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1960 Nr. 10

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 10

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russische Verehrung als Heiliger anerkannt war, während der
heilige Nil Sorskij, wenn überhaupt, dann nur regionale Verehrung
bis 1902 genossen hat. Und so hat sich Th. Spidlik die
durchaus richtige Frage gestellt, ob denn wohl das Josif-Bild der
russischen Geschichtsforschung des 19. Jhdts. richtig sei, und sein
Buch ist sozusagen eine Art Rechtfertigung der Heiligkeit dieses
Mannes geworden.

Spidlik handelt nun in seiner Arbeit drei große Themen-
kreise ab. A. Die Askese des Joseph von Volokolamsk in ihren
allgemeinen Prinzipien (S. 1—80) (Dieser Abschnitt hat wiederum
zwei Unterteile: 1. Glaubenslehre (S. 7—25); II. Lehre von den
„Werken"), B. Die klösterliche Askese; C. Joseph im öffentlichen
Leben. Spidlik befaßt sich mit diesen Gegenständen sehr
gründlich, indem er den Befund der Quellen, des „Prosvetitel"
— des ersten größeren dogmatischen Werks in Rußland — der sogenannten
Kloster-Regel und der Briefe des Josef interpretiert1.
Dabei kommt es ihm vor allem darauf an zu zeigen, daß Josif
ganz treulich in den Bahnen der griechischen Väter wandelt und
daß selbst seine dem 19. und 20. Jahrhundert anstößigsten Gedanken
, wie z. B. seine „Intoleranz" gegenüber den Häretikern
(vgl. S. 132 ff.), sein asketischer Rigorismus und seine Haltung
gegenüber der Staatsmacht echte Lehre der älteren griechischen
Kirche sei. „Wir haben das überraschende Bild einer einfachen,
konsequenten Lehre und einer wahrhaftigen Heiligkeit gefunden,
die ähnlich einer alten Ikone rauhe und primitive Züge zeigt,
von der aber eine völlig übernatürliche Wärme ausstrahlt. Einige
Unvollkommenheiten, einige Fehler hier und dort, aber man
entdeckt doch stets die Züge unseres gemeinsamen Meisters und
Vorbildes Jesu Christi. . ." (S. XIII). Die oben genannten schwierigen
und abstoßenden Züge im Bilde Josifs datieren nicht aus
einem grausamen und blutgierigen Charakter, sondern aus einer
Überspitzung des Sinns für das Übernatürliche (du sens surnatu-
rel), des eschatologischen Gefühls (S. 13 5). „Er ließ sich niemals
von politischen Interessen beeinflussen und zog immer und überall
nur religiöse Motive in Betracht. . . Seine Seelenstärke, sein
Schmerz, den er um die Verderbnis des orthodoxen Glaubens
zur Schau trägt, sind aufrichtig und tief, man kann die Seiten, die
sich darauf beziehen, nicht ohne Bewunderung lesen" (S. 137).

Dieses Ergebnis und als seine Folge die Liebe und das Verständnis
des Verfassers für Josif sind natürlich höchst wichtig,
um der Erforschung jener wirren Zeit neue Anstöße und Aspekte
zu geben und die lange festgefahrene Fragestellung aufzubrechen.
Dafür endet aber die LIntereuchung in einer neuen Fragestellung:
Die „Josifljane" — Josifs geistige Nachfolger — waren Verfechter
des „Caesaropapismus" der russisch-orthodoxen Kirche, der Vermischung
von weltlicher und kirchlicher Gewalt; die Großfürsten
von Moskau verehrten das ganze 16. Jhdt. hindurch Josif als
•,FamilienheiIigen"; andererseits aber lebten die Altgläubigen
(Raskol'niki) des 17. Jhdts., die der kaiserlichen und kirchlichen
Macht im Namen ihres Glaubensverständnisses den Gehorsam
verweigerten, geistig aus den Schriften Josifs, die bei ihnen große
Verehrung genossen. Wie reimt sich das zusammen?

Der Verfasser antwortet auf diese Frage nicht. Aber es ist
verdienstvoll, sie auch nur gestellt zu haben. Ohne 6ein Buch
w*rd eine Beschäftigung mit Josif Volockij nicht mehr denkbar

) Bei Gelegenheit seiner Quellenanalyse kommt Verf. auch zu
C1nigcn literarkritischen Erkenntnissen: So weist er durch innere Analyse
na<h, daß der „Ustav", das „Typikon", die „Regel" des Josif keine
einheitliche Struktur hat, sondern eigentlich ein Konglomerat aus vermiedenen
kleineren Werken ist. Ein Ergebnis, das die inzwischen aufgefundene
kürzere Fassung des „Ustav" glänzend bestätigt. Vgl. J. S.
. ,Ur J> Kratkaja redakeija „Ustava" Josifa Volockogo — Pamjatnik
'dcologii rannego josifljanstva, in: Trudy Otdela Drcvnerusskoj Litera-
™ry (im weiteren: TODL), Bd. XII, Moskau-Leningrad 1956, S. 116
D13f'.. Wichtig ist auch der Erweis Spidliks, daß die im berüchtigten
" r,cf "her die Feindschaft" (pis'mo o ncljubkach . . .) zitierten Äußerun-
Lcid u d°r Klosterlanc,rra&:e "'dit authentisch sein können (S. 138).
_■ fr ' Verf. die sowjetische Forschung zu wenig berücksichtigt, zum
VnlnT0" mußtc er an A- A- Zimin- O politrteskoj doktrine Josifa
sen f °7°DL' ,X' 1953' S' 159~177 denken. Weiter sei hingewie-
v TO N. A. Kazakova — J. A. Lur'e, Antifeodal'nye eretieeskie
avizcmja na Rusi X[v _ naia]a xv, vcka Moskau-Leningrad 1955.

S 182-27:2 K Voprosu ob ideo]°Sii Nila Sorskago TODL XIII, 1957,

sein, wenn auch m. E. noch nicht das letzte Wort zu Josif gefunden
ist.

Verf. wird m. E der Stellung Josifs gegenüber den „Schulen" der
orientalischen Spiritualität nicht völlig gerecht. Wenn er z. B. von den
aus der „sinaitischen Spiritualität" stammenden Begriffen vijyig, tpvXaxi]
xagHiag, /ivr/ftr; &aväxov S. 5 3 ff.) bei Josif spricht, übersieht er, wie
stark formal Josif diese Begriffe braucht, ohne deren nähere Qualitäten
zu entfalten. Auch der Begriff des altmönchischen nev&os, der Bußgesinnung
, den Spidlik unter Berufung auf die gleichnamige Studie
I. Hausherr« (Orientalia christiana analecta, Nr. 132) für Josif in Anspruch
nimmt, ist ja nach der Lehre des alten Mönchtums, wie sie
Hausherr darstellt, ganz anders zu entfalten, als das bei Josif geschieht.
Wird Josif allzusehr als wahrer Interpret der griechischen Tradition verstanden
, deren Einseitigkeit erst durch die Union mit der römischen
Kirche aufgehoben werden könnte (S. 146), so übersieht Verf., daß es
doch eben jene verschiedene Entfaltung einer reichen und verschiedenartigen
monastischen und asketischen Tradition in der Ostkirche selbst
ist, die den eigentlichen Gegensatz Josifs zu dem „Großen Starec"
Nil Sorskij ausmacht. Träger des altmönchischen Penthos, 6elbst mit eo
konkreten Einzelzügcn wir Ablehnung des prunkvollen Kirchengesanges
und des kirchlichen Schmucks, Forderung der unbedingten Armut usw.,
ist aber gerade Nil. Es ist ein Mangel des Buchs, daß es auf einen Vergleich
der Spiritualität Josifs mit der des anderen großen Kloster-
reformere seiner Zeit verzichtet.

Der Geist seines Buches aber, von dem die eingangs zitierten
Worte zeugen, sollte mutatis mutandis, was den Begriff des
„Heiligen" anbetrifft, auch für eine evangelische Betrachtung der
russischen Kirchengeschichte Schule machen.

Naumburg/Saale Fairy t.Lilienfeld

Dockhorn, Klaus: Das protestantische Selbstverständnis der Kirche
von England.

Zeitwende XXXI, 1960 S. 451—461.

E s s i n g e r, H.: Motive des Konfessionswechsels.

Deutsches Pfarrerblatt 60, 1960 S. 241—245 u. 268—271.

Evdokimov, Paul: Der Heilige Geist und das Gebet für die Einheit.
Quatember 24, 1959/60 S. 120—124.

Maron, Gottfried: Entmythologisierung des Fegfeuers. Über neue
Fragen innerhalb der katholischen Eschatologie und ihre Konsequenzen
.

Materialdienst des Konfcssionskundlichen Instituts 11, 1960 S. 21
—28.

GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

Aurenhammer, Hans: Lexikon der christlichen Ikonographie.

1. Lfg.: Alpha und Omega bis Albert von Trapani. Wien: Hollinek
[1959]. VII, 80 S. 8°. DM 8.80.

Seit den Handbüchern von Didron, Piper, Detzel u. a. aus
dem 19., Molsdorf, Künstle, Reau u.a. aus unserem Jahrhundert
(vgl. H. Bauer, in: RGG3, III, 676) war ein wissenschaftlich verläßliches
und die Forschung der letzten Jahrzehnte berücksichtigendes
Lexikon der christlichen Ikonographie ein dringender
Wunsch der Forscher und Liebhaber. Es iet zunächst überraschend,
daß ein Forscher allein und ohne Mithilfe von Fachgenossen 6ich
dieser Aufgabe unterzogen hat. Das ist nur möglich, wenn eine
jahrelange mühselige Kleinarbeit beim Aufbau eines wissenschaftlichen
Apparates vorangegangen ist, ganz abgesehen von
der Lösung zahlreicher methodischer Fragen, wie etwa der Aufschlüsselung
der Verweise und Stichwörter im Verhältnis zu den
Artikeln selbst. Nachdem bereits bei Reau mit Recht bezweifelt
wurde, ob diese Riesenarbeit von einem Forscher allein bewältigt
werden kann (vgl. ThLZ 83 (1958), Sp. 527-534), ist es verständlich
, wenn man mit ähnlich kritischen Gedanken das vorliegende
große Unternehmen Aurenhammers (es soll ca. 900 S.
im Format 8° umfassen!) betrachtet. Nach dem Studium dieser
ersten Lieferung kann aber mit Erleichterung festgestellt werden
, daß Verf. eine gediegene und verläßliche Arbeit vorgelegt
hat, deren methodische und historische Grundlegung in der letzten
Lieferung neben mehreren Registern und einem Nachtrag
ausführlich besprochen werden soll. Die vom Verf. benutzte
allgemeine und spezielle Literatur ist, soweit ich sehen kann,
und abgesehen von den unten erörterten Sonderfragen, fast erschöpfend
. Vor allem aber hat er eines der wichtigsten Instrumente
für eine moderne Ikonographie christlicher Themen be-