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Ausgabe:

1960 Nr. 1

Spalte:

58

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Das Werk, zweite Hälfte 1960

Rezensent:

Krimm, Herbert

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 1

58

Stift regieren wollte, und den Vermittlungsversuchen, die die Repetenten
, der Ephorus, das Consistorium und auch der Minister
6elbst immer wieder unternahmen, weil sie deutlicher als der Fürst
6ahen, wie scharfe Gesetze und Strafen allein nicht einmal Legalität
im Leben einer solchen Anstalt zu erreichen vermochten. Dieser
erste Abschnitt (S. 4—157) ist ein wörtlicher Abdruck der
Seiten 11-172 von Teil 3. Der zweite Ab schnitt des
neuen Bandes stellt „Das 19. Jahrhundert (1815-1910)"
in fünf Kapiteln dar. (VI. Kap. „Geschichtlicher Rahmen";
VII. Kap. „Der Verlauf des Reformzeitalters"; VIII. Kap. „Organisation
"; IX. Kap. „Bildungseinrichtungen"; X. Kap. „Das
Leben im Stift".) Auch in diesem zweiten Abschnitt des neuen
Bandes hat, unter die verschiedenen Kapitel verstreut, fast noch
der gesamte übrige Umfang des Bandes von 1936 in wörtlicher
Übernahme Platz gefunden. Wesentliche Erweiterungen und teilweise
durchgreifende Neubearbeitung erfuhren die Kapitel VI,
VII, IX und X. Ganz neu gearbeitet ist Kap. VIII. Hier wird
dargestellt, wie man im 19. Jahrhundert die organisatorischen
Probleme zu lösen versuchte, die durch die Stiftungsbestimmungen
des Stifts gestellt waren, also die Stellung der Anstalt zur Universität
und zur theologischen Fakultät, die Aufgabe und Stellung
der Repetenten zwischen Ephorus und Stiftlern und die
straffe Gliederung der Stiftsstudierenden in fünf bzw. vier Jahrespromotionen
. Im VI. und VII. Kapitel gelten die Erweiterungen
vor allem der breiteren Darstellung der Bestellung und der Amtsführung
der einzelnen Ephori des Stifts (Jäger, Sigwart, Walz.
Hoffmann, der spätere Berliner Oberhofprediger, und Oehler
der Beurteilung, die ihrerseits der jeweilige Stand des Stifts im
Vergleich zu dessen eigentlicher Aufgabe gefunden hat, und den
Vorschlägen, die sie zur Reform der Anstalt gemacht haben; vor
allem der Beratung über Abschaffung des Magisteriums, über Verkürzung
der Studienzeit der Stiftler von fünf auf vier Universitätsjahre
und über das infolge der Entwicklung an den Universitäten
immer größere Schwierigkeiten bereitende Problem, ob es
weiterhin verantwortet werden könne, nicht nur daß im Stift
Theologen, Philologen und Naturwissenschaftler zugleich studieren
, sondern daß die nicht-theologische Gruppe der Stiftler auch
verpflichtet sei zur Lebensordnung der Theologen, zum Hören
theologischer Vorlesungen, ja zur Ablegung einer theologischen
Prüfung. Ebenfalls eingehend dargestellt wird dann das Hereinwirken
der Revolution von 184 8 in das Stift und die wichtige Beratung
, die die erste württ. Landessynode 1869 der stiftungsgemäßen
Gestaltung der Anstalt gewidmet hat. Im IX. Kap. wird
gezeigt, welche Möglichkeiten das Stift seinen Studierenden, den
Theologen wie den Nichttheologen, geboten hat zu einer optimal
fruditbringenden Durchführung ihres Studiums, sowohl bezüglich
des eigentlichen Faches wie in Hinsicht auf die allgemeine Bildung.
Das letzte und umfangreichste Kapitel dieses zweiten Abschnitts
zeigt, wie unter der fortschreitenden Differenzierung der einzelnen
Wissenschaften und der Gesellschaft eine einheitliche Gestaltung
des Lebens im Stift immer schwieriger wird, wie der Liberale
und der Biblizist, der Burschenschaftler und der Pietist nebeneinander
stehen, und das Haus dennoch allen so viel an Geprägt-
heit mitgibt, daß man vom „Stiftler" und vom „Stiftsgeist" reden
kann. Mit der Würdigung der Amtszeit von Ephorus Buder
(1872—1910) kommt der zweite Abschnitt zum Schluß und hat
damit bereits die Schwelle zu unsrer Zeit überschritten. Ihr gilt
der dritte Abschnitt des Buches: „ Im 20. Jahrhundert
(1910—1950)". Auch in diesem Zeitraum ging das Stift
äußerlich und innerlich durch eine Reform. Der erste Weltkrieg
schnitt tief in das Stiftslcben ein. Die Jahre nach diesem gelten
dem Wiederaufbau. Und als die durchgreifende Erneuerung der
Gebäude und eine ebensolche Reform der Statuten abgeschlossen
war und im ersten Jahrzehnt nach dem ersten Weltkrieg sich bewahrt
hatte kam die Zeit des Nationalsozialismus. Und hier
wurde es vollends deutlich, wie richtig und segensreich eine große
Entscheidum: des Jahres 1928 war. der Überean? des Stifts als
„Evangelisches Stift" aus der Hand des Staates in die Leitung und
Verwaltung des Evang. Oberkirchenrats in Stuttgart. Das hat sich
ata ein starker Schutz erwiesen, der ein Fortgehen der theologischen
Arbeit ermöglichte trotz der zuweilen akuten Bedrohung
des Stifts seitens des dritten Reiches entsprechend dessen Eingriffen
in das Gefüge der Höheren Schule und der Universität. Und

nach dem Zusammenbruch von 1945 war das Stift die erste akademische
Einrichtung, der erlaubt wurde (schon zum 1. 7. 45), ihre
Arbeit mit den Theologiestudierenden wieder aufzunehmen.

Dem Bilde, das in Leubes Buch vom Stift gezeichnet ist,
merkt man sozusagen auf jeder Seite das Doppelte an, daß der
Verf. das Stift liebt und daß Dank gegen dieses Institut ihn bewegt
, aber ebenso, daß es ihm ein Anliegen ist, möglichst objektiv
den Weg dieser Anstalt durch die Jahrhunderte darzustellen.
Deswegen hat er keine Mühe gescheut, aus den Registraturen und
Archiven des Stiftsephorats, des Evang. Oberkirchenrats und des
Kultministeriums, aus Biographien und Briefen den Gang und Sinn
der Dinge an möglichst vielen konkreten Geschehnissen und
Äußerungen aufzuzeigen. Dies geschieht an manchen Punkten in
einem solchen Ausmaß, daß das richtige Verhältnis zwischen Einzelnem
und Ganzem, zwischen nicht uninteressanter Kleinigkeit
und dem Wesentlichen in Gefahr gerät. In einem auffallenden
Gegensatz hierzu hat Verf. db Darstellung der Jahre 1930—1950
behandelt. Gewiß, die Aufgabe eines Geschichtsschreibers wird
mit der Annäherung an die eigene Gegenwart immer schwieriger.
Das gilt auch für das vorliegende Buch. Gerade für die Berichterstattung
und das Urteil über die letzten im Buch behandelten
zwei Jahrzehnte hätte man sich eine ebenso durch farbige Konkretheit
gesättigte Darstellung gewünscht wie für das 19. Jahrhundert
. An Material dafür, nicht zuletzt an Berichten von Augen-
und Ohrenzeugen über die für das Stift wichtigen Ereignisse und
Verhältnisse hätte es sicher nicht gefehlt. Verf. hat 6ich hier aber
fast ausschließlich auf die Wiedergabe der Berichte des Stiftsephorats
beschränkt. Wahrscheinlich hat er diese Zurückhaltung
sich auferlegt im Streben nach möglichster Objektivität. Er hat
aber auf diese Weise im Vergleich mit der Gesamtdarstellung
seines Werkes auf die Lebendigkeit und das persönliche Fluidum
verzichtet, die jenem in den früheren Partien 60 stark das Gepräge
geben.

Tübingcn/Stuttg.-Degerloch Karl Fezer

Gerhardt, Martin: Friedrich von Bodelschwingh. Ein Lebensbild aus
der deutschen Kirchengeschichte, fortgeführt von A. Adam, Bd. II,
2. Hälfte: Das Werk. Bethel bei Bielefeld: Verlagshandlung der Anstalt
Bethel [1958]. VIII S., S. 273-800, 11 Taf., 1 färb. Falttaf. 8».
Lw. DM 13.50.

Der erste Band und die erste Hälfte des zweiten Bandes,
1950/52 erschienen, sind in der ThLZ bereits besprochen worden.
(Vgl. 1958/6, Sp. 449). Nun folgt der nach dem Tode des Verfassers
von dem Betheler Professor Adam vollendete abschließende
Band. Er behandelt von 1872 an das Lebenswerk Vater
Bodelschwinghs bis zu dessen Tod. Das vorletzte Kapitel enthält
eine Zusammenfassung der Theologie Bodelschwinghs. Adam hat
nur noch für einen Abschnitt, nämlich für den über „das eigene
Sozialwerk" eine Handschrift Gerhardts vorgefunden; alles andere
mußte neu ausgearbeitet werden. Aber der Leser findet keine
Nahtstelle zwischen den einzelnen Stücken. Adam hatte gerade
die wichtigsten Lebensabschnitte, in denen der innere Ausbau der
Anstalt sich vollzog und der Schritt in die Weite der Mission und
der öffentlichen sozialen Tätigkeit erfolgte, darzustellen. Er tut
e« ebenso flüssig wie genau; an dieser Darstellung wird keiner
mehr vorbeigehen können, der über Bodelschwingh zu arbeiten
versucht. Daß der Theologischen Woche und Theologischen
Schule besonders sorgfältig gedacht wird, ist sehr verständlich.
Das unerschöpfliche Leben dieses einmaligen Mannes liegt nun in
einer umfassenden und abschließenden Darstellung vor.

Heidelberg Herbert Krim«

B ä u m I i n, Richard: Die evangelische Kirche und der Staat in der
Schweiz seit dem Kulturkampf.

Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rcchhsgeschichte 76. 19 59 S. 249
bis 277.

Ceyssens, L.: La publication officielle de Ia bulle „In eminentl"

(1651—1653) (suite).

Augustiniana IX, 1959 S. 304—338.
DolIinger_ Robert: Altprotestantismus und Neuluthcrtum.

Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung 13, 1959 S. 330—333.