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Ausgabe:

1960 Nr. 10

Spalte:

755-759

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Diehn, Otto

Titel/Untertitel:

Bibliographie zur Geschichte des Kirchenkampfes 1933 - 1945 1960

Rezensent:

Beyreuther, Erich

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 10

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Aufklärung erscheint „menschliches und christliches Sein (als) in
das Sein Gottes bzw. des Heiligen Geistes hineingenommen"
(420), so daß das eigene Dasein des Menschen und Christen vor
Gott nicht mehr zu seinem Recht kommt; 2) eine vom altchristlichen
Trinitätsdogma bestimmte antiidealistische; im Gegensatz
zu einem die Grenze zwischen Gott und Mensch verwischenden
Evolutionismus wird die geschöpfliche Gottebenbildlichkeit des
Menschen betont; Sünde ist selbstverschuldeter Verlust der anfänglichen
Vollkommenheit; ihr „Wesen ist nicht ein weniger
Vollkommenes, sondern ein Widergöttliches" (177); 3) eine
unter 2) sich anbahnende anthropozentrische; durch die klare Abgrenzung
des natürlichen und übernatürlichen Bereichs im Sein
des Menschen bekommt der natürliche Bereich, insbesondere
hinsichtlich der Wahlfreiheit, 6ein Eigenrecht; Rechtfertigung ist
„das Ergebnis des Zusammenwirkens des Menschen als eines
freien sittlichen Wesens mit dem begnadenden Gott" (425).

Halle/Saale Erdmann Schott

D i e h n. Otto, Dr. phil.: Bibliographie zur Geschichte des Kirchenkampfes
1933—1945. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1958.
249 S. gr. 8° = Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes, hrsg. v.
K. D. Schmidt. Bd. 1. Kart. DM 19.80.

Lersner, Dieter Frhr. von: Die Evangelischen Jugendverbände
Württembergs und die Hitler-Jugend 1933/1934. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1958. 72 S. gr. 8° = Arbeiten zur Geschichte des
Kirchenkampfes, hrsg. v. K. D. Schmidt. Bd. 4. DM 4.40.

Niemöller, Gerhard: Die erste Bekenntnissynode der Deutschen
Evangelischen Kirche zu Barmen. I.: Geschichte, Kritik und Bedeutung
der Synode und ihrer Theologischen Erklärung. IL: Text — Dokumente
— Berichte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1959.
269 S. u. 209 S. gr. 8° = Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes,
hrsg. v. K. D. Schmidt, Bd. 5 u. 6. DM 16.70 u. DM 12.80.

Die Herausgabe dieser Reihe durch die 1955 durch den Rat
der Evangelischen Kirche in Deutschland berufene „Kommission
für die Geschichte des Kirchenkampfes in der Nationalsozialistischen
Zeit", für die Heinz Brunotte, Kurt Dietrich Schmidt und
Ernst Wolf verantwortlich zeichnen, kann nicht dankbar genug
begriißt werden. Wenn es auch nicht an bedeutenden und wesentlichen
Veröffentlichungen über diesen Zeitabschnitt außerhalb
dieser Reihe und vor ihrer Gründung fehlt, wir denken vor allem
an die verschiedenen Arbeiten von Wilhelm Niemöller und der
Herausgeber 6elbst, aber auch an andere, so ist doch hier ein klares
Arbeitsprogramm aufgestellt worden, das in der Koordinierung
mit den nach Landeskirchen getrennten Kommissionen die
dringend notwendige Durchforschung dieser kurzen Episode der
Kirchengeschichte, welche die Evangelische Kirche in Deutschland
so tief umpflügte, zu lenken vermag. Es wäre auch erfreulich,
wenn das angekündigte Tempo, jedes Jahr 4 — 5 Hefte zu liefern,
für welche die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland
die Mittel zur Verfügung stellt, eingehalten werden könnte.
Für 1958 liegen tatsächlich vier Hefte in dieser Schriftenreihe vor,
für 1959 sind es freilich nur zwei Arbeiten gewesen, die druckreif
wurden.

Wenn heute vieles in der kirchlichen und theologischen
Situation des deutschen Protestantismus so unbefriedigend ist,
liegt das nicht zuletzt auch an einer unbewältigten Vergangenheit
6elbst im kirchlichen Raum. Die bisherigen Gesamtdarstellungen,
die über die Zeit von 1933—1945 vorgelegt worden sind, sind
praktisch in zwei gegensätzlichen Thesen festgefahren, um die
mehr oder minder polemisiert wird. Wenn das Vorwort der
Herausgeber im 1. Band der Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes
die Eile betont, mit der die Aussagemöglichkeit vieler
unmittelbar Beteiligter noch genutzt werden muß, so ist das zugleich
eine Frage der Aussagewilligkeit geworden. Die Bekenntnisfront
hat nichts zu verschweigen, anders verhält es sich mit ehemaligen
Männern der Glaubensbewegung Deutscher Christen.
Wenn diese Bewegung praktisch zu einer Sekte herabsank, zu
einer tyrannisierenden Minderheit und das vorliegende Material
vielleicht ausreichend ist, um die entscheidenden Wandlungen und
Entwicklungen dieser kirchenpolitischen Gruppe aufzudecken und
wir einer Darstellung entraten könnten, die in alle ihre Winkel
hineinleuchtet, manches wird eben unkenntlich bleiben, was
doch bezeichnende Lichter setzen würde Aber damit werden wir
uns abzufinden haben.

Wie gefährdet selbst das Material für so wichtige und folgenreiche
Geschehnisse der neueren Kirchengeschichte wie „Barmen"
gewesen ist, berichtet Gerhard Niemöller. Es hätte nicht viel gefehlt
und die in ihrer Art unersetzlichen Akten des Präsidiums
der Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche wären
kurz nach Beendigung des Krieges wegen Raummangel vernichtet
worden. Das unter persönlichen Opfern aufgebaute Privatarchiv
Wilhelm Niemöllere wie das von Professor Härder in der Kirchlichen
Hochschule zu Berlin begründete Archiv des Kirchenkampfes
haben unendlich viel gerettet, als die planmäßige Erforschung
noch nicht einsetzen konnte.

Es ist verheißungsvoll, daß die Reihe mit der Bibliographie
zur Geschichte des Kirchenkampfes 1933/1945 aus der Feder
von Otto Diehn begonnen hat. Mit 5 566 registrierten Schriften
zum Kirchenkampf ist eine umfassende Arbeit geleistet
worden, die tatsächlich viel wichtiges im In- und Ausland
erschienene Schrifttum zum evangelischen Kirchenkampf gesammelt
und nach klaren Gesichtspunkten aufgegliedert hat.
Auch für die Vorgeschichte bis 193 3 und für die Nach-
geschichte nach 1945 sind viele wichtige Arbeiten aufgenommen
worden, die bis 1956 erschienen sind. Das sehr zahlreiche
und aufschlußreiche illegale Schrifttum konnte nur zum Teil erfaßt
werden. Davon spricht der Bearbeiter in seinem Vorwort.
Man kann hier nur hoffen, daß die Bearbeiter der Kirchenkampf-
geschichte einzelner Landeskirchen auf diese Quellen ein besonderes
Augenmerk wenden. Daß hier Desideria bleiben, ist begreiflich
. Z. B. müßte die unter Nr. 45 genannte Arbeit von Kurt
Dietrich Schmidt auf Seite 40 unter „C Vorgeschichte I Allgemeines
" unbedingt noch einmal genannt werden. Auf Seite 41
könnten als charakteristisches Schrifttum noch Goebbels „Das
kleine ABC" Berlin 1929 und Rosenbergs „Nationalsozialismus,
Religion und Kultur", 1939 angefügt werden. Auf Seite 42:
III Die evangelische Kirche vor 1933 darf keineswegs fehlen:
J. Schneider, Kirchliches Jahrbuch, 46. Jahrgang 1919. Das Kapitel
IX „Kirchliche Zeitlage" mit der kirchlichen Sanktionierung
der Dolchstoßlegende („Die deutsche Armee, noch immer stark,
ist von der Zivilbevölkerung von hinten erdolcht
worden" Sperrdruck daselbst!) gehört mit zum
Verständnis der tragischen Vorgeschichte vor 1933. Es müßten
auch die Zeitschriftenartikel der Freikirchen: Evangelischer Botschafter
, Der Leitstern, Der Evangelist, das Amtsblatt der Baptisten
, die Mennonitischen Blätter, auch Der Evangelist aus dem
Siegerland durchgesehen werden. Hier fällt viel interessantes
Material an. Hat doch bekanntlich die Allianz das Gebet für die
Juden und Kirchen während dieser Zeit zwischen 1933—1945 im
Gebetswochenprogramm gestrichen und die Erörterung des
Kirchenkampfes ausgeschaltet. Auch die Blätter und das Schrifttum
der Gemeinschaftsverbände liefern nicht unwichtige Aufschlüsse
. Auch von hier ist neben mancher Unklarheit, die bestanden
hat, viel ernsthafter Widerstand ausgegangen. Wie leicht
entstehen sonst Legenden!

Bei der Anführung der Literatur aus Skandinavien, Holland,
Elsaß-Lothringen (S. 222) ist ernsthaft zu fragen, ob man sich
wirklich auf deutschsprachige Schriften beschränken kann und 6oll.
Das gilt dann auch für den Widerhall des Kirchenkampfes im
angelsächsischen Raum, von dem eine Arbeit wie die Franklin H-
Litells: Die Bedeutung des Kirchenkampfes für die Ökumene
(Evangelische Theologie, 20. Jg., Heft 1) einen starken Eindruck
vermittelt. Wie dringend bedürfen wir, da6 geht aus der Bibliographie
hervor, systematischer Gesamtdarstellungen über das
Thema „Judenfrage und Evangelische Kirche' , „Kirche und Eugenik
". Für das letztere Problem liegt nur die kleine Schrift aus
dem württembergischen Raum vor (Nr. 4688).

Jedenfalls ist in der Bibliographie eine Arbeit entstanden,
die sidi als unentbehrlich CTweist und für die wir dem Verfasser
nicht genug danken können.

In der kleinen Schrift von Dieter Freiherr von Lersner über
die evangelischen Jugendverbände Württembergs und die Hitler-
Jugend 1933/34 werden wir mit den besonders gelagerten Verhältnissen
in diesem Gebiet vertraut gemacht. In der hier geschilderten
Auseinandersetzung zwischen den evangelischen Verbänden
und der HJ fehlen alle Hinweise auf die Bewegung der
Deutschen Christen, die hier im Gegensatz zu anderen Landc6-