Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1960 Nr. 1

Spalte:

59-61

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Hutten, Kurt

Titel/Untertitel:

Seher, Grübler, Enthusiasten 1960

Rezensent:

Lau, Franz

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

59

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 1

60

H ä g g 1 u n d, Bengt: Rechtfertigung — Wiedergeburt — Erneuerung in
der nachreformatorischen Theologie.
Kerygma und Dogma 5, 1959 S. 318—337.

Hartmann, A.: Father Nidiolas Melo and Brother Nicholas of
St. Augustine, Martys O. E. S. A. (continuation and end).
Augustiniana IX, 1959 S. 277—303.

Hub er, Lucie: Jeremias Gotthelfs Berner Predigten dogmatisch und
homiletisch untersucht. II. Teil: Dogmatische Untersuchung der Berner
Predigten.

Zwingliana XI (1959) S. 117—152.
Kantzcnbach, Friedrich Wilhelm: Kants Philosophie und ihre vierfache
Wirkung auf Christen seiner Zeit.

Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte XI, 1959 S. 327—342.

— Heinrich Wilhelm Josias Thiersdi. Ein Theologe zwischen Protestantismus
und Katholizismus.

Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts 10, 1959 S. 1—5
Kupisch. Karl: Dahlem 1934.

Evangelische Theologie 19, 1959 S. 487—505.

— Zur Geschichtsschreibung des Kirchenkampfes.
Die Zeichen der Zeit 13, 1959 S. 368—375.

N i e m ö 11 e r, Wilhelm: Birger Forell.

Evangelische Theologie 19, 1959 S. 470—474.
V i n a y, Valdo: Luigi Desanctis og den italienske evangelismc under

Risorgimento.

Norsk Teologisk Tidsskrift 60, 1959 S. 129—146.

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

u 11 e n, Kurt: Seher, Grübler, Enthusiasten, Sekten und religiöse
Sondergemeinschaften der Gegenwart. 5., erneut überarb. u. erw.
Aufl. Stuttgart: Quell - Verlag [1958]. 751 S., 35 Abb. 8°. Lw.
DM 27.80.

recht gescheite Leser merken dann gleich, ob die Literatur wirklich
verarbeitet ist oder ob das Literaturverzeichnis eine Art
Potemkinsches Dorf darstellt. Die Literaturangaben bei Hutten,
die in der neuesten, fünften Auflage an den Anfang jedes Paragraphen
gestellt sind (es ist gut 6o!) und nicht mehr wie früher
in einem Anhang erscheinen, konnten so nicht Zustandekommen.
Gegenüber dem Schrifttum der Sekten versagen die seriösesten
Bibliotheken in der Regel, und nicht einmal die Bibliotheken,
die alles erechienene Schrifttum vollständig zu sammeln suchen,
erreichen bei der Sektenliteratur tatsächlich auch nur näherungsweise
wirkliche Vollständigkeit. Daß Aufspüren des Sektenschrifttums
ist schon eine Forschungsleistung für sich; und dessen,
daß es wirklich verarbeitet ist, kann man 6icher sein. Weil es so
schwierig ist, Sektensdiriften genau zu ermitteln, möchte man
beinahe fragen, ob es nicht möglich wäre, Verlag und Verlagsorte
bzw. Drucker und Druckorte mit anzugeben. Aber nun
möchte vor allem gesagt werden, daß Hutten etwas Gewaltiges
auf sich genommen hat damit, daß er über alle Sekten selber geschrieben
hat; und man möchte ihn dringend bitten, ja nichts
daran zu ändern. Bei den Sekten ist es sicher schwerer als bei den
Großkirchen und Freikirchen, nicht einen Sammelband herauszubringen
, sondern eine einheitliche Darstellung; aber es ist bei
ihnen auch am nötigsten. Wenn gar die Sekten von den Sektierern
selbst dargestellt würden, würde der Eindruck, der einen
schon bei dem Freikirchen- und dem Großkirchenbuch etwas beschwert
, sich erheblich verstärken; ja wahrscheinlich würde etwas
ganz Ungeheuerliches herauskommen. Aber auch eine Aufteilung
der Sekten auf verschiedene Darsteller und Beurteiler aus dem
landeskirchlichen Raum würde wesentlich mehr Nachteile als
Vorteile mit 6ich bringen. Natürlich wird mancher hier und da
etwas anders urteilen als Hutten und nun eben Huttens Standpunkt
überall wiederfinden; aber daß in einem Sektenbuch aus
einheitlicher Sicht über alle Sekten geurteilt wird, ist hoch bedeutsam
. Dafür, daß wir den Sektenkenner noch haben, der selbständig
und nicht im Kollektiv arbeiten kann, wollen wir sehr dankbar
sein.

Daß Hutten in der neuen Auflage Darstellung und Beurteilung
schärfer getrennt hat als früher und den Schwerpunkt etwas
nach der Darstellung hin verlagert hat, hat wohl praktische
Gründe, und die überzeugen. Die Zahl der Sekten, die Hutten in
seine Darstellung einbezieht, ist zum zweiten Male erheblich vergrößert
worden. Es ist nützlich, in manchen Fällen erst ein paar
Gruppen darzustellen und dann eine gemeinsame Beurteilung zu
bieten.

Im Jahre 1905 gab Ernst Kalb ein Sammelwerk heraus
„Kirchen und Sekten der Gegenwart". Das war das, was man
heute eine Konfessionskunde nennt. Die „großen Kirchen"
waren ausführlich mit behandelt. Einer Reihe von heute 60g.
Freikirchen und Sekten waren aber Sonderabhandlungen gewidmet
in einem Umfange, in dem das damals in Lehrbüchern der Symbolik
oder Konfessionskunde noch nicht üblich war. An die Stelle
des „Kalb" ist später der „Scheurlen" getreten, erstmalig
1912, 1930 aber in 4. Auflage erschienen. Er ließ die Großkirchen
beiseite, unterschied noch nicht zwischen Freikirchen und Sekten
und ist seinerzeit als das bestorientierte, auf wissenschaftlicher
Grundlage aufgebaute Buch über die Sekten bezeichnet worden
(ZKG 1930, 493). Der „Scheurlen" ist nun auch dahin, und an
seine Stelle ist der „Hütte n" getreten. Er beschränkte sich,
als er 1950 das erste Mal erschien, auf die Sekten i. e. S. und ließ
die Freikirchen beiseite. Für die gab Ulrich Kunz einen eigenen
Sammelband heraus: „Viele Glieder — ein Leib" (1953), so, daß
jeweils ein Repräsentant einer Freikirche über eine Kirdie schrieb,
natürlich sehr positiv, bestenfalls mit einer homöopathischen
Dosis Selbstkritik. Für das dritte Stüde des konfessionskundlichen
Kleeblattes hat Helmut Lamparter die Verantwortung übernommen
(„Und ihr Netz zerriß", 1957); in dem Buche schreiben
sehr prominente Persönlichkeiten über die „Großkirche", die sie
vertreten, und des Rühmens will es gelegentlich kein Ende haben
(Bischof Neill über die Anglikanische Kirche).

Huttens Sektenbuch mit dem gut gewählten Titel ist das
einzige unter den drei genannten Werken, das aus einem Guß
ist. Hutten hat sich beraten lassen, und die Vertreter mancher
Sekte, von der man das nicht hatte glauben mögen, sind ihm, dem
liebenswürdigen und gelehrten Frager gegenüber gesprächig geworden
. Gute Darstellungen einzelner Sekten (sie sind 6elten)
hat Hutten benutzt. Aber wirklich gearbeitet hat er alles allein.
Das ist nicht ganz ohne Gefahren — wer die fünf Auflagen des
Hutten (wichtig 1, 3 und 5) durchstudiert, merkt, daß Hutten
erst allmählich in die und jene Sekte ganz hineingewachsen ist.
Was für eine immense Arbeitsleistung in dem Sektenband investiert
ist, wird einem erst voll deutlich, wenn man Huttens
Sektenbibliothek einmal hat sehen dürfen - ganze große Regale
voller lauter kleiner „Heftchen", die man vermutlich nirgends
sonst so beisammen findet. Umfängliche Literaturverzeichnisse
findet man auch in vielen anderen Büchern. Man kann solche aus
Bibliographien und Bibliothekskatalogen zusammenstellen; nur

Zum Hutten wäre noch viel zu 6agen. Er ist mit wissenschaftlicher
Gründlichkeit gearbeitet, aber nicht nur für die
Wissenschaft, sondern vor allem für die Praxis bestimmt. Verfasser
schenkt sich nichts bei der gedanklichen Auseinandersetzung
mit den Sekten; er macht aber auch mit vielfach trefflich
ausgewählten Beispielen die Dinge anschaulich. Zu Fragen, wie
getauft wird (Ritus und Formel) und wie man zu den Taufen, die
bei anderen Glaubensgemeinschaften vollzogen sind, steht usw.,
ist mehr gesagt als in den früheren Auflagen. Aber es geht nicht
an, auf weitere Einzelheiten noch einzugehen, möchten sie noch
so wichtig sein.

Nur eine Frage soll noch zur Sprache gebracht werden, die
nach der Einteilung der Sekten. Hutten bildet, wie allgemeiu
üblich, Sachgruppen und ordnet die Sekten zusammen, die die
Wiederkunftserwartung, das Geisterlebnis, die Heiligung U6w. in
den Vordergrund stellen. So ganz befriedigend ist das nicht. In
der Wirklichkeit verschlingen sich die Motive so stark, daß in
vielen Fällen die Einordnung einer Sekte in eine bestimmte
Gruppe nur mit einiger Willkür möglich ist. Ein katholischer Forscher
, Hammerschmidt, hat 1955 eine Kenfessionskundc
unter ganz streng historischem Gesichtspunkt geschrieben. Die
Konsequenz bei der Durchführung 6eines Prinzips verdient Achtung
; aber man muß dann doch sagen: So, wie es Hammerschmidt
versucht hat, geht es nicht. Sekten, die längst tot oder ganz verkümmert
sind, sind unter geschichtlichem Aspekt u. U. von größter
Bedeutung und müssen recht ausführlich mit behandelt werden
, nehmen aber lebenden Sekten Raum in der Darstellung weg.
und das beeinträchtigt erheblich den praktischen Wert des Buches