11

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 11

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parenz des letzten Seins- und Sinngrundes, die als sinngebende
Mitte aller Geschichte jedem einzelnen, jeder „sozialen Existenz",
dem ganzen Universum gilt.

Dieser Absolutheitsanspruch kommt nur Christus zu, und
nicht dem Christentum, was aber nicht besagt, daß damit die
Kirche aus dieser Universalität ausgeschlossen wäre. Chri6tus ist
nicht Christus ohne die Kirche, und die Kirche ist nicht Kirche
ohne Christus. Allein in der Kirche erfolgt die Aufnahme und
Verwirklichung dieser letztgültigen Offenbarung, in ihr sind
Offenbarungsgeschichte und Heilsgeschichte dieselbe Geschichte,
und d. h., in ihr wird der Mensch der universalen Erlösung in der
Überwindung der existentiellen Konflikte im „Neuen Sein"
teilhaftig.

Die autonome Vernunft ist dann nicht mehr ein in sich geschlossenes
rationales System. Durch Christus erlangt sie Tiefe.
Dementsprechend vollzieht sich die heteronome Vernunft nicht
mehr im Gegensatz zur rationalen Vernunft. Beide vereinen sich
in der das Neue Sein begründenden Theonomie.

Desgleichen werden audi die weiteren Konflikte gelöst, die
sich auf den Konflikt zwischen dem konkret Denkbaren und dem
absolut Irrationalen reduzieren lassen. D. h.: durch Jesus Christus
als dem konkret einmaligen und zugleich universal letztgültigen
Faktum wird auch der Mensch als ein immer je einmaliger
in die Universalität eingeschlossen. Er lebt vom irrationalen
Grunde her.

Kraft dieser Universalität der Erlösung wird also nicht nur
der Mensch ein neues Wesen; die Erlösung betrifft auch die unter
den Bedingungen der Existenz 6ich vollziehende subjektive und
objektive Vernunft, welche sich als Logos in sämtlichen Wirklichkeitsbereichen
und Kulturphänomenen äußert. Alles, was ist und
geschieht, offenbart die Tiefe des irrationalen Grundes, was T.
mit der Wendung: „Die Dinge gehen uns dann unbedingt an"
ausdrückt. Und in allen Formen rationalen Schaffens kommt die
ontologische Vernunft zur Geltung. „Die Religion wird zur Substanz
der Kultur, und die Kultur zur Form der Religion".

Damit wäre der Zirkel der Korrelation geschlossen. Der analytische
Weg in ihm beginnt methodisch — unter Voraussetzung
der Offenbarung in Jesus Christus — bei der Zeit- und Vernunftkritik
, und er endet beim sämtliche Wirklichkeits- und Kulturbereiche
in sich zentrierenden Neuen Sein des Menschen. Die
Mitte und zugleich letzte Klammer aller Wirklichkeit ist Jesus
Christus, das konkrete und universale Heilsereignis, in dem alle
Konflikte des Menschen und der Welt vom Grunde Gottes her
überwunden 6ind.

VON PERSONEN

Wilhelm Koepp i

Am 1. November 1960 feiert Wilhelm Koepp seinen 7 5. Geburtstag1
. Der Jubilar hat im Jahre 1927 einmal einen Andachtband unter
den Titel „Der Herr in der Zeit" gestellt. Dieses Thema darf man auch
über sein wissenschaftliches Lebenswerk setzen. Von zwei Seiten her ist
es ihm zugewachsen. Den Schüler zog die Persönlichkeit des Berliner
Arztes Emsmann in ihren Bann, der in Bibelkreisen junge Menschen ganz
auf die Art der Jugendbewegung um sich sammelte und 6ie im Sinne einer
undogmatisdien, wohl audi kirchenfernen, immer aber dem Gegenwärtigen
nahen Jesusfrömmigkeit zu erziehen suchte. Den Studenten prägte
die Gestalt Reinhold Seebergs mit dem „ewig jungen Thema der Erlanger
Schule", die „alte Wahrheit in neuer Weise zu lehren". Divergenzen
und Konvergenzen dieser beiden Eindrücke haben Wilhelm Koepp bestimmt
. Sein wissenschaftliches Werk setzte an im Bereich der Frömmigkeitsgeschichte
des Luthertums. Unter historischem Blickwinkel schrieb
er über Johann Arndt und über das „Dogma von der Unio mystica im
Luthertum". Dann bezog er den frömmigkeitsgeschichtlichen Ansatz auf
die Gegenwart jener Zeit und unternahm in einem Einführungswerk in
die Religionspsychologie eine Darstellung und Kritik dieser eben neu
entstehenden theologischen Disziplin. Es war Koepps Absicht, die Religion
ganz allgemein als „seelische Wirklichkeit" ins Auge zu fassen, doch
schien ihm schon damals eine phänomenologische Methodik weit geeigneter
für die Erfassung des „letzten Ziels" jeder Frömmigkeitswei6e zu
sein als das religionspsychologische Experiment. Von hier aus wollte die
„Grundlegung der induktiven Theologie", doch wohl geleitet von Seebergs
kritischem Idealismus, zu einer „Philosophie der Offenbarung"
vorstoßen. Der Durchführung dieses Programms galt das wissenschaftliche
Hauptwerk des Jubilars, die „Panagape", die den Untertitel „eine
Metaphysik des Christentums" führte. Das Buch, das nahe an eine gno-

*) Zu seinem 70. Geburtstag wurde Wilhelm Koepp eine von Kollegen
und Schülern verfaßte Festgabe in maschinenschriftlicher Form überreicht
.

n 75. Geburtstag

stisierende Thematik grenzt, die damit gegebene Gefahr jedoch stets im
Auge behält, will das „Kennen" Gottes im Glauben zum „Erkennen"
Gottes im christlichen Denken sprechen lassen. Ferdinand Kattenbusch
hat seinen Inhalt unübertroffen mit den Worten charakterisiert, er sähe
Koepps Bemühen „geleitet von l.Joh. 4, 16 ff., wo der Theologie' die
Aufgabe gestellt ist, die Ideen ,#£<V und ,ayanr', jede für sich und
doch als identisch zu .ergründen', so zwar, daß beide sich darstellen in
einem ,eaxtv', in dem wir als .glaubende' mit sind." Kurz nachdem die
„Panagape" vollendet war, 6ah sich Koepp in eine ihn sehr bewegende
Auseinandersetzung mit der Existenzphilosophie und der Dialektischen
Theologie hineingezogen. Die Zeitgestalt des Evangeliums begegnete
auf neue Weise. „Ich erfuhr etwas wie einen neuen Durchbruch zu einer
neuen Tiefe." Glaubensgnosis und Glaubensrealismus traten zurück zugunsten
eines theologischen Entwurfs, der alle theologische Rede als
Selbstauslegung der Offenbarung „an das Dasein im Dasein" zu fassen
unternahm. Jetzt entstand die „Einführung in die Evangelische Dogma-
tik", die das neugewonnene Offenbarungsverständnis mit einem von
Seeberg überkommenen aktuosen Gottesbegriff und der voll durchgebildeten
phänomenologischen Methodik verband. Die spätere theologische
Arbeit Koepps galt theologischen Einzelthemen in einem weitgespannten
Rahmen. Es entstand das in sich geschlossene Werk der „Erziehung
unter dem Evangelium", dem Jubilar selbst vielleicht die liebste
6einer Arbeiten. Studien zur germanischen Religionsgesdiichte, zur Hamann
-Deutung, zur Morphologie des Wandererleitbildes schlössen sich
an. Auch die hübsche kleine Edition der Brautbriefe Cremers darf erwähnt
sein. Das Grundthema der Arbeit Koepps in Vorlesungen und
Veröffentlichungen aber blieb der Versuch, der fortwährenden Gegenwart
des Herrn in einer sich wandelnden Zeit nachzudenken: „Gott ist im
Himmel, und Gott wird Fleisch. Es ist kein Zweifel, daß beides paradox
gleiche Wahrheit ist, und daß doch in dem zweiten das eigentliche Herz
des Evangeliums schlägt."

Halle/Saale Martin Seils

Bibliographie Hans Joachim Iwand

(Ergänzung und Weiterführung der in H. J. Iwand, „Um den rechten Glauben ", München 1959, S. 269—277, erschienenen Bibliographie.)

Zusammengestellt von Reinhard Tietz und Emmy Walther, Bonn

1924

1. Über die methodische Verwendung von Antinomien in der Religionsphilosophie
Dargestellt an Karl Heims „Glaubensgewißheit",
Theol. Diss. Königsberg. Maschinenschrift.

1929

2. Gesetz und Evangelium bei Luther. ChuW 5, 1929, 209—218.

3. Rez.: H. Reiner, Freiheit, Wollen und Aktivität, 1927. ThLZ 54,
1929, 282—284.

4. Rez.: J. W. Schmidt-Japing, Die chri6tologischen Anschauungen der
dialektischen Theologie, 192 5. ThLZ 54, 1929, 28 5.

5. Rez.: A. Oepke, Karl Barth und die Mystik, 1928. ThLZ 54, 1929,
286.

1937

Vor dem Sturm. Vortrag am 22. 4. 1937 vor ostpreußischen Pfarrern
gehalten, hrsg. v. Bruderrat der Bekennenden Kirche der Altpreußischen
Union, Durlach, 10 S.

Da6 Wort sie sollen lassen stahn. Predigt [über Hebr. 13, 12—14],
Wuppertal-Elberfeld o. L, 4 S.

1940

Vorwort [zu]: E.Kienitz, Das Opfer der größten Liebe. Zehn Predigten
aus der Passions- und Verklärungszeit, hrsg. v. H. J. Iwand.
Siegen: Schneider, S. 3—6.

1942

Zu Edmund Schlink, Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften,
ThBl 21, 1942, 158—169.