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Ausgabe:

1960

Spalte:

829-832

Autor/Hrsg.:

Koch, Klaus

Titel/Untertitel:

Die Weltreiche im Danielbuch 1960

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Theologis che Literaturzeitung 1960 Nr. 11

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6ephsgeschichte im Palästina der Königszeit entstanden ist —
und alle Einzelheiten können das nur bestätigen, auch die von
Vergote aufgeführten. Denn 6ie können bei genauerer Untersuchung
doch nicht darüber hinwegtäuschen, aus welch großem
Abstand das vermeintliche ägyptische Eigenleben in der Josephsgeschichte
gesehen wird. Vergotes Ergebnis läßt sich cum grano
salis umkehren: Es gibt in der Josephsgeschichte nichts, was
ägyptische Authentität beweisen könnte, — um so aufschlußreicher
aber ist, was man im Israel der Königszeit von Ägypten
tarsächlich wußte oder wie man es sich zumindest vorstellte.

Mit diesen Feststellungen trifft es sich recht gut, daß entscheidende
Details der Josephsgeschichte — herkömmlicherweise
und auch von Vergote — dem Elohisten zugewiesen werden.
Damit bestätigt sich auch für die Josephsgeschichte, was für

Israels Frühzeitüberlieferungen überhaupt gilt: Je weiter eine Erzählung
sich von den erzählten Ereignissen entfernt, um so
stärker wird das Interesse an Nebenumständen, Titeln, Namen,
Institutionen und Örtlichkeiten. Man wird deshalb nicht zu weit
gehen, wenn man sagt, daß sich in der Josephsgeschichte Erinnerungen
und Erfahrungen spiegeln, die man erst im Laufe der
Königszeit mit Ägypten gemacht oder über Ägypten gesammelt
hatte, etwa auf dem Wege von Handelsbeziehungen oder durch
militärische Berührungen. In diesem Sinne hatte sich bereits
im Jahre 1904 Wilhelm Spiegelberg zu den Problemen geäußert,
die die Josephsgeschichte dem Ägyptologen stellt (Spiegelberg,
Der Aufenthalt Israels in Ägypten im Lichte der ägyptischen
Monumente (1904), S. 25 f.). Vgl. auch Janssen, Jaarbericht van
het Vooraziatisch-Egyptisch Genootschap Ex Oriente Lux Nr. 14
(1955/56), S. 63-72.

Die Weltreiche im Danielbuch

Von Klaus Koch, Wuppertal

(Kurzfassung)

Es ist gegenwärtig in der Forschung fast allgemein anerkannt
, daß die jetzige Gestalt des Buches Daniel aus der Zeit
des makkabäischen Aufstandes stamme, daß aber damals auf eine
Reihe sehr viel älterer, mündlich oder gar schriftlich bereits
zusammengefaßter aramäischer Legenden — nämlich den Grundstock
von c. (1) 2—6 — und eine jetzt in c. 7 eingebaute, ebenfalls
aramäische Visionsschilderung zurückgegriffen wurde. Strittig
erscheint nur, ob die jetzige (hebräische) Gestalt von c. 1 und die
Visionsschilderungen c. 8—12 von einem einzigen Schriftsteller
um die Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts verfaßt
worden sind.

Doch ist bisher übersehen worden, daß dieser makkabäische
Verfasser(kreis) dem ganzen Buch, als auch den übernommenen
Stoffen, eine planvolle Einteilung gegeben hat. Die
Legenden c. 1—6 und ebenso die Visionsschilderungen c. 7—12
sind nämlich nach ihren Überschriften 60 geordnet, daß beide
Komplexe jeweils von einer Tätigkeit des Helden Daniel sowohl
in babylonischer wie in medischer und persischer Zeit zu berichten
wissen. So spielen c. 1—5 in babylonischer, c. 6 aber in medischer
Zeit, und am Ende dieses Kapitels wird ausdrücklich vermerkt
, daß Daniel auch noch unter „Kyros, dem Per6er" erfolgreich
gewirkt hat; andererseits werden von den Visionsschilderungen
die beiden ersten der babylonischen, die dritte der medi-
schen und die vierte der persischen Epoche zugewiesen. Bei der
Rolle, welche die verschiedenen Weltreiche auch abgesehen von
den Überschriften innerhalb der Gesichte Daniels spielen, läßt
sich vermuten, daß solche Anordnung System ist. Diese Annahme
wird bestätigt durch den (für viele Ausleger unerklärlichen) Satz,
welcher 1,21 das Einführungskapitel von der Aufnahme Daniels
an den babylonischen Hof beschließt: „Daniel lebte (dort) bis
zum 1. Jahre Kyros, des Persers." Warum wird die Wirksamkeit
dieses Daniel über einen so unwahrscheinlich langen Zeitraum
ausgedehnt? Offensichtlich ist es für die drei ersten
Weltreiche bedeutsam, daß der jüdische Seher ihren
Königen — beim dritten Weltreich wenigstens dem ersten — zur
Seite tritt und ihnen kraft des „Geistes Gottes" (4, 5 f. 15; vgl.
2, 27 f.) R a t erteilt und über die Zukunft Aufschluß gibt.

liehe Bosheit ihren Höhepunkt, er ist insofern „verschieden"
von all seinen — auch seinen makedonischen — Vorgängern
7, 24.

Ist der makkabäische Verfasser(kreis) bestrebt, die Zeit
der Diadochen als fortschreitenden Verfall
verständlich zu machen, so bedeutet das keinesfalls, daß er die
drei übrigen Reiche schechthin auf einer Ebene sähe. Sie werden
zwar insofern dem vierten gegenüber als eine Einheit empfunden,
als sie dem Willen Gottes entsprechen, so daß Daniel und seine
Freunde sich ihnen unbedenklich zur Verfügung stellen können;
diese heidnischen Staaten empfangen eine innerzeitliche Rechtfertigung
— eine überraschende Weitherzigkeit bei Juden der
Makkabäerzeit. Aber das unheilvolle Gefälle der Geschichte
hebt 6chon bei ihnen an; das erste, babylonische Reich
erscheint als d a s b e s t e, es hat 7, 4 nicht von ungefähr fast
menschliche Art im Vergleich zu der rein tierischen bzw. untierischen
der folgenden Reiche; als das goldene Haupt wird es
c. 2 herausgestrichen.

Durch eine genauere Untersuchung von c. 1 und 9 läßt
sich aufweisen, daß die vier Weltreiche nicht nur die
Erfüllung israelitischer Profetie, sondern auch die Fortsetzer
einer eigenständigen Geschichte Israels
darstellen. Mit dem König Jojakim und den heiligen Geräten ist
das Zentrum der „Heilsgeschichte" von Jerusalem nach Babylon
verlegt worden. Zwar bleibt Israel Volk des Bundes und insofern
in einem besonderen Verhältnis zu Gott, aber das göttliche
Handeln zielt nun über Israel hinaus auf ein allgemein-menschliches
Heil, wie denn der kommende Menschensohn die Herrschaft
über alle Völker, Nationen und Sprachen antreten wird
7, 14 — mit der Herrschaft zugleich aber auch die Fürsorge!

So liegt dem Buch tatsächlich ein weltgeschichtlicher
Entwurf zugrunde, der erste in der Geschichte der
Menschheit. Im Ablauf der Staaten sieht er das Kommen eines
letzten, endgültigen Weltreichs sich vorbereiten, zu dem sowohl
die israelitische Vorzeit wie die Epoche altorientalischcr Groß-
reichtsbildungen notwendige Vorstufen darstellen. Zu diesem
Entwurf wird der Verfasser(kreis) nicht nur von bestimmten pro-

Llm so auffälliger ist, daß dem letzten der irdischen Reiche fetischen Stellen, sondern ebenso, ja noch mehr von gewissen

keine dem Daniel ebenbürtige Persönlichkeit zugewiesen und
'«eine Legende oder Vision in seine Ära datiert wird. Damit ist
es des göttlichen Beistandes bar. Diese Herrschaft, die grie

orientalischen mythologischen Schemata her angeregt (Riesenhafter
Völkerkörper, Wechsel von vier durch Metalle bestimmten
Weltaltern, Geburt von Großreichen aus dem Urmecr, Er-

chisch-makcdonische, wird deshalb in c. 7 als ein alles zermal- ! Wartung eines orientalischen Heilsreichcs nach makedonischer
nendes Untier dargestellt, während die drei vorhergehenden Fremdherrschaft); aber diese Überlieferungen werden hier zum
Herrschaften noch die Züge von (mythisch ausgeschmückten) Entwurf eines sinnvollen, zielstrebigen Geschichtsablaufes ver-
Tieren zeigen. Das vierte Reich gilt als grundsätzlich bunden. Das ist deshalb möglich, weil von den religiösen Tradi-
-•verschieden" von allen vorhergehenden 7, 7. 19. 23. i tionen Israels her der äußere Ablauf zugleich als
2war nimmt es noch einen verhältnismäßig guten Anfang, aber ! ein innerer gefaßt werden kann, dem politischen Geschehen
HB Lauf der Zeit tritt der Hang zur Überheblichkeit und Selbst- ! entspricht von daher ein geistig-religiöses: Der tierische und un-
vergötzung bei seinen Königen immer deutlicher hervor (bei der [ tierische Zug der Weltreiche c. 7 kennzeichnet nicht nur das We-
Darstellung Alexanders 11,3 wird noch auf ein abfälliges Urteil ! sen der Herrscher, sondern zugleich auch notwendig der Unterverzichtet
, dagegen ist der Hinweis auf Antiochus III. 11, 16—18 tanen; wahrhaft menschliche Existenz ist zu diesen Zeiten nicht
schon offensichlich negativ gemeint); ja in dem letzten König, möglich; deshalb wird den „Tieren" bewußt der „Mensch" gegen-
dem „Verächtlichen", Antiochus IV. Epiphanes, erreicht mensch- übergestellt, der durch seine Regierungsübernahme die Mensch-