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Ausgabe:

1960 Nr. 10

Spalte:

780-781

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Wendland, Heinz-Dietrich

Titel/Untertitel:

Botschaft an die soziale Welt 1960

Rezensent:

Schott, Erdmann

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779

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 10

780

Buchdrucker, Armin-Ernst: Ist „Arnoldshain" nur eine innerevangelische
Angelegenheit?
Una Sancta 15, 1960 S. 12—29.

Ebeling, Gerhard: Weltliches Reden von Gott.
Universitas 15, 1960 S. 631—640.

Fries, Heinrich: Vom Formalprinzip des Katholizismus. Zu J. R.
Geiselmann: Die lebendige Überlieferung als Norm des christlichen
Glaubens.

Catholica 14, 1960 S. 118—132.
Küry, Urs: Heiliger Geist, Kirche und Amt.

Internationale Kirchliche Zeitschrift 50, 1960 S. 107—125.
M i s k o 11 e, K. H.: Der moderne Dogmatiker als Dilettant und

Dirigent.

Evangelische Theologie 20, 1960 S. 245—262.
N i t s c h k e, Horst: Metamorphosen des Wortes Gottes.

Die Zeichen der Zeit 14, 1960 S. 215—222.
O e s c h, W. M.: Die Lehre von der Inspiration und ihre Anwendung

auf die Urgeschichte.

Lutherischer Rundblick 8, 1960 S. 53—92.
Philipp, Wolf gang: Metaphysik und Glaube. Die Grundgedanken

der Physikotheologie Bernhard Nieuwentyts (1654—1718).

Neue Zeitschrift für Systematische Theologie 2, 1960 S. 90—122.
Rahner, Karl: Theologische Prinzipien der Hermeneutik eschatolo-

gischer Aussagen.

Zeitschrift für katholische Theologie 82, 1960 S. 137—1 58.
S ö h n g e n, Gottlieb: Gesetz und Evangelium.
Catholica 14, 1960 S. 81—105.

ETHIK

Oy en, Hendrik van, Prof. Dr. theol.: Liebe und Ehe. Evangelische
Ethik II. Basel: Reinhardt o. J. 393 S. 8°. Kart. DM 13.50; Lw. 18.—.

Das Buch des Ordinarius für Ethik und Religionsphilosophie
in Basel ist eine Fortsetzung seiner 195 3 erschienenen Prinzipienlehre
(,,Grundlagen")- Es ist eine verhältnismäßig breit angelegte
, für ein weiteres Publikum geschriebene Einführung in
die Hauptprobleme des Sexuallebens. So gewagt es ist, dieses
unendlich oft behandelte Gebiet neubearbeiten zu wollen, muß
man sagen, daß der Versuch gelungen ist. Es ist im großen und
ganzen eine sehr feine und tiefschürfende Leistung geworden.
Hoffentlich findet das Buch weitgehende Beachtung, nicht nur
unter Fachtheologen.

Besonders dankenswert ist es, daß das Buch sich jeder Gesetzlichkeit
und jedem Moralismus fern hält. Die frohe Botschaft
von der Güte Gottes gerade hinsichtlich der Gabe der Sexualität
und der Ehe trägt und erhellt das Ganze. „Wir verstehen die
ethische Weisung vom Evangelium zunächst als eine totale Abrechnung
mit jeder Form der Moralisierung", heißt es programmatisch
(S. 30). Und dieses Programm wird durchgeführt. Falls
jemand meint, ein reformierter Theologe müsse doch irgendwie
„gesetzlich" werden, sollte er das Buch von Hendrik van Oyen
durchlesen. Bisweilen fragt man sich, ob nicht doch die Tatsache,
daß Christus uns auch ein Gebot für unser ethisches Leben gegeben
hat, hätte zur Geltung kommen müssen. Aber gerade auf
diesem Gebiet, wo ein pharisäischer Moralismus sich immer wieder
breit macht, freut man sich doch besonders über diese folgerichtig
durchgeführte Bereinigung. Oft und eindringlich, vielleicht
doch zu stark, wird gesagt, daß eine echte und wahre Ehe eigentlich
nur im Glauben und durch den Glauben möglich wird. Natürlich
weiß van Oyen, daß das scheinbar nicht immer stimmt; er
meint aber, daß die Eheleute in solchen Fällen doch Kräfte aus
einer letzten, vielleicht ungenannten Transzendenz schöpfen
(S. 268).

Sehr wertvoll erscheinen mir die Erörterungen über die
Verschiedenheit der Geschlechter und über die Gefahren einer
Naturalisierung oder einer Spiritualisierung der Ehe. Hinsichtlich
der Auffassung der geschlechtlichen Scham wendet er sich gegen
Emil Brunner, der die Scham als ein Zeichen dafür sieht, daß
„etwas mit der Sexualität von Grund aus und irreparabel nicht
in Ordnung ist". Auf solche Weise wird, behauptet van Oyen,
die Sexualität besonders mit dem Sündenfall belastet, und das sei
nicht biblische Auffassung. „Wenn irgendwo, so liegt hier ein
Rest der ursprünglichen Schöpfergüte für menschliches Dasein
vor!" (S. 139).

Viele Einzelheiten verdienten erwähnt zu werden. Ich beschränke
mich auf folgendes: Was die Homosexualität betrifft,
behauptet der Verf., daß die alttestamentliche Strenge hier dadurch
bedingt ist, daß man die alten kanaanitischen Kulte, in
denen es auch männliche Prostituierte gab, radikal bekämpfte und
deshalb Todesstrafe für den Akt des homosexuellen Verkehrs
forderte. Dies hat dazu geführt, daß auch die Kirche kein Verständnis
für das krankhafte Element in diesem Verhalten aufbrachte
. „Ein neues Verhalten der verstehenden und befreienden
Mitmenschlichkeit ist den Homophilen gegenüber geboten"
(S. 133). Hinsichtlich der kirchlichen Trauung Geschiedener befürwortet
van Oyen, daß bestimmte kirchliche Kommissionen ins
Leben gerufen werden, welche die Aufgabe haben sollten, die
einzelnen Fälle seelsorgerlich zu prüfen, so daß die konkrete
Verantwortung dem einzelnen Pfarrer entnommen würde (S. 300).
Meines Erachtens die denkbar beste Lösung. Sie ist aber wohl
nur in den Ländern möglich, wo die kirchliche Trauung keine
zivilrechtliche Gültigkeit hat.

Meine größten Bedenken melde ich an, wo der Verf. das
Problem der Geburtenkontrolle behandelt. In der Verwendung
von Vorbeugungsmitteln sieht er eine „Verweltlichung und
Rationalisierung", die überhaupt für die geistige Einstellung des
heutigen Menschen typisch ist, eine sachliche Berechnung, welche
eine Degradierung der Frage der Elternschaft bedeutet. Auch die
vielbesprochene katholische Lösung des Problems (Ogino — Knaus)
findet er ganz unbefriedigend. Natürlich wird er auch hier keine
„Gesetzlichkeit" befürworten. Er preist aber die Ehe, wo man
bei jedem Verkehr mit einer neuen Geburt rechnen muß, als eine
wahrhaft keusche Ehe. Und er preist „die starke Familie",
die „mehr Menschlichkeit, weiteren Blick, größere Aufgeschlossenheit
für die Not des Nächsten, weniger Luxus und desto mehr
Liebe" hat (S. 355). Hier habe ich nun sehr starke Bedenken
gegenüber Oyen. Ich glaube nicht, daß er dem schwierigen Problem
der Überbevölkerung von seiner Sicht her gerecht werden
kann. Vielmehr wird die Kirche ihre Einstellung in dieser Frage
sehr ernsthaft mit der wirklichen Situation konfrontieren müssen,
und sie darf nicht einfach von einem theologisch problematischen
Begriff der „Natur" her argumentieren. Auch für die seelische
Not älterer, verheirateter Frauen, deren Kinder ihre tägliche
Fürsorge nicht mehr brauchen, scheint der Verfasser zu wenig
Verständnis zu haben. Hier kommt man nicht mit Volkshochschulkursen
und dergleichen durch (S. 205).

Dies ändert aber wirklich nichts an der Tatsache, daß Professor
van Oyen es fertiggebracht hat, ein sehr wertvolles, echt
evangelisches Buch über diese Fragen zu schreiben. Wir sähen
gern andere Lebensgebiete in entsprechender Weise behandelt.

Kopenhagen N. H. S 0e

Wendland, Heinz-Dietrich, Prof. D.: Botschaft an die soziale Welt-

Beiträge zur christlichen Sozialethik der Gegenwart. Hamburg:
Furche-Verlag [1959]. 336 S. 8° = Studien zur evangelischen Sozialtheologie
und Sozialethik, hrsg. von H.-D. Wendland, Bd. 5. Lw-
DM 24.—.

„Die in diesem Bande vereinigten Aufsätze und Reden entstammen
sämtlich den letzten sechs Jahren" (Vorwort). W. nennt
uns als Sinn und Absicht der Sammelveröffentlichung dreierlei:
1) „die Bezeugung und Entfaltung jene6 christlichen Realismus,
der sich offenhält für die Wandlungen der geschichtlich-gesellschaftlichen
Gesamtwirklichkeit", 2) „Entfaltung des kritischen,
christlichen Humanismus, der uns zum Weggenossen und solidarischen
Partner des heutigen Menschen macht", 3) die theologische
Begründung neuer kirchlicher, gemeindlicher Sozialformen (18)-
Vor allem betont W. die „weltliche Christenheit" und ihren
Dienst, die Aufgabe der „in der ,Welt' lebenden, in Gesellschaft,
Wirtschaft und Staat arbeitenden Christen" (16). Nur über diese
und mit diesen werden die sozialethischen Probleme, die uns
heute gestellt sind, in rechter christlicher Weise gelöst werden
können. „Die Theologen, auch die .Sozialethiker',. .. bedürfen
also der . . . .Laien'" (14). Ohne diese können die sozialethischcn
Begriffe und Forderungen nicht konkretisiert werden. W. verbleibt
darum mit seinen Erörterungen im wesentlichen im Grundsätzlichen
. Diese Selbstbescheidung des Theologen (und der
Kirche) ist m. E. berechtigt und nötig. Im einzelnen bleiben
gleichwohl noch genug Probleme.