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Ausgabe:

1960 Nr. 10

Spalte:

787-789

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Meier, Kurt

Titel/Untertitel:

Die Deutschen Christen 1960

Rezensent:

Meier, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 10

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Kötscher-Bark, Ursula: Was ist uns Frohe Botschaft? Ein Beitrag
zu der Frage: Jesus und der heutige Mensch. Hanau/M. (Hutten-
str. 1): Deutscher Bund für freies Christentum 1959. 19 S. 8° =
Schriftenreihe „Freies Christentum". Beihefte zur Monatsschrift
„Freies Christentum", H. 37. DM —.75.

Müller, Alfred Dedo: Das göttliche Geheimnis der Sprache.
Quatember 24, 1959/60 S. 98—103.

Pfisterer, Rudolf: Der Sinn der evangelischen Seelsorge.
Deutsches Pfarrerblatt 60, 1960 S. 193—197 und 223—225.

R e p p, Arthur C.: The Theological Implications of Confirmation.
Concordia Theological Monthly XXXI, 1960 S. 165—173 u. 227—235.

Rorarius, Winfried: Autosuggestion und Meditation.
Wege zum Menschen 12, 1960 S. 81— 91.

Severus, Emmanuel von: Wort aus dem Munde Gottes. Bemerkungen
zur Theologie der Meditation.
Bibel und Leben 1, 1960 S. 51—55.

Urner, Hans: Die evangelische Einzelbeichte.
Pastoralblätter 100, 1960 S. 276—279.

Weber, Hans-Ruedi: Mündige Gemeinde. Vom Dienst des Laien in
der Kirche.

Die Zeichen der Zeit 14, 1960 S. 207—215.

Referate über theologische Dissertationen in Maschinenschrift

Mayer, Reinhold: Christentum und Judentum in der Schau Leo Baecks.
Diss. Tübingen 1959. IV, 189 S.

In einem ersten Teil der Arbeit (Kapitel 1—3) sollte versucht werden
, das Lebenswerk Leo Baecks kritisch darzustellen. Bis in die Einzelaufgliederung
hinein (1. Kapitel: Das Wesen des Judentums; 2. Kapitel:
Judentum in der Kirche; 3. Kapitel: Romantische Religion) wird sichtbar
, daß hier das Werk des jüdischen Gelehrten dargestellt werden
und nicht durch fremde und unsachgemäße Schemata verdeckt werden
soll. Die Fragestellung in diesem ersten Abschnitt ist eine ausschließlich
hermeneutische. Auch wo mehr nebenbei die eigentlichen Sachfragen
gesprächsweise gestreift werden, ist dieses Ziel festgehalten. Leo Bacck
wird verstanden als der große Apologet des modernen deutschen Judentums
, der das Christentum in seinem Eigensein nicht erfaßt. Aus der
Polemik heraus sieht er im Christentum, soweit er es anerkennen kann,
Jüdisches, in Nichtjüdischem aber Romantisches und Unwertes. Interessant
ist, wie sich zeigen läßt, daß er in seiner Polemik nicht eigentlich
etwas neues schafft, sondern alte christlich-antijüdische Vorwürfe umkehrt
und sie gegen das Christentum wendet. Das unwirkliche und unwahrscheinliche
Bild vom Christentum, das er auf diese Weise malt,
kann Christen zeigen, wie von ihnen auch umgekehrt das Judentum in
seinem Eigensein, in seinem Wert und seiner Würde durch die Zeiten
hin verkannt worden ist.

Aus solcher apologetischen und entsprechend polemischen Grundhaltung
heraus ist eine wirkliche theologische Begegnung unmöglich.
Darin ist es begründet, daß im zweiten Teil der Arbeit (4. Kapitel:
Gespräch mit Israel), der einer glaubensthetischen Abgrenzung gegenüber
dem Judentum vorbehalten ist, Leo Baecks Werk fast ganz zurück
tritt. Das sachliche Gespräch beginnt im Gegenüber mit dem religionsphilosophischen
Werk der beiden anderen großen Vertreter des modernen
deutschen Judentums: mit Franz Rosenzweig vor allem und mit
Martin Buber. In der Auseinandersetzung mit ihrer Konzeption von
den beiden Wegen, die nebeneinander und gleichwertig zu dem einen
Ziel hinführen, wird die biblische Sicht von dem einen Israel aus Juden
und Heiden aufgezeigt. Dabei ist wichtig, daß dem Judentum seine ursprüngliche
Israel-Würde verblieben und nicht aufgekündigt ist. Auf
Grund des Eigenwortes der hebräischen Bibel müssen beide, Juden und
Christen, wieder neu aufeinander achten lernen. Der Antijudaismus ist
nicht legitim, wie auch eine naive christliche Mission am Judentum nicht
legitim ist. Judentum und Christentum müssen immer wieder neu lernen
— im Gespräch miteinander lernen —, was der eine Israel-Bund
Gottes mit der Menschheit für beide Religionen bedeutet. Wie viel gerade
auch das Christentum aus diesem Gespräch lernen muß, das kann
das große Versagen der Christenheit anläßlich der letzten und größten
Judenverfolgung der vergangenen Jahrzehnte mit einer großen Dringlichkeit
zeigen. Hier muß mit Vorrang theologisch gearbeitet werden,
damit auch die Dinge der Kirche wieder besser verstanden werden, damit
aber auch ein Neuansatz in der Begegnung mit dem Judentum im geschichtlichen
und im humanen Bereiche wieder möglich werde.

Meier, Kurt: Die Deutschen Christen. Ihre organisatorische Entwicklung
von der Sportpalastkundgebung (November 1933) bis zum Beginn
des zweiten Weltkrieges. Diss. Leipzig 1960. X, 796 S.

Während über die Geschichte des Kirchenkampfes im „Dritten
Reich" bereits mehrere Darstellungen vorliegen, fehlte bisher eine
Untersuchung über die Geschichte der Deutschen Christen, die über das
Jahr 1933 hinausgeht. Die Dissertation versucht, diese Lücke zu schließen
. Es galt, unter organisationsgeschichtlichem Aspekt die bisher nur
sporadisch erfaßte Zeit der Zersplitterung und neuen Sammlung der
DC-Bewegung in ihrer verwirrenden Vielschichtigkeit seit der Sportpalastkrise
1933 zu erhellen. In der Kriegszeit stagnierte die Entwicklung
der Deutschen Christen; 1941 mußte auch die DC-Publizistik ihr
Erscheinen einstellen. Die Quellenlage für die Kriegszeit ist somit ungünstig
. Da ein natürlicher Abschluß der Entwicklung 1939 sichtbar

wird, konnte auch die Darstellung hier abschließen. Indes runden eine
längere „hinführende Skizze" und — inklusiv — ein Ausblick auf die
Kriegszeit da6 Bild im Blick auf eine organisatorische Gesamtgeschichte
ab.

Die organisatorisch faßbare Entwicklung der Deutschen Christen
setzt 1932 ein; erste Ansätze sind seit 1927 konstatierbar. Die Bewegungsgeschichte
verdichtete sich 1933 in dramatisch zugespitzter
Form und erlebte hier zugleich ihre entscheidende Peripetie. Die „hinführende
Skizze" schildert diesen jähen Aufstieg bis zu seiner Kulmination
im Herbst 1933. Die Sportpalastkrise als unübersehbarer Markstein
auf dem Wege der Deutschen Christen bildet den Zielpunkt dieser
„Vorfeldskizze" und zugleich den Einstieg für das Thema. Der
Hauptteil („Die Wandlungen im organisatorischen Erscheinungsbild")
versucht, in vier umfangreichen und untergliederten Kapiteln die
schwierige organisatorische Entwicklung 60 darzustellen, daß sie einsichtig
wird. Die Zeit von Ende 1933 bis zum Kriegsbeginn ist ja nicht
einfach nur dadurch gekennzeichnet, daß die Deutschen Christen mehr
und mehr an politischem wie kirchlichem Einfluß verloren, sie ist vielmehr
auch reich an Versuchen der Deutschen Christen, die kirchenpolitische
Macht zu behaupten oder neu zu gewinnen. Insofern mußte
die Folie der kirchlichen Auseinandersetzungen jener Jahre sichtbar
gemacht und auch kurz auf den nicht geradlinigen Kurs der NS-
Religionspolitik eingegangen werden. Da jede Bewegung ein ihr charakteristisches
Gepräge trägt, das sich auch auf ihren organisatorischen
Weg mitbestimmend auswirkt, konnte keine dürre Organisationsgeschichte
geschrieben werden; es galt vielmehr, auch das theologischreligiöse
Gesicht der versdiiedenen Strömungen im deutschchristlichen
Kräftcfeld etwas zu kennzeichnen.

Räumlich bezieht sich die Arbeit auf das gesamte damalige Reichsgebiet
einschließlich Danzigs. Im Gang der Darstellung wurden dreimal
schwerpunkthaft territorialgeschichtliche Rundblicke geboten, die die
differenzierten Verhältnisse in den einzelnen Landes- und Provinzial-
kirchen bzw. DC-Gauen während der jeweiligen Entwicklungsphase
aufzeigen. Im übrigen liegt eine Gesamtdarstellung vor. Über die nicht
einfache Quellenlage ist im Vorwort einiges gesagt.

Die „hinführende Skizze" schildert, wie sich die Kirchenbewegung
Deutsche Christen (= KDC) aus dem NS-Pfarrer- und Lehrerkreis im
Wieratal bei Altenburg (Thür.) unter Lefflcr und Leutheuscr entwickelte
und vorübergehend (1932/33) der unter ausgesprochen kirchenpolitischem
Vorzeichen und auf Initiative der NSDAP 1932 als umfassender
Reichsorganisation gegründeten Glaubensbewegung Deutsche
Christen (= GDC) eingliederte. Politischer Anlaß der Gründung der
GDC, ihr kirchenpolitischer Einsatz bei den altpreußischen Kirchenwahlen
im November 1932 und ihre Bedeutung im Kampf um die Bildung
der Deutschen Evangelischen Kirche im Jahre 193 3 wurden dargestellt
. Dabei wurden zugleich die Faktoren aufgezeigt, die die parteiamtliche
Förderung der GDC und ihren immensen Aufschwung, bald
jedoch die Distanzierung der NSDAP und die entscheidende erste
Krise der GDC (Herbst 1933) bedingten.

Kap. 1 des Hauptteils („Die Deutschen Christen nach der Sportpalastkundgebung
") untersucht die mannigfachen „Auswirkungen der
Sportpalastkrise" (1, 1) und stellt die „Konzeption der Reichsbewegung
Deutsche Christen ( = RDC) unter Dr. Kinder" (1, 2) dar, der als neuer
Reichsleiter die nunmehr umbenannte Bewegung zu konsolidieren
versuchte. Ein weiterer Abschnitt (1,3) vermittelt einen Eindruck von
der Ausbreitung der wieder verselbständigten KDC (sog. Thüringer
Deutsche Christen) in verschiedenen außerthüringischen Gebieten und
vom organisatorischen Erscheinungsbild der RDC im Jahre 1934.

Kap. 2 („Die Auseinandersetzungen des Jahres 193 5") schildert
die Reaktivierungsversuche des „alten Kurses" durch den Ende 193'
abgelösten Rcichsleiter Hossenfeldcr (2, l), der schließlich eine eigen*
„Kampf- und Glaubensbewegung Deutsche Christen" begründete, und
charakterisiert die mancherlei Rivalitäten innerhalb der RDC, die zur
Trennung des Gaues Bremen unter Bischof Weidemann (Bewegung
„Kommende Kirche") führten (2, 2), 6owie die „gescheiterten Vereinigungsversuche
zwischen RDC und KDC" (2, 3).