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Ausgabe:

1960 Nr. 10

Spalte:

791

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Britsch, Walter

Titel/Untertitel:

Die Berufsausuebung im Einzelhandel 1960

Rezensent:

Rosenberger, Gerd

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791

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 10

792

Rosenberger, Gerd: Gesetz und Evangelium in Luthers Antino-
merdisputationen. Diss. Mainz 1958. 106 S.

Die gegenwärtige Lutherforschung betont, daß der Reformator
neben dem Evangelium auch eine Verkündigung des Gesetzes an die
Gläubigen vertreten habe. Zur Bestimmung des Verhältnisses von Gesetz
und Evangelium nach seiner Sicht wählen wir die Antinomer-
disputationen aus den Jahren 1537/3 8, weil er in dieser Frontstellung
sich um eine klare Darstellung seiner Auffassung mühen mußte. In der
Widerlegung der Gegner begründet Luther die Gültigkeit der Gesetzespredigt
mit der Tatsache, daß Gesetz und Evangelium zwei Gegebenheiten
des göttlichen Willens sind, die nicht getrennt werden dürfen,
da das Evangelium nicht ohne das Gesetz verstanden werden kann, und
Christus selbst durch sein Werk die lex impleta und die lex implenda
uns vor Augen stellt.

Im ersten Teil unserer Untersuchung stellen wir fest, daß Luthers
Aussagen über das unerfüllte Gesetz das bleibende Amt des Gesetzes
als die Nötigung zum Transitus des Glaubens bestimmen. Das Gesetz
macht uns der Sünde gewiß, verkündigt als Wort des Zornes Gottes den
ewigen Tod. In dieser dem Evangelium entgegengesetzten Wirkungsweise
ist die Aufgabe mitgegeben, daß die lex „paedagogus in Christum"
ist. Vom Gesetz selbst aus ist diese Teleologie nicht einsichtig; sie kann
nur vom Evangelium her verstanden werden. Die nuda lex ist nicht
Christus und das Leben, aber der heilige Geist wirkt, daß die Verzweiflung
den Menschen zu Christus treibt. Gott will Gesetz und Evangelium
in ihrer entgegengesetzten Wirkungsweise verkündet haben, weil der
Arzt nur zum Kranken kommen muß. Die durch das Gesetz gewirkte
desperatio als Voraussetzung zur Rechtfertigung ist aber keine fromme
Leistung des Menschen, sondern ein Werk des heiligen Geistes, da die
iustificatio ein imputatives Handeln Gottes am Menschen ist.

Der zweite Teil behandelt das in Christus erfüllte Gesetz unter
dem Total- und Partial-Aspekt. Christus wird als finis legis von Luther
dahin verstanden, daß sein Sühnopfer der Gesetzesforderung entspricht,
die Gläubigen vom Fluch des Gesetzes befreit und ihnen im Glauben
die Erfüllung des Gesetzes bei Gott zur Gerechtigkeit angerechnet wird.
So ist der Glaubende im Blick auf Gott in juridischer Hinsicht frei vom
Gesetz und ganz gerecht, aber im Blick auf sich selbst bleibt er Sünder
sein ganzes Leben. Dieser Total-Aspekt des „simul" sagt an: der Christ
ist in seiner ganzen Verlorenheit zugleich im Glauben ganz gerechtfertigt
. Das Zusammensein der beiden sich ausschließenden Wirklichkeiten
wird somit durch die Begründung seiner Gültigkeit in diverso
respectu einsichtig. Somit gehört der Glaubende sein ganzes Leben bis
zum natürlichen Tode zugleich beiden Daseinsebenen an und er bedarf
des steten Transitus von der Sünde zur Gerechtigkeit.

Daneben steht in soteriologischer Hinsicht der Partial-Aspekt des
„simul", der im Sinne eines Ausgleichsversuches ein „Nicht mehr ganz"
an Sünde und ein „Noch nicht ganz" an Gerechtigkeit kennt. Luther
bekennt sich demnach zu einem realen Fortschreiten im neuen Leben,
zu einer renovatio, welche die imputierte Gerechtigkeit als reale anzeigt
. Das Christenleben beschränkt sich nicht auf den ständigen Transitus
, sondern zeichnet sich aus durch eine beginnende Gesetzeserfüllung.
Der Partial-Aspekt schränkt aber den Total-Aspekt nicht ein, weil der
Transitus immer die Voraussetzung der renovatio bleibt. In dieser
Notwendigkeit zum ständigen Transitus verankert auch Luther die
Selb6termahnung des Glaubenden durch die lex, sich real von der
Sünde zu scheiden, weil das Gesetz den Glaubenden daran erinnert, daß
er noch Sünder ist.

Zwar hat die Forschung nachgewiesen, daß die einzige Stelle, an
der Luther explizit vom tertius usus legis redet, eine Fälschung ist;
doch ist demgegenüber festzuhalten: Luther bezeichnet vom „simul"
her das Christenleben als einen ständigen Kampf gegen die Sünde, in
dessen Ausrichtung die lex Hilfe zur realen Scheidung von der Sünde
sein darf. Allerdings steht das durch Christi Gegenleistung erfüllte Gesetz
dem Evangelium nicht mehr als Wort des Todes gegenüber. Dem
Evangelium folgt die Predigt des Gesetzes als hortatio. Das bedeutet:
neben der unaufgebbaren Reihenfolge von Gesetz und Evangelium übernimmt
die lex post evangelium das Amt der Paraklese, ohne dabei
fordernde Form des Evangeliums zu werden. So vertritt Luther in den
Antinomerdisputationen eine zweilinige Gesetzesverkündigung an die
Gläubigen. Das Amt der lex als Steuerung des Kampfes gegen die Sünde
gründet nicht im Wesen des Gesetzes als norma oder regula vitae,
wenngleich der ständige Kampf gegen die Sünde mit Hilfe des Gesetzes
Lebensaufgabe ist. Luther wehrt ein nomistischc6 Mißverständnis ab,
weil die anfangende Gesetzeserfüllung kein Gesetzesgehorsam sein
kann, welcher die Freiheit des Glaubenden vom Gesetz aufheben würde.
In der renovatio erstirbt durch das Wirken des heiligen Geistes der
alte Mensch, der bereits vor Gott als neuer Mensch anerkannt ist. Der
Gebrauch des Gesetzes nach dem Evangelium reduziert sich damit auf
die Erinnerung des Christen an sein bleibendes Sündersein und die Ermahnung
zum Kampf gegen die Sünde.

Rupp, Alfred: Ursprung und Bestimmung des Menschen in anthropologischer
und theologischer Sicht. Diss. Tübingen 1959. 322 S.

Die vorliegende Abhandlung will ein Beitrag zum Gespräch zwischen
Theologie und Naturwissenschaften in der Frage nach Ursprung
und Bestimmung des Menschen sein. Die Darstellung zielt ab auf das
Problem der Zusammenschau der naturwissenschaftlichen und theologischen
Aussage über Ursprung und Bestimmung des Menschen.

Im 1. Teil kommt die naturwissenschaftliche Seite zu Wort, im
2. die theologische und im 3. Teil schließlich wird dem Problem der
Zusammenschau nachgegangen. Am Anfang des naturwissenschaftlichen
Teiles sind die Voraussetzungen naturwissenschaftlicher Aussagen behandelt
. Nachdem unter dem Stichwort „Wirklichkeitsbegriff" das Verständnis
des Naturwissenschaftlers von seinem Arbeitsmaterial vor
Augen geführt ist, folgt die Vorstellung des naturwissenschaftlichanthropologischen
Materiales aus dem Gebiet paläontologischer, onto-
genetischer und vergleichend-anatomischer Forschung (Cp. 3). Weiterhin
folgt eine Einführung in die Problematik der Deutung dieses Materiales
(Cp. 4). Nach Klärung der Vorfeldfragen und nach der Einführung in
die spezielle Problematik der vorliegenden Fragestellung werden die Aussagen
über Ursprung und Bestimmung des Menschen in den bedeutendsten
anthropologischen Darstellungen diskutiert. Unter den Verfassern
naturwissenschaftlich-anthropologischer Abhandlungen sind zu Worte
gekommen: Schindewolf, der als Vertreter der Proterogenese die innere
„Vermenschlichung" gegenüber der 6ich anatomisch ausprägenden
Menschwerdung für primär hält, Heberer, welcher, im Gegensatz zu
Schindewolf, die Menschwerdung in Gang gesetzt sieht durch Neuausprägung
rein äußerer anatomischer Merkmale, und schließlich Port-
mann mit der These von der „freien Rekombination" (Cp. 5). Den Ausführungen
über diese 3 Naturwissenschaftler ist eine Übersicht über die
verschiedenen Theorien zum Ursprung des Menschen vorangestellt.
Zum Teil weniger ausführlich sind die philosophisch-anthropologischen
Aussagen über Usprung und Bestimmung des Menschen berücksichtigt
(Cp. 6). Größeres Gewicht ist gelegt auf die Gedanken Carrels und
Gehlens, da beiden entscheidend an einer allen Betrachtungen voranzustellenden
gamheitlichen Schau des Menschen liegt, die im Gegensatz
zu einem Verständnis 6teht, wonach der Mensch in die Teile oder Schichten
Leib, Seele und Geist zergliedert und dann mühsam aus diesen Bereichen
wieder zu einer Einheit zusammengedacht wird. Die beiden folgenden
Kapitel sind eine kritische Auseinandersetzung mit der materialistischen
Anthropologie einerseits (Cp. 7), und mit dem Verständnis
katholisch orientierter Anthropologie andererseits (Cp. 8). Es folgt
noch ein Kapitel über evangelisch orientierte anthropologische Aussagen
, wie wir sie finden bei Bavink, Ehrenberg, v. Huene und Heim,
zusammen mit einer Auseinandersetzung mit dem Biblizismus (Cp. 9).
Endlidi schließt den I. Teil ein zusammenfassendes Kapitel ab (Cp. 10),
welches noch einmal systematisch einen kritischen Rückblick über die
angeführten Lehrauffassungen bietet. — Der theologische Teil ist analog
dem 1. Teil aufgebaut und beginnt, entsprechend dem naturwissenschaftlichen
Wirklichkeitsbegriff, mit dem theologischen Begriff von der Offenbarung
(Cp. 11). Unter dem herangezogenen theologischen Material
fällt das Hauptgewicht auf den alttestamentlichen Schöpfungsbericht
Gen. 1 und 2. Einer kurzen Betrachtung der Aussagen über Ursprung
und Bestimmung des Menschen im übrigen AT (Cp. 13) reiht sich eine
solche der entsprechenden Aussagen im NT an (Cp. 14). Den Beschluß
des 2. Teiles bildet wiederum ein zusammenfassendes, das gesamte theologische
Material vergleichendes Kapitel (Cp. 15). — Im letzten Teil
endlich ist das eingangs schon genannte Anliegen der vorliegenden Ausführungen
erreicht. Grundsätzlichen Ausführungen über „verschiedene
Voraussetzungen" und „Berührungen trotz grundsätzlicher Untcrschic-
denheit" (Cp. 16 und 17) folgt je ein Kapitel über Hinweise zu einer
Zusammenschau vom anthropologischen (Cp. 18) und vom theologischen
Aspekt her (Cp. 19). Dabei wird in beiden Fällen das ganzheitliche
Verständnis vom Menschen, als allein zutreffendes, als entscheidender
Ansatzpunkt gesehen. Für die naturwissenschaftliche Seite bedeutet dies
die Einbeziehung ethischer Fragestellungen in umfassende anthropologische
Aussagen, wie Gehlen ja auch den Menschen als riskiertes Wesen
sieht, das sich selbst Aufgabe ist auf Grund der physisch-psychischen
Gesamtstruktur. Auf theologischer Seite bedeutet dies Einbeziehung
auch des Irdischen, bedeutet dies ein volles „Ja" zur Schöpfung Gottes
(in diesem Zusammenhang Auseinandersetzung mit der zwischen Barth
und Brunner diskutierten Streitfrage um die Berechtigung einer natürlichen
Theologie), bedeutet dies die Anerkennung des biblischen Zeugnisses
, wonach auch der irdische, materielle Teil der Schöpfung in
Offenbarungs- und Heilsgeschehen einbezogen ist, wonach auch diesem
Teil der Schöpfung „Mitteilungswert" zukommt. „Ganzheitliches Verständnis
des Menschen unter dem Aspekt göttlicher Personalbezogc"'
heit" ist das letzte, das Ergebnis der voraufgegangenen Untersuchung«'
zusammenfassende Kapitel überschrieben (Cp. 20). Für die naturwissenschaftliche
Betrachtungsweise des Menschen wird zu zeigen versucht, wie
hier gerade eine ganzheitliche, zutreffende, weder in verobjektivierendem
oder in versubjektivierendem Sinne entstellende, nodi eine e'n'