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Ausgabe:

1960 Nr. 10

Spalte:

775-777

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Steck, Karl Gerhard

Titel/Untertitel:

Die Idee der Heilsgeschichte 1960

Rezensent:

Beintker, Horst

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 10

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hypothesenstarke Buch virtuos handhabt, sind in erster Linie der
modernen Biologie und Paläontologie entnommen. Es bleibt bewundernswert
, wie sie in den Dienst eines zielstrebigen monistischen
Denkens genommen werden. Die Sprache ist von durchsichtiger
Klarheit. Die Faszination, die von der geistvollen Gesamtschau
in Frankreich bereits ausgegangen ist, wird zweifellos
auch in Deutschland Fragende begeistern, denen der naturalistische
und dialektische Materialismus als Antwort nicht genügt.
Eine ungebrochene Zustimmung der evangelischen Theologie wird
nicht erfolgen, weil im letzten Grunde „Religion" gewollt und
dargeboten wird. Christus wird, wenn wir recht sehen, nur auf
einer Seite erwähnt und dem Problem des Bösen ist trotz nachträglichen
Selbsteinspruchs ausgewichen. Trotzdem — es wäre unverzeihlich
, wenn der Theologe, der in der Auseinandersetzung
mit der Naturwissenschaft steht, an einem Buche vorbeigehen
würde, das nicht nur konstruktiv, sondern höchst kenntnisreich
im biologischen Tatsachenmaterial ist. Die Lektüre ist nicht nur
gewinnbringend, sondern genußreich in hohem Grade. Wir haben
in großer Spannung das Buch in einem Zuge gelesen.

Rostock Gottfried Holtz

B u b e r, Martin: I and Thou. 2nd Ed. with a Postscript by the Author

added, transl. by Ronald Gregor Smith. Edinburgh: Clark [1959].

XVII, 137 S. 8°. Geb. 9 8. 6d.
C o 1 e 11 e, Jacques: Kierkegaard et Lessing.

Revue des Sciences philosophiques et theologiques 44, 1960 S. 2—39.
Gonda, J.: De overwinning op de dood in het oudste Indische

denken.

Tijdschrift voor Philosophie 22, 1960 S. 174—204.
Kerken, L. Vander: Filosofische taal en poetische verwoording.

Tijdschrift voor Philosophie 22, 1960 S. 155—173.
Köberle, Adolf: Das Menschenbild des Existentialismus.

Wege zum Menschen 12, 1960 S. 114—120.
M e i n h o 1 d, Peter: „Opium des Volkes"? — Zur Religionskritik von

Heinridi Heine und Karl Marx.

Monatschrift für Pastoraltheologie 49, 1960 S. 161—176.

Piemontese, Filippo: Sul concetto di filosofia cristiana.
Salesianum XXII, 1960 S. 107—113.

Pohl, Bruno: Ist christliche Philosophie möglich? Zur Rechtfertigung
und Begründung christlichen Philosophierens.
Zeitwende XXXI, 1960 S. 309—318.

Rohrmoser, Günter: Die Religionskritik von Karl Marx im Blickpunkt
der Hegeischen Religionsphilosophie.

Neue Zeitschrift für Systematische Theologie 2, 1960 S. 44—64.

Sanchez-Ruiz, Jose M.: El amor en el tomismo. Ensayo sobre
la metafisica tomista del amor.
Salesianum XXII, 1960 S. 3—55.

Spaemann, Robert: Philosophie zwischen Metaphysik und Geschichte
. Philosophische Strömungen im heutigen Deutschland.
Neue Zeitschrift für Systematische Theologie 1, 1959 S. 290—313.

W i e g a n d, Dietmar: Religionsphilosophie bei S. Freud.

Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte XII, 1960 S. 167—175.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Steck, Karl Gerhard: Die Idee der Heilsgeschichte. Hof mann —
Schlatter — Cullmann. Zollikon: Evangelischer Verlag [1959]. 70 S.
gr. 8° = Theologisdie Studien, hrsg. v. K. Barth u. M. Geiger, H. 56
Fr./DM 6.-.

Das Gesamtthema des Deutschen Theologentages 1960 behandelte
„Das Erbe des 19. Jahrhunderts". R.Hermann, K. G.
Steck und W. G. Kümmel waren die Hauptvortragenden zu diesem
Thema. Ein Zeichen dafür, daß die Neubesinnung auf die
bedeutsamen Motive der Theologie de6 19. Jahrhunderts in
vollem Gange ist, dürfte auch die vorliegende Studie sein. K. G.
Steck versteht es, die von der Idee der Heikgeschichte bestimmte
Gesamtauffassung und -deutung der christlichen Wahrheit bei
Joh. C. K. v. Hofmann knapp im Gesamtbild der Mitte des 19.
Jhdts. darzustellen und seinen damals so wirksamen Entwurf mit
den neuen Versuchen heilsgeschichtlicher Betrachtungsweise zu
konfrontieren. Ähnlich wie Hofmann verbinden sich nun bei
Schlatter, dem als Zwischenglied zu Cullmanns heilsgeschicht-
licher Theologie nicht zufällig gewählten Schüler Becks, „intensivste
Exegese mit systematisch-dogmatischen Entwürfen" (36)

zu heilsgeschichtlichen Denken. Aber anders als Hofmann ist
Schlatter „von Anfang an ein entschlossener Feind des Idealismus
, den er sozusagen mit dem griechisch-antiken Erbe identifiziert
" (37). Freilich vermißt man bei Schlatter ein Eingehen auf
die Spannung von Geschichte und Heilsgeschichte (40). Cullmann,
der sonst ähnlich Exegese und Systematik verbindet, gibt der
Heilsgeschichte im Verhältnis zur Geschichte so „starke eigene
Konturen" (44), daß die Spannung wenigstens fühlbar wird. Dafür
hat die profane Geschichte 6elbst „längst nicht so viel eigenes
Gewicht und Interesse" (ib.). Cullmanns heilsgeschichtliches Verständnis
der Bibel ist orientiert am Begriff „des auf ein Telos bezogenen
Zeitablaufs"; die Mitte dieser Linie ist die Geschichte
Jesu von Nazareth als des Christus Gottes (45).

An allen drei Entwürfen votiert Steck mit Recht von der
nur unzulänglich ernst genommenen Heilsgeschichte selbst her als
der Kritiker der heilsgeschichtlichen Konzeption, versucht aber
gleichzeitig einige Andeutungen, wie einige der Schwierigkeiten
dabei zu begütigen seien. Mit der Idee der Heilsgeschichte ist die
Geschichte als „Gräber- und Totenfeld" trotz „genialster Kunst
der historischen Vergegenwärtigung" in die Theologie gekommen
. Ist aber, fragt Steck polemisch, die Gegenwart nicht viel
wichtiger „als alle Erinnerung und alle Geschichte. Soll das Heil
wirklich und nur, wie es das heilsgeschichtliche Denken betont,
in der Vergangenheit liegen?" (53) — Es muß Steck freilich zugegeben
werden, daß die Geister der mit der heilsgeschichtlichcn
Konzeption Hofmanns einziehenden Geschichtsforschung 6ich als
stärker erwiesen; es ist aber fraglich, ob er dabei das Bedeutende
dieses ganzen Vorganges, daß die Offenbarung Gottes in Christus
sich ganz der Geschichte und auch der kritischen Geschichtsforschung
aussetzen mußte und doch auch aus diesem Grab erstand
, richtig ins Blickfeld bringt. Zweifellos hat die so verschiedenartig
auslegbare Theorie der Heilsgeschichte den „Zugang
zur Bibel" teilweise verstellt (55). Darum ist es gut, daß
Steck ihre Suspendierung vorschlägt unter Beibehaltung ihrer Absicht
, „sich des Wirklichkeitsgrades der biblisch bezeugten Offenbarung
zu versichern" (56 f.). Es kommt unausgesprochen dabei
aber doch zu einer sinnvollen Berücksichtigung der Kategorie der
Geschichte, wenn Steck an die Stelle der suspendierten Idee der
Heilsgeschichte (gegen Diem und in Würdigung Luthers) „das
Geschriebensein", die „Begegnung mit dem Bibelbuchstaben"
als dem „Medium der göttlichen Offenbarung", d. h. Glaube und
Erkenntnis am Bibelbuchstaben entstehend „nur durch Wirkung
des göttlichen Geistes" (59), setzt.

Stecks Beitrag steht unter der geheimen Frage: „Was ist
Offenbarung?" und verdient von da besondere Beachtung. Sein
Verständnis des Bibelwortes als Medium des Offenbarungswortes
mit der sachlichen Mitte der Inkarnation und Auferstehung
Jesu Christi bringt eine andere Linie des 19. Jhdts. erwägend
in Erinnerung. Inkarnation und Auferstehung Jesu Christi
sind als „göttliche Geheimnisse von der Geschichte her unzugänglich
"; aber im „Medium des Geschichtlichen haben wir ja
das Spezifikum der Wirklichkeit von Mensch und vielleicht auch
von der Welt. Soll uns das Heilsgeschehen von Auferstehung und
Inkarnation treffen, so muß es uns in diesem Medium treffen"
(60). Der Satz Fichtes „verdient, neu erwogen zu werden: .Nur
das Metaphysische, keineswegs aber das Historische macht selig:
das letztere macht nur verständig'" (61). — Damit hat Steck allerdings
auch gegen die in Ritschis Metaphysikfeindschaft beschlossene
Verengung der Offenbarung Gottes polemisiert. Da«
ist eine Kritik, die gewiß vielerorten ungern gehört wird. Aber
W. Pannenberg hat unter Bezug auf Schlattcr und Hinweis auf
meine Schiatterstudie diese notwendige Wendung der Theologie
im „Zeitalter der Krise des metaphysischen Bewußtseins" bei
gleichen Problemen, wie Steck sie anvisiert, auch geltend gc
macht (Pannenberg: Der philosophische Gottesbegriff in frühchristlicher
Theologie, ZKG 70/1959/, 45; vgl. Ders.: Heilsgeschehen
und Geschichte, KuD 5/1959/, 218 ff., 259 ff.). Der
Auftrag einer rechten Hermeneutik und das in der Theorie der
Heilsgeschichte steckende Unaufgebbare: daß Gottes Wort leibhaftig
wurde, führt dazu. Aber das i6t nicht nur der Ertrag einer
positiven Besinnung auf Anliegen des theologischen Erbes, sondern
sachgemäße Berücksichtigung der Universalität der christlichen
Botschaft.