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1960 Nr. 10

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Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 10

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KIRCHEN GESCHICHTE: MITTELALTER

S. Bernardi Opera, Vol. 1 und II: Scrmones super Cantica Cantico-
rum. Ad fidcm codicum recensuerunt J. L e c 1 e r c q, C. H. T a 1 b o t,
H. M. Rochais. Vol. I: Sermones 1—35, Vol. II: Sermones 36—86
(mit einer Präfatio von Christine Mohrmann). Rom: Editiones
Cistercienses 1957/58. LXVIII, 261 S. u. XXXV, 329 S. 4°.

Für das Studium der Werke Bernhards von Clairvaux waren
wir bisher immer noch auf die Ausgabe von Mabillon, Paris
1667 ff., angewiesen, die bei Migne abgedruckt i6t. Nunmehr
liegen von der kritischen Gesamtausgabe, die der Zisterzienserorden
übernommen hat — ein Ge6amtprospekt ist leider nicht
beigegeben — die beiden ersten Bände vor, in denen die Auslegung
des Hohenliedes durch Bernhard enthalten ist. Eine lateinische
Vorrede ,,Ad Lectorem" (Vol. I, IX—XII) gibt die
Quintessenz aus der ausführlichen kritisch-historischen „Introduc-
tion" des 1. Bandes (XIII—LXVIII). Die Sermones sind in den
Jahren 1135 bis 1153 entstanden; der letzte, 86. Sermo ist nicht
mehr vollendet. Aus der Fülle von Handschriften — allein im
12./l3. Jahrhundert lassen sich 111 Kodizes feststellen — können
drei Hauptrezensionen eruiert werden; dieses Ergebnis wird
durch die Beobachtung der verschiedenen Überlieferung der
Sermone 24 und 71, bzw. 35 und 73 gewonnen. Danach gibt es
2 Typen von Handschriften, die der Recensio Morimundensis
(M) und die der Recensio Anglica (A). Die Ree. Mor. ist die
ältere; die zur Abtei Morimond gehörigen Klöster lagen vor
allem in Österreich und Bayern. Der Archetyp der Ree. M ist
nicht gefunden; auch M enthält nicht immer zuverlässig den
authentischen Text. Die Recensio Anglica (A) ist der spätere
Typ, verdient aber größtes Zutrauen; sie geht auf Bernhard
selbst zurück. Die 3. Hauptrezension ist die Recensio Clarae-
vallensis (C). Obwohl aus Clairvaux, gibt C nicht die besten
Garantien; es handelt sich um eine Umarbeitung nach Bernhards
Tod. Der Archetyp liegt vor in 2 Bänden der Bibliothek von
Troyes (CI). C hat viel gemeinsam mit A, aber auch mit M. Daneben
läßt sich aus einer Reihe von Handschriften noch ein
».Tcxtus medius" (T) erheben, der sich als eine Kompilation aus
den drei Hauptrezensionen darstellt. Keine Handschrift kann
genau datiert werden; immerhin bieten sich vielfach gewisse
Anhaltspunkte. Auch der Ort läßt 6ich oft mit einiger Sicherheit
feststellen. Mabillon hatte einen Komposittext aus den verschiedenen
Rezensionen gebracht, ein Verfahren, das sich heutiger
textkritischer Methode nicht empfiehlt. Es hat aber auch
keinen Sinn, jede Rezension für sich abzudrucken. Die vorliegende
Ausgabe bringt im Text die Ree. A., im Apparat die
Abweichungen der anderen Rezensionen von A. Angesichts der
Fülle der Handschriften kann der Apparat nur solche Varianten
aufnehmen, die für die Interpretation des Textes und für seine
Geschichte belangvoll sind. Von den im Apparat verwendeten
Handschriften wird eine zuverlässige Beschreibung gegeben
(Band I, S. XLVI-LX). Der reine Urtext läßt sich also nicht
"erstellen; die Edition gibt einen Text, der dem Archetyp von
M und A möglichst nahe kommt. Für die Rechtschreibung wurde
j|»e ••orthographe moyenne" bevorzugt. Die Einteilung von Mabillon
wurde beibehalten, da in der bisherigen Literatur stets
nach ihr zitiert wird. Die Indices sollen erst nach vollendeter

dition des Gesamtwerkes von Bernhard publiziert werden. Aus
<jer dem Band I beigegebenen Bibliographie (LXVIII) sei beson-
c.er?j auf die „Recherches sur les Sermons sur les Cantiques de

' Bernard" hingewiesen. Dem 2. Band 6ind als Einleitung
"Observations sur la langue et le style de S. Bernard" durch
Uiristine Mohrmann vorangestellt (IX-XXXIII). Die Sprache
Bernhards steht vor allem unter dem Einfluß der Bibel und der

ontessionen Augustins. Daneben sind die Elemente aus der
wert n*Cn UnC* mVstis^,en sprachlichen Tradition beachtens-
Weili r ^ntax 'st e'nfach; sie bevorzugt die Parataxe. Die je-
Fo uts'aRe Bernhards macht 6ich auch in der stilistischen

iXYA1g bemerkbar. »Ce rigoureux ascetc est un passionne"
AV). Eine rcjch,. Bildersprache steht ihm zur Verfügung. In

en letzten Jahren Bernhards gewinnt sein Stil an Schlichtheit.

Bei der vorliegenden Ausgabe handelt es 6ich um ein opus

grande. Man kann nur hoffen, daß ihm ein guter Fortgang beschieden
ist.

Erlangen Walther v. Loe wen i ch

Couesnongle, V. de: La notion de vertu generale diez Saint
Thomas d'Aquin.

Revue des Science6 philosophiques et theologiques 43, 1959 S. 601
bis 620.

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Müller, Gerhard: Franz Lambert von Avignon und die Reformation
in Hessen. Marburg/L.: El wert 1958. X, 182 S. gr. 8° = Veröffentlichungen
der Historischen Kommission für Hessen und Waldcck, 24,4:
Quellen und Darstellungen zur Geschichte des Landgrafen Philipp
des Großmütigen. Kart. DM 15.30.

Die aus einer Marburger Preisarbeit und theologischen
Dissertation herausgewachsene Untersuchung liefert noch nicht
die fällige Lambert-Biographie, jedoch einen wertvollen Beitrag
zur Frage nach Lamberts Bedeutung für die hessische Reformation
. Einzelne Fragen zur Biographie finden dabei von selbst ihre
Beantwortung. Man hätte sich wohl für eine knappe thematische
Abgrenzung der Studie gegenüber der Arbeit von E. Kurten
OFM.: F.Lambert von Avignon und N. Herborn, 1950, interessiert
.

Über Lamberts früheste Entwicklung kann Verf. aufgrund
spärlicher und widersprüchlicher Überlieferung doch soviel ausmachen
, daß sie sich aus dem Reformstreben der Franziskaner-
Observanten zur Reformationsbewegung hin vollzog. Lambert
erkannte, daß der Weg der Reformation im Sinne Luthers gegangen
werden müsse. Den Aufenthalt in Wittenberg von Januar

1523 bis zur Fastenzeit 1524 nahm er als Opfer auf sich, das er
seiner Berufung zum Reformator Frankreichs brachte. Seit 1522
ist sein Ziel auf die Wirksamkeit in der Heimat gerichtet. Die
Wittenberger ließen ihn ohne Empfehlung Februar oder März

1524 nach Metz ziehen. Trotzdem bleibt Lambert Luther theologisch
verbunden. Er hält zu ihm jedenfalls in den Fragen des
Willens und des Abendmahls, ohne dabei seine Selbständigkeit
als „Schrifttheologe" aufzugeben oder sich Ende Oktober 1524
den Kontakt zu Zwingli verbieten zu lassen. Mit der Berufung
nach Hessen entging Lambert mißlichen Verhältnissen in Straßburg
.

Lamberts Wirken in Hessen (1526—15 30) gilt Müllers
IL Kapitel. Von Straßburg empfohlen, berief Landgraf Philipp
Lambert, weil dieser bei den Evangelischen theologisch nicht diskreditiert
war. Lambert war der geistige Initiator der Homberger
Synode von 1526, die entscheidend für die Durchführung der
hessischen Reformation wurde. Faßt Müller im Zusammenhang
der Hornberger Ereignisse nur die Ergebnisse der bisherigen Forschung
— freilich immer wieder berichtigend — zusammen, so betritt
er mit Kap. III, das dem literarischen Wirken Lamberts
(der seit 1527 neben A. Krafft an der Universität wirkte) gewidmet
ist, Neuland (S. 53 ff.).

Der 1528 gedruckte Apokalypsenkommentar knüpft in
modifizierter Weise an joachitische Grundthesen an. Er ist wohl
die bedeutendste seiner Schriften, da ein angekündigtes Hauptwerk
, eine Summa in 26 Büchern, nur fragmentarisch 1538 von
Geldenhauer ediert wurde. Müller referiert zwar über den erhaltenen
Bestand, nimmt die Frage nach den Wurzeln der Theologie
Lamberts leider nicht auf, denkt dabei vorläufig an den Nomina-
Iismus und Raimund von Sabunde (S. 8 5, Anm. 266). Die Scheidung
zwischen Gottesreich und Satansreich spielt bei Lambert eine
große Rolle. Der Hinweis auf Butzers De regno Christi (1550)
ist berechtigt. Wo aber liegen nun die theologischen Wurzeln für
beide? Hier hätte Verf. doch tiefer graben müssen, auch wenn
die Notwendigkeit einer Begrenzung zugestanden werden soll.

Die von Müller wiederaufgefundene 1529 in Marburg gedruckte
und im Auftrage des Landgrafen Kaiser Karl V. über-
gebene „Somme Chrestienne", eine erste offiziell dem Kaiser
evangelischerseits überreichte Bekenntnisschrift (l), die S. 134 ff.
abgedruckt ist, stellt eine Apologie der protestantischen Lehre
dar und ist zugleich die Zusammenfassung der Theologie Lam-