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Ausgabe:

1960 Nr. 11

Spalte:

821-822

Autor/Hrsg.:

Schultz, Werner

Titel/Untertitel:

Hegels Interpretation des indischen Geistes 1960

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 11

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sein religiöser Charakter völlig zurückgedrängt worden ist. Ihm
ist in der Tat „die Seele genommen, wenn es sein Dasein im
psychologischen Laboratorium fristen soll"1*. Es wäre hier vom
Mißverständnis, ja, vom Mißbrauch einer Religion zu reden,
wenn es sich nicht selbst in solcher Form, eben vor allem durch
den psychologisch geschulten D. T. Suzuki, dem Westen anböte.
Auch hier geht etwas vor sich, was als Kunstgriff der Pflege der
Angepaßten Wahrheit dient.

Es ist ein überaus gefährlicher Weg, auf den sich der Buddhismus
im Westen damit begeben hat. Wohl ist er in seiner langen
Geschichte durch die Aufnahme anderer Religionen oft nahezu
bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden, aber er hat dabei niemals
seine religiöse Substanz verloren. Jetzt gerät er in den

") H. Dumoulin, Zen, Bern 1959, S. 279.

Bannkreis säkularer, areligiöser Kräfte, vollends dort, wo er
glaubt, auch den Kommunismus „geschickt anwenden" zu können
. Da droht ihm Entfremdung von seinem Urgrund.

Daß der Buddhismus auch das Christentum seinem Kunstgriff
zu unterwerfen vermag, ist bekannt. Für die christliche
Verkündigung entsteht dadurch, daß sie ihm jetzt nicht mehr
nur auf entlegenen Missionsfeldern, sondern in ihren eigensten
Bezirken begegnet, eine neue Situation. Sie ist um so mehr genötigt
, sich neu und entscheidender, als bisher in ihrer Praxis
zum Ausdruck gekommen ist, darauf zu besinnen, daß sie den
Menschen, der als Buddhi6t auf zwei Ebenen der Wahrheit lebt
und sich religiös sichert, durch ihr Zeugnis von der in Christus
Geschichte gewordenen Gotteswahrheit und -Wirklichkeit in
sein Gegenüber vor Gott und damit in seine von Grund aus
„neue Schöpfung" zu rufen hat.

Hegels Interpretation des indischen Geistes

Von Werner Schultz, Kiel

(Kurzfassung)

Gegenstand der Untersuchung ist nicht — wie bei den analogen
Arbeiten von Kreis, Schoeps, Mensching u. a. — die Frage,
wie Hegel die indischen Religionen und Denksysteme in ihrer
historischen Faktizität begriffen hat, und welche Resultate dieses
Begreifens evt. der heutigen Religionswissenschaft noch standhalten
. Vielmehr geht e6 in dieser Untersuchung um die Frage,
wie Hegel die wesentlichen Strukturen des indischen Denkens
gedeutet hat, und welche Stellung dies von ihm gedeutete Denken
innerhalb seiner eigenen philosophischen Gesamtthematik
einnimmt. Da er sich in immer neuen Anläufen mit dem indischen

Wollen, in beiden Fällen in der dialektischen Bewegung des An-
sich-seins über das Für-sich-sein zum An- und — für-sich-sein.

Die Untersuchung beschäftigt sich sodann mit den Erscheinungsformen
des westlichen Denkens, die Hegel als parallele Erscheinungen
zum indischen Geist empfunden hat: dem Eleatismus
und Spinozismus, der Aufklärung und Romantik und der Gefühlstheologie
Schleiermachers. Es ist auffallend, daß Hegel gegen sie
zu fast den gleichen Vorwürfen geführt wird, die er dann gegen
den indischen Geist erhebt: Abstraktheit, Traumwirklichkeit,
Unfreiheit, Geschichtslosigkeit, Verharren im Agnostizismus usw.

Denken befaßt hat, liegt die Vermutung nahe, daß er gespürt n j... T JTTi. , , „ ., , v

hat, daß durch dieses Denken sein eigenes philosophisches An- „ f>er dnttf. ™ d" Untersuchung wendet sich der Kritik
H.„' „„^A,»A h«.«««^«r» „nd daß indische ,Hegels am indischen Geist selbst zu. Diese Kritik führte Hegel

liegen entscheidend herausgefordert wurde, und daß das indische «"»«™" ««« seiest zu. uiese Kr.nx runrre negei

Denken ihn auf eine Problematik aufmerksam machte, deren °"onJcrs z" dr" Feststellungen hm: 1 Im indischen Geist ver-

schweben alle Gegenstande zu wirklichkeitslosen Bildern, weshalb
dieser Geist nicht den Weg zur Geschichte und Wirklichkeit
hat finden können. 2. Er habe sich nicht zur echten Freiheit und

Lösung auch seinem philosophischen Ringen versagt blieb. Es
liegt die Annahme nahe, daß durch das indische Denken das
Gesamtthema seiner eigenen Philosophie in entscheidendem
Maße berührt wurde.

Um alle diese Fragen zu klären, bedarf es zunächst einer
einführenden Darstellung des eigentlich philosophischen Anliegens
Hegels. Er kämpft gegen zwei Extreme: 1. Gegen die völlige
Trennung von Wesen und Erscheinung, die eine Erstarrung
des Wesens und eine teilweise oder totale Entwirklichung der
Erscheinung zur Folge hat, und 2. gegen die Identifizierung von
Wesen und Erscheinung, die entweder zur Absorbierung des Endlichen
durch das Absolute oder zur Absorbierung des Absoluten
durch das Endliche führt. Im Gegensatz dazu will Hegel zwischen
Wesen und Erscheinung eine dialektische Einheit stiften, in der
das Endliche als solches belassen, in die es „aufgehoben" wird
und als begrenzter Ausdruck des Absoluten begriffen wird. Das
Absolute muß als absolute Tätigkeit gedacht werden, die sich
durch Setzung des Endlichen selbst begrenzt und über diese
Selbstbegrenzung zu sich selbst in einer höheren Einheit zurückkehrt
. Die Überwindung des Gegensatzes von Wesen und Erscheinung
erfolgt entweder durch das Denken oder durch das

Gemeinschaft durchringen können, sondern sei im Willkürlichen
und Despotischen stecken geblieben. 3. Er habe keine konkreten
Aussagen über das der Erscheinungswelt zugrunde liegende Gesetz
machen können, sondern hätte stattdessen, wie beim Buddhismus
, „die Flucht ins Leere" angetreten und sei einem
Agnostizismus verfallen, den Hegel auch in der Theologie seiner
Zeit wiederzufinden glaubte (vgl. Schleiermacher).

Ein vierter abschließender Teil sucht dann die Frage zu klären
, wie es kommt, daß bei der offenkundlichen kritischen Haltung
Hegels dem östlichen Denken gegenüber die Tatsache festzustellen
ist. daß namhafte Vertreter dieses Denkens von der
russischen bis zur japanischen Philosophie sich immer wieder zu
Hegel hingezogen gefühlt haben. Die Antwort darauf dürfte in
der Richtung auf den Sachverhalt zu suchen sein, daß in Hegels
Philosophie selbst starke mystische Tendenzen wirksam sind,
die ihn auch oft dazu geführt haben, das Besondere wieder in das
Allgemeine zurückzunehmen, wie er es beim indischen Denken
kritisch feststellt.

ALTTESTAMENTLICHE SEKTION

(Leitung: A. J e p s e n'Greifswald und W.Rudolph/Münster)
Zur Bedeutung der Schöpfungsvorstellung für die Religion Israels in vorexilischer Zeit

Von Karl-Heinz Bernhardt, Rostock

(Kurzfassung)

stehen am Anfang und im Zentrum des Credo in Israel (vgl. u. a.
besonders Ex. 20,2; Jos. 24, 4 ff.; I. Sam. 12, 6; Jer. 16, 14;
31, 31 f.; Hos. 2, 17; 11, 3; 13, 4).

2. Im Vergleich zu den Ägypten- und Auszugstraditionen
bleiben die Erzväterüberlieferungen im Glauben Israels auffällig
im Hintergrund, obwohl sie dodi nach ihrer Anordnung im Pen-
tateuch geradezu ak die für Israels Aufenthalt in Ägypten und
Jahwes Eingreifen notwendige und entscheidende Voraussetzung,
als vorbereitende Erwählungsgcschichte, erscheinen. Sie haben

1. Das Referat ging aus von der Beobachtung, daß es den
Tradenten der Ägypten- und Auszugsüberlieferungen im Buch
Exodus vor allem darum geht, Jahwe als den über andere Völker
"nd Götter mächtigen Gott zu erweisen, der die entscheidende
Befreiungstat vollziehen kann, auch wenn er als Gott Israels nur
Gott einer kleinen und unbedeutenden menschlichen Gemeinschaft
ist. Diese Traditionen haben aber dabei nicht nur die Bedeutung
eines einmaligen drastischen Machterweises Jahwes, sie
tragen vielmehr den Charakter einer Rcligionsbegründung. Sie