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Ausgabe:

1960 Nr. 10

Spalte:

768

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Adam, Adolf

Titel/Untertitel:

Das Sakrament der Firmung nach Thomas von Aquin 1960

Rezensent:

Schmidt-Clausing, Fritz

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 10

768

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in 2 nahezu gleiche
Teile: I. Vorgeschichte. II. Die Einführung des Kirchengesangs in
Zürich 1598.

Jede Beschäftigung mit diesem Thema muß von der Stellung
Zwingiis zur Musik bzw. zum Gesang im Gottesdienst ausgehen.
So auch der Verf., der als erstes aussagt, daß nicht wenige Darstellungen
der Frage der Gefahr der Vereinfachung des Sachverhaltes
erlegen sind (S. 11). Im wesentlichen schließt er sich
der Meinung Ina Lohrs an, daß Zwingli, der musikalischste
unter den Reformatoren, durch seinen frühen Tod sein Werk
speziell quoad musicam unvollendet zurücklassen mußte: „Zwingli
hatte keine Zeit, eine .Lehre vom Singen im Gottesdienst' zu
formulieren" (S. 12). Der Verf. wendet sich bewußt gegen Oskar
S ö h n g e n und, wie er meint, gegen dessen psychologisierende
Methode. Denn Söhngen sieht in der Abschaffung jeglicher Musik
im Gottesdienst ein elementares Anliegen des Reformators, nämlich
, daß Zwingli „von einem grundsätzlich anderen Gottesdienst-
Ideal bestimmt ist" (Leiturgia IV, 20). Es wäre hier zur Erhärtung
der Söhngenschen Auffassung die Frage anzumelden: warum
hat es Zwingli sonst zugelassen, daß im Jahre 1527 (!) die Orgel
im Großmünster abgebrochen wurde, während im benachbarten
Basel nicht nur das Instrument belassen, sondern im Jahre zuvor
(1526) sogar schon Psalmengesang (wie 1527 auch in St. Gallen)
eingeführt worden war. Man muß, wie der Verf. dann selbst bestätigt
(S. 14), den „Hauptgrund für das Verstummen des Gesangs
im gottesdienstlichen Raum ... in Zwingiis Konzeption des
Gottesdienstes" 6ehen. Ich bin erfreut, daß der Verf. Johann
Ulrich Surgant Zwingiis „Basler Lehrer" nennt, wenn auch die
letzte Stringenz des Beweises noch aussteht (J. Schweizer: Reformierte
Abendmahlsgestaltung in der Schau Zwingiis S. 32 f., und
mein „Zwingli als Liturgiker", S. 27). Zwingli hat ohne Zweifel
den mittelalterlichen Predigtteil innerhalb der Messe (Pronaus)
als Vorwurf seines Gottesdienstes benutzt und die wenigen aus
der Vormesse übernommenen Teile: Gloria und Credo (aber
Apostolicum!) an Stelle des bisherigen Alternierens im gregorianischen
Gesangsstil als Sprechchor zwischen Männern und Frauen
gesetzt, den der Rat der Stadt dann verboten hat. Zwingli wollte
auch im Liturgieren das Wort und nicht den Ton. Doch der Gesang
war stärker als sein Anliegen. Wenn auch Jahre und Jahrzehnte
vergingen, die kirchengesangslose Enklave Zürich konnte
schließlich dem Singen in Basel und St. Gallen, vornehmlich aber
in der zweitgrößten Stadt des Züricher Hoheitsgebietes Winter-
thur nicht widerstehen. Es entspricht nun einmal dem menschlichen
Wesen, daß besonders der Lobpreis Gottes ein „gehobener
" sein will. Darum überrascht es nicht, wenn der Verf.
(S. 35) mitteilt: „Es ist ein eigenartiges Zusammentreffen, daß
ausgerechnet im kirchengesangslosen Zürich, in der Stadt, welche
vierzig Jahre länger als die zweitletzte unter den evangelischen
Städten der Eidgenossenschaft (Bern) ohne Gesang blieb, fast alle
deutschschweizerischen und zum Teil süddeutschen Gesangbücher
des Reformationsjahrhunderts gedruckt worden sind."

Nach diesen kritischen Anmerkungen ist aber das Positive
der Reimannschen Arbeit anzuerkennen. In eingehender Forschung
, durch viele Belegstellen untermauert, hat der Verf. die
Wiederbelebung des Züricher Gottesdienstes durch das Kirchenlied
erwiesen. Mit Recht stellt er (S. 39) die 2. Helvetische Con-
fession von 1562 mit ihrem 23. Artikel als Grundlage und Ausgangspunkt
für die folgende Diskussion über den Kirchengesang
heraus, die die nichtsingenden Gemeinden nicht verurteilt, aber
den Gesang als eine urchri6tliche Form des Gebetes anerkennt.
Lavater, Wiek, Musculus und Gabriel Gerber, der für eine den
Gesang empfehlende Predigt gemaßregelt wurde, fuhren mit ihren
exegetischen (Kol. 3, 16!) und kirchengeschichtlichen Untersuchungen
34 Jahre später zu Raphael Eglis „Bericht vom
Kirchengesang 1596". Egli ist die Peripetie auf dem Wege zur
Wiedereinführung des Kirchenliedes. Doch der Initiator, der wegen
seiner Beteiligung an den alchimistischen Künsten seiner Zeit
in Ungnade fiel, hat sein Anliegen nicht erreicht. Der Weg zum
Pfingstsonntag 1598 geht durch die Kontroverstheologie. Es ist
der katholische Schwyzer Landammann Rudolf Reding, der durch
6ein Verbot des Singens in der reformierten Kirche das Gegenteil
erreicht. So kommt es, daß 1598 das erste Gesangbuch, „Getruckt
zu Zürych bey Johannes Wolffen", und zwar in zwei Teilen (der
2. Teil als Lobwasserpsalter) erscheint.

Wenn man bedenkt, daß die liturgische Erneuerung des
Zwinglischen Gottesdienstes auch bereits durch Jahre und Jahrzehnte
, wenn nicht gar durch Jahrhunderte, bis hin zu Johannes
Dürrs Schrift „Der reformierte Gottesdienst und die liturgische
Erneuerungsbewegung" lebendig ist, dann hat Reimann mit
seiner Dissertation für das liturgische Gesamtproblem einen
wichtigen Beitrag geliefert.

Berlin Fritz Schmidt-Clausing

Adam, Adolf: Das Sakrament der Firmung nach Thomas von Aquin.

Freiburg: Herder 1958. XI, 131 S. gr. 8° = Freiburger theol. Studien,
hrsg. v. J. Vincke. H. 73. Kart. DM 8.80.

Die vorgelegte Monographie, eine 1956 angenommene Mainzer
Dissertation, ist eine dogmengeschichtliche Studie. Sie stellt
objektiv und sorgfältig, in Breite und Tiefe die Probleme um das
Firmsakrament dar: Einsetzung und Ursprung, die eigenständige
Sakramentalität und ihre spezielle Gnadenwirkung, ihre Rangordnung
innerhalb der Siebenzahl, den liturgischen Komplex, die
Spenderfrage (minister extraordinarius!) und ihre Heilsnotwendigkeit
— themagemäß nach der endgültigen Lösung durch Thomas
von Aquin, dem Normaltheologen der katholischen Kirche. Es
ist aktuell, daß die systematische Beschäftigung mit diesem Sakrament
, abgesehen von der apologetischen Behandlung in der Frühscholastik
bei Alanus von Lille, ähnlich wie die heutige evangelische
Konfirmationsproblernatik, eine praktisch-kirchliche Veranlassung
hatte. „Wenn wir den bewegten Klagen des Wilhelm
von Auvergne Glauben schenken dürfen, stand es um das Jahr
1228 ... beim Volke sehr schlecht um die Hochschätzung und
Ehrfurcht vor dem Sakrament der Firmung. Er bedauert, daß die
gläubige Verehrung dieses Sakramentes bei vielen Christen anscheinend
verloren gegangen sei" (S. 127). Der Aquinate hat,
die Ergebnisse seiner franziskanischen Vorarbeiter Alexander von
Haies und Bonaventura sowie seines dominikanischen Lehrers
Albertus Magnus teils übertreffend (Einsetzung durch Christus:
„non exhibendo, sed promittendo") teils mildernd (Heilsnotwendigkeit
), die endgültige Lösung gegeben. Wer die Siebenzahl der
Sakramente eruiert, bedarf der Firmung. Deshalb mußte sie von
allen Seiten fundiert und auch ihr kleinstes Problem wenigstens
limeswertig gelöst werden. Weil manche thomistischen Lösungen
aber auch nur annähernd sind, darum sind trotz der dogmatischen
Gebundenheit der modernen katholischen Dogmatik Feststellungen
wie „Über die Einsetzung durch Christus liegen keine Zeugnisse
vor" (Bartmann) und „Es ist nicht immer leicht, Taufe und
Firmung in der Überlieferung als gesonderte Sakramente zu erkennen
" (Schmaus) möglich (s. meinen Art. „Firmung" in RGG:!
II, Sp. 967 f.). Interessant für den evangelischen Leser ist die
durchscheinende Tatsache, daß für Thomas — im Gegensatz zu
Albertus und Bonaventura — auch nur die drei Sakramente für
den erwachsenen Christen heilsnotwendig sind: Taufe, Buße und
Eucharistie. Die theoretisch nicht verstummte Frage nach der
Möglichkeit der päpstlichen Delegation an einen nichtbischöflichen
Priester findet auch in dem theologisch - philosophischen
Kettenschluß Thomas von Aquins keine befriedigende Lösung.
In einer dogmengeschichtlichen Studie muß eine extensive Erörterung
des kirchengeschichtlichen Problems der Trennung der Firmung
von der Taufe nicht erwartet werden. Für den, der heute
in der evangelischen Kirche um das Konfirmationsproblem ringt,
kann diese Arbeit eine wertvolle Bereicherung 6ein.

Berlin Fritz Seh m id t-Clau s i ng

Blume, Friedrich: Das Problem der Kirchenmusik in unserer Zeit.

Musik und Kirche 30, 1960 S. 129—137.
B r o d d e, Otto: Der Kirchenchor und die kleinen Feste.

Der Kirchenchor 20, 1960 S. 39—43 (= Beilage zu Musik und Kirche

30, 1960).

E h m a n n, Wilhelm: „Concertisten" und „Ripienisten" in der h-
moll-Messe Joh. Seb. Bachs.

Musik und Kirche 30, 1960 S. 95—104 u. S. 138—147.
Jenny, Markus: Die Bedeutung der Ge6angbuchgeschichte innerhalb
der Hymnologie.

Theologische Zeitschrift 16, 1960 S. 110—119.
Köhler, Rudolf: „Wie schön leuchtet der Morgenstern" biblisdi
untersucht.

Monatschrift für Pastoraltheologie 49, 1960 S. 91—95.