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Ausgabe:

1960 Nr. 10

Spalte:

748

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Reller, Horst

Titel/Untertitel:

Vorreformatorische und reformatorische Kirchenverfassung im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel 1960

Rezensent:

Krumwiede, Hans-Walter

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 10

748

lung Erzherzog Rainer vor, der einen Hausteilkaufvertrag aus Hermo-
polis Magna vom 12. Dezember 600 n. Chr. enthält. — Auch der nächste
Beitrag dient der Auswertung eines in Wien verwahrten Dokuments.
Die Sammelhandschrift Cod. Vindob. 114 enthält fol. 13—15 den Anfang
einer griechischen Grammatik in lateinischer Sprache. Wilhelm
Krause legt dieses Fragment S. 7 ff. in Erstpublikation vor und vergleicht
es mit einem griechisch-lateinischen Glossar des Kodex XXV
D/65 des Benediktinerstifts Sankt Paul in Kärnten (herausgegeben von
Mich. Petsdienig, Wiener Studien 5, 1883, 159 ff.), mit dem sich der
Wiener Text nach Aufbau, Deklinationsparadigmen und im Wortschatz
— nicht jedoch bezüglich der grammatischen Terminologie! — in mannig-
facher Weise berührt. Die beiden Handschriften mögen demnach als
selbständige Bearbeitungen einer älteren Vorlage zu gelten haben. Für
die Grammatik denkt Krause an den Abt Gregor von Burtscheid (f vor
991) als möglichen Verfasser, eine höchst vage Vermutung I1 — Seine
bedeutsamen Untersuchungen zur Topographie von Konstantinopel
führt Rodolphe G u i 11 a n d S. 27 ff. fort mit einem Beitrag, der 6ich
mit der Lokalisierung des Thomaites und des „Heiligen Brunnens" beschäftigt
. 'O &a>fiahi]g tgluXtvog, ein Nebengebäude des Patriarchats
, dessen Örtlichkeit bekanntlich nicht in allen Einzelheiten feststeht2
, wurde im 7. Jahrhundert erbaut und nach einem Brande im
Jahre 791 wiederhergestellt; er barg unter anderem die Bibliothek de6
Patriarchats und war mehrfach Tagungsort von Synoden. In Ermangelung
archäologischer Zeugnisse untersucht Guilland die literarische
Überlieferung, nach welcher er das Verhältnis des Thomaites zum Augusteion
, zum Makron, der Mese und anderen Bauwerken bestimmt.
Die Beigabe eines seine Ergebnisse festhaltenden Planes würde diese
auch dem mit der Materie weniger Vertrauten deutlich werden lassen.
Mit der gleichen Methode wird To aytov 4>QeaQ als ein Portikus bestimmt
, der dem äußersten Südtor an der östlichen Seite der Hagia
Sophia vorgebaut war. — Obgleich San Marco als „Capella Ducale" die
Eigenkirche des Dogen von Venedig war, der sioh selbst als „Patronus
et verus gubernator ecclesiae et capellae Sancti Marci"3 bezeichnete, ist
sie doch nicht zur Begräbniskirche der Dogen schlechthin geworden;
vielmehr haben nur solche Dogen unter ihrem Pavimentum Aufnahme
gefunden, die an der Erbauung, Einrichtung oder Ausstattung der
Kirche beteiligt waren. Insgesamt sind sechs Dogengräber erhalten geblieben
, von denen die beiden frühesten — aus dem ausgehenden 11.
bzw. beginnenden 12. Jahrhundert — bisher fast nur als Inschriften-
träger, nicht als Kunstwerke behandelt wurden. Sie macht Otto D e m u s
S. 41 ff. zum Gegenstand seiner Untersuchung; es handelt sich um die
Monumente des Dogen Vitale Falier (f 1096) und der Dogaressa Felicitas
Michiel (f 1101), beide am mittleren Eingangstor der Westwand der
Vorhalle placiert. Erbaut wurden die Grabmälcr bei der Ausstattung
der Vorhalle im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts, aber sie haben
ältere Elemente aufgenommen. Diese werden von Demus eingehend
analysiert und dabei mittelbyzantinische Motive und Formen neben
ravennatischen und arabisch-sarazenischen konstatiert, welche eine
leistungsfähige venezianische Steinmetzwerkstatt im 11. Jahrhundert
miteinander verband. Dabei mag man die ravennatische Überlieferung
als die eigenständige angesehen haben; auf jeden Fall trug sie neben den
arabischen Einflüssen dazu bei, daß sich die venezianische Kunst Schritt
um Schritt von der byzantinisdien emanzipierte. — Besonders verdienst-
lich ist der sich S. 61 ff. anschließende, mit zwölf Tafeln ausgestattete
Aufsatz von Svetozar R a d o j i i c : Die serbische Ikonenmalerei vom
12. Jahrhundert bis zum Jahre 1459 (dem Jahr der Unterwerfung Serbiens
durch die Türken). Gegenüber der monumentalen Wandmalerei
hat die serbische Ikonenkunst erst spät die Aufmerksamkeit der Forsdier
auf sich gezogen, und auch heute noch ist das Material nur fragmentarisch
bekannt. Radojcic, notorisch einer der führenden Sachkenner,
gibt auf dieser Grundlage einen zusammenfassenden Überblick, wobei
er die Ikonenmalerei in beständige Parallele zur Kunst der Fresken setzt.
Dabei werden die stilistischen Übereinstimmungen zwischen beiden
Arten der Kunstübung frappant sichtbar, während die Frage, „ob die
Ikone in der alten serbischen Malerei immer eine führende Kunstform
als Träger neuer Inhalte und neuer Stilarten war" (S. 83), noch offen
gehalten wird. — In die Neuzeit führt der abschließende Beitrag von
Polychronis K. Enepekides S. 85ff., der mit 53 unveröffentlichten,
unterschiedlich wertvollen Dokumenten zum Wirken von Adamantios
Korais (1748 bis 1833), dem großen Lehrer der griechischen Nation,
bekanntmacht.

Beri;n Johannes Irmscber

J) Vgl. auch F. Dölger, Byzantinische Zeitschrift 50, 1957, 206.
2) Das Bekannte bei R. Janin, Constantinople byzantine, Paris
1950, 174.

*) Zitiert nach Demus a.a.O. 41. In dem von Demus erwähnten
Aufsatz von Andrea Galante, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte
, 33, Kanonistische Abteilung, 1912, 283 ff. vermag ich den
Beleg nicht zu ermitteln.

Reil er, Horst: Vorreformatorisdie und reformatorische Kirchenverfassung
im Fürstentum Braunschweig - Wolfenbüttel. Göttingen;
Vandenhoeck & Ruprecht 1959. 237 S., 3 Ktn gr. 8° = Studien zur
Kirchengeschichte Niedersachsens, hrsg. v. H. Dörries, H. 10. Brosch.
DM 28.80.

Die Entwicklung der Kirchenverfassung im Übergang vom
Mittelalter zur Reformation ist ein vielfach behandeltes Gebiet.
H. Reilers Untersuchung aber soll in besonderem Maße hervorgehoben
werden, ist in ihr doch die Entwicklung von der vor-
reformatorischen zur reformatorischen Kirchenverfassung im
Territorium Br.-Wolfenbüttel nicht nur durch erschöpfende
Heranziehung auch der ungedruckten Quellen belegt, sondern
auch durch sorgfältige und weiterführende Interpretationen dargestellt
worden.

Nach der Behandlung der Verhältnisse de6 Fürstentums Br.-
Wolfenbüttel im 16. Jhdt. beschreibt der Verf. die Herausbildung
einer katholischen Landeskirche. Die Ansätze zu einem landesherrlichen
Kirchenregiment waren um die Wende vom 15. zum
16. Jhdt. gering (S. 51). Erst Heinrich d. J. (1514-1568) hatte
allmählich den Einfluß der zuständigen Bischöfe ausgeschaltet und
alle Zweige der Diözesanregierung an sich gerissen. Sein Hofprediger
war eine Art katholischer „Landesbischof". Was jedoch
fehlte, war ein kirchliches Zentralorgan (S. 60). Noch galt ja
rechtlich das alte Diözesansystem.

Erst die Reformation durch Herzog Julius brachte dann die
selbständige (ev.) Territorialkirche. Bevor der Verf. jedoch darauf
zu sprechen kommt, behandelt er die Entwicklung landeskirchlicher
Aufsichts- und Verwaltungsorgane unter dem Einfluß
der Reformation vornehmlich in Kursachsen und Württemberg.
Durch Andreae wurde die Gründung der Landeskirche und der
Ausbau der landesherrlichen Superintendenz in Wolfenbüttel ja
nach württembergischen Vorbild vorgenommen (S. 113 ff.).

Von den Ergebnissen Rellers verdient der Nachweis besondere
Beachtung, daß die Organisation der neu gegründeten Braunschweigischen
Kirche nicht an die alten Verhältnisse (der Archi-
diakonate und Diözesen) anknüpfte. „Die Amts- und Gerichtsbezirke
wurden zwangsläufig zur Grundlage auch der neuen
kirchlichen Einteilung" (S. 152). Superintendent und Amtmann
stellen nun die zwei Seiten der landesherrlichen Verwaltung dar.
„Die weltlichen Angelegenheiten der Kirche wurden also von
weltlichen Beamten und nur die Predigtamt und Lehre betreffenden
von Theologen wahrgenommen" (S. 147). Diese gemeinsame
Visitation von Superintendent und Amtmann blieb bis gegen
Ende des 18.Jhdts. bestehen (S. 193). Das Superintendentenamt
als landesherrliche Kirchenpolizei setzte öffentliches und religiöses
Interesse in eins. Die Kirche wird zu einer „ancilla rei
publicae", ohne daß damit auf der anderen Seite das bischöfliche
Lehramt preisgegeben wäre (S. 195). — Wenn der Verf. die
öffentlichkeitsbezogene Vorsehungsfrömmigkeit des altprotestantischen
, lutherischen Staates in seinen Schlußsätzen in enge
Verwandtschaft zur Zürcher Reformation setzt (S. 195), so führt
eine solche These von seinen Untersuchungen ab. Da6 ist eine
Frage für sich, die einer eigenen Unterbauung bedürfte.

Dieser vorbildlichen landeskirchengeschichtlichen Monographie
, der drei sehr instruktive und gut gelungene Karten beigelegt
sind, möchte man wünschen, daß sie zu entsprechenden
Untersuchungen auch über andere Territorien anregte.

Göttingen Hans-Walter K

B a r i n g, Georg: Die französischen Ausgaben der „Theologia Deutsdi".

Theologische Zeitschrift 16, 1960 S. 176—194.
D o m b o i s, Hans Adolf: Die kirchliche und weltliche Eheschließung

in ihrer geschichtlichen Entwicklung.

Wege zum Menschen 12, 1960 S. 120—130.
S e e g e r, Ulrich: Hans Emil Weber — Zur Frage der Union.

Kirche in der Zeit 15, 1960 S. 189—192.
Staehelin, Ernst: Pius II. und die Gründung der Universität Basel

— Die Stiftungsbulle vom 12. November 1459.

Theologische Zeitschrift 16, 1960 S. 173—175.