Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1960 Nr. 9

Spalte:

705-706

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Maier, Johann

Titel/Untertitel:

"Zum Gottesvolk - und Gemeinschaftsbegriff in den Schriften vom Toten Meer" 1960

Rezensent:

Maier, Johann

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

705

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 9

706

einem positiven Sinn der kanonischen (gottesdienstlichen!) Ordinationshandlung
fest, wie gegen G. Rietschel nachgewiesen wird. So sieht
Luther nicht nur in seinem Vorschlag an die Böhmen 1523 eine solche
gottesdienstliche Ordinationshandlung vor, sondern veranlaßt auch selbst
die feste Einrichtung einer solchen in Wittenberg. Die Entstehung der
Wittenberger Ordinationshandlung und Luthers Ordinationsformular
werden ausführlich untersucht. Diese Ordination ist vor der Gesamtkirche
geschehende Bestätigung der Vokation, effektive Sendung und
Segnung zum Amt, durch sie wird eine Person endgültig (von Gottl) ins
Amt gesetzt. Die Handauflegung hat dabei nicht nur eine notarielle Bedeutung
, sondern auch eine bencdiktionelle, die sie aus ihrer Verbindung
mit dem Ordinationsgebet gewinnt. Die Erteilung der Ordination
sieht Luther wesentlich als Funktion des Amtes, nur für den äußersten
Notfall läßt er Ausnahmen zu.

Der IL Teil wendet sich Melanchthons Lehre vom
geistlichen Amt und der Ordination zu. In Melanchthons
Kirchenbegriff ist das Amt an zentraler Stelle eingefügt, es faßt
die Gnadcnmittel in sich zusammen und ist als ministerium docendi evan-
gelium et administrandi sacramenta selbst nota ecclesiae. Eine Ableitung
des besonderen Amtes aus dem allgemeinen Priestertum findet
sich bei Melanchthon nicht. Mit stärkster Betonung lehrt Melanchthon
aber die göttliche Einsetzung des konkreten Amtes. Das
Amt der Evangeliumspredigt und Sakrament6verwaltung als publicum
ministerium gehört zu der von Gott gestifteten Wesensstruktur der
Kirche, weswegen Gott selbst auch für seine Erhaltung sorgt. Das Amt
ist aufgrund der Verheißung, daß Gott durch es wirken will, instrumen-
tum 6piritus saneti, ihm eignet eine Amtsgewalt, die mit der potestas
ecclesiastica praktisch gleichzusetzen ist. Ihm gebührt iure divino Gehorsam
, solange es sich an seinen geistlichen Auftrag hält.

Auch Melanchthon sieht die Vokation als unbedingt notwendig an.
Das ius vocationis ist bleibendes Giundrecht der Ecclesia. Für die
nähere Bestimmung der konkreten Vokationsinstanzen ist für Mel. das
altkirdiliche Beispiel von entscheidender Bedeutung: Volk und Amt,
die Gemeinde (bzw. deren praeeipua membra) und die Diener am Wort
berufen, wobei das Amt die Hauptverantwortung trägt. Eine Vokation
ohne Beteiligung von Pastoren widerstreitet nach Mel. dem göttlichen
Recht. Das .rite vocatus' von CA 14 ist von Apol. 14 her zu interpretieren
. Als de-iure-divino-Be6tandtei!e der Vokation lehrt Mel. vocatio,
exploratio doctrinae, publica approbatio vocationis und precatio. Hierin
ist die gottesdienstliche Ordination im engeren Sinne
enthalten, zu deren ius divinum Mel.s Stellung allerdings nicht ganz
eindeutig ist (hierzu ein Exkurs über den Frederschen Ordinationsstreit).
Als Sinn der Ordination lehrt Mel. die öffentliche Bestätigung rechtmäßiger
Vokation durch andere ministri verbi, bei der Christus selbst
ins Amt ruft, sendet und durch Mitteilung des hl. Geistes zum Amt
segnet. Ordination ist endgültige Auflegung des Amt6mandats und
Wirksame Amtsübergabe, darum unbedingt Funktion des geistlichen
Amtes selbst (Bischofsordination, im Notfall Pastorenordination, aber
leeine Laicnordination). Der Ordination6ritus weist als unerläßliche
Bestandteile Gebet und testimonium auf, letzteres hat normalerweise
durch die Handauflcgung zu geschehen, der dabei nicht allein significa-
tive, sondern auch benediktionelle Bedeutung zukommt.

Ein Vergleich zwischen Luther und Melan-
c h t h o n am Schluß der Arbeit ergibt, daß bei weitgehender grundlegender
Gemeinsamkeit der Unterschied zwischen beiden Theologen
eigentlich ausschließlich in der Deutung und Verwendung de« allgemeinen
Priestcrtums im Hinblick auf das Amt liegt. —

M a i e r, Johann: Zum Gottcsvolk- und Gemeinschaftsbegriff in den
Schriften vom Toten Meer. Diss. Wien 1958. 292 S.

Teil A: Die Untersuchung der Verwendung von „Israel" und
"Volk" (Gottes) ergibt, daß die Qumrangemeinde diese Begriffe nicht
2ur Sclbstbczeichnung verwendete und also auch nicht den Anspruch
erhob, Israel schlechthin zu sein. Der Grund ist die Hoffnung auf ein
eschatologisches Gesamtvolk, für welches in 1QM und 1 QSa zwei
stark priesterschriftlich bestimmte 'Edah-Entwürfe vorliegen (in 1 QSa
■juch Elemente der tatsächlichen Gcmeindcordnung), die in Teil B
Vs. 19_42) analysiert werden. Die Forderung der Umkehr als Eintritt
In die ,,Gemeinde der Einung" läßt erkennen, daß die Gemeinde selbst
Jjj Wc8en dieser eschatologischen Hoffnung zwar nicht Israel 6chlccht-
n'n nennen konnte, sich aber zu diesem endzeitlichen Gesamtvolk in
e'nem (nur in der Gemeinde vorhandenen) „vor-läufigen" Verhältnis
wußte.

T c i 1 C: I untersucht den Sprachgebrauch von 'edah im AT darauf,
? . sich außerhalb des pricsterschriftlichcn Terminus ein allgemeiner
Jucht davon abgeleiteter) Sprachgebrauch feststellen läßt, was trotz

• Rost ,,Die Vorstufen von Kirche und Synagoge" wahrscheinlich
w'rd. II (50 f.) untersucht die tjvvaywyrj in den Apokryphen, III den

gemeinen (nicht an P orientierten) Sprachgebrauch in Qumran (52

—58), IV behandelt die „Synagoge" der Chassidim der Makkabäerzeit
(59—73), der vielleicht die Bestimmungen der Lager — 'edah in der
Damaskusschrift zuzuordnen 6ind.

S. 43—94 sucht nachzuweisen, daß ein allgemeiner (nicht theologisch
bestimmter) Sprachgebrauch von 'edah in bestimmten Kreisen verbreitet
war, deren Hauptmerkmale sind: eine akut eschatologische Ausrichtung
, eine radikale theologische Anthropologie (radikales Nichtigkeit
«- und Sündenbewußtsein, Rechtfertigung sola gratia) neben höchstem
Vollkommenheits- und Erwählungsbewußtsein, verbunden durch
äußersten Gesetzesgehorsam, der einerseits als gottgeschenkt gilt,
andererseits in Qumran als objektiver Maßstab zur Beurteilung für die
Rangordnung dient. Dieser Polarität von Niedrigkeit und Hoheit im
Menschenbild entspricht im geschichtlichen Bereich die eschatologische
Erhöhung der „Demütigen" („Armen"). Die „Armut" hat nichts mit
der „Gütergemeinschaft" in Qumran zu tun, ist eine Weiterführung atl.
(v. a. Tritojesaja und verwandte sek. Prophetenstellen, best. Psalmen)
Strömungen und scheint in der zwischentestamentlichen Zeit stark verbreitet
gewesen zu sein.

Teil D: Der Gemeindebegriff in Qumran selbst. Aus der eigenartigen
Verbindung von e6chatologischer „Armenfrömmigkeit" und
priesterlichen Traditionen entsteht die Frömmigkeit der Qumran-
Gemeinde. Der Zentralbegriff der Gemeinschaft ist j a c h a d (S. 103 ff.),
der nicht eine organisierte Größe (Gemeinde, Gemeinschaft etc.) bezeichnet
, wie fast allgemein angenommen wird, sondern eine bestimmte
Form des Gemeinschaftslebens, die offenbar aus der
Lebensgemeinschaft der Tempelpriesterschaft erwachsen ist (nach
L. Rost) und mit dem Selbstverständnis der Gemeinde als „wahres
Tempelheiligtum" eng verknüpft ist. Vom term. techn. dürfte der gelegentliche
Gebrauch des Niphals abgeleitet sein (S. 112 ff.).

Die organisatorische Größe der Jachad-Gemeinde wird in der Regel
mit 'st hjhd, seltener mit swd hjhd und offenbar auch mit jswd hjhd
etc. bezeichnet. Ziel dieser Lebensform ist die Wahrung der Kontinuität
der Heilsgeschichte durch Wahrung des Bundes und durch Ersatz
des Opferkultes durch die Lebensform des jachad.

Dies führte in Weiterbildung des atl., eschatologisch bestimmten
Gedankens vom Gottesvolk (bzw. Zion) als Bau (S. 137—151), der
auch in den Pseudepigraphen stark vertreten ist, zur Ausbildung der
Gleichung Gemeinde der Einung = wahrer Tempel, wobei das schillernde
Verhältnis von irdischer und himmlischer Wohnstatt Gottes
(die keineswegs nur im Verhältnis der Entsprechung zueinander stehen)
die Grundlage zur Ausbildung einer Esoterik bot, da mit der Teilnahme
am Kult der Engel vor Gottes Thron Erkenntnisse kosmologischen und
eschatologischen Inhalts verknüpft wurden.

Dasselbe Bild einer Weiterbildung aus dem Bereich der eschatologisch
bestimmten Geschichtsbetrachtung in den esoterisch bestimmten
Bereich räumlich-kosmologischen Denkens zeigt die Verwendung des
Bildes der Pflanzung (S. 151—160) für die Gemeinde. Diese Ausprägung
der esoterischen Seite könnte zum Teil durch die Verzögerung
des Eschatons gefördert worden sein, entschärft dieses Problem auch,
rückt aber (in Verbindung mit der schroffen Anthropologie und dem
dualistischen Weltbild) hart an die Grenze der Gnosis, die aber nicht
überschritten wird, da an der vollen Geschichtsmächtigkeit und Herrschaft
des atl. Schöpfergottes noch nicht gezweifelt wird.

Teil E: Für das Neue Testament ergibt sich, daß Anklänge, die
sich auf die sog. „Armenfrömmigkeit" zurückführen lassen, keine Annahme
von Qumraneinfluß erlauben, da Qumran ein Sonderfall dieser
Strömung ist. Die Charakteristika der Qumrangemeinde, die Motive
der „Einung" und die esoterischen Tendenzen lassen sich im NT kaum
nachweisen. Soweit aber Qumran die Kenntnis der eschatologischen
„Armenfrömmigkeit" fördert, fällt auch auf manches im NT viel Licht,
vor allem auf die theologische Anthropologie des Paulus und auch auf
den Gemeindebegriff (171 ff.) des pal. Urchristentums, für den (speziell
Mt. 16, 18) nicht qahal, sondern 'edah als hebr. Äquivalent in Frage
kommt, aber nicht als Weiterführung des priesterschriftlichen Begriffes,
sondern in einem allgemeinen, nicht theologisch bestimmten Sprachgebrauch
, qahal scheint dagegen besonders im Sinne des qehal Jahwe
völlig in den Hintergrund zu treten. S. 186 ff.: Anmerkungen.

Mau, Rudolf: Der Begriff der Heilsnotwendigkeit („necessarium ad
salutem") und seine Begründung in der Scholastik im Vorblick auf
Luther. Diss. Berlin 1959. VIII, 250, 155 S.

Die Frage nach den subjektiven und objektiven Bedingungen, deren
Erfüllung „zum Heile des Menschen notwendig" ist, stellt ein von
katholischer Seite sehr häufig, jedoch fast ausnahmslos in bezug auf
einzelne dogmatische loci (Kirche, Taufe, Eucharistie, Glaube u. a.) und
oft mit Tendenz zur Kasuistik erörtertes Thema dar. Es fehlte bisher
eine systematische Untersuchung der Denkvoraussetzungen, die der
häufigen Verwendung des Begriffs der Hcilsnotwendigkeit in der katholischen
Theologie zugrunde liegen, «eine relative Seltenheit in der evan-