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Ausgabe:

1960 Nr. 9

Spalte:

699-702

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Margull, Hans Jochen

Titel/Untertitel:

Theologie der missionarischen Verkündigung 1960

Rezensent:

Vicedom, Georg F.

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699

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 9

700

Meyer, Hans: Das Eigentum in evangelischer und katholischer Sicht.

Kirche in der Zeit 15, 1960 S. 159—162.
Niebuhr, Richard: Die Wertmitte.

Zeitschrift für evangelische Ethik 1960 S. 148—159.
T h i e 1 i c k e, Helmut: Studie zum Atheismus-Problem.

Zeitschrift für evangelische Ethik 1960 S. 129—136.

M1SS10NSWISSENSCHATF UND ÖKUMENE

M a r g u 1 1, Hans Jochen: Theologie der missionarischen Verkündigung
, Evangelisation als oekumenisches Problem. Stuttgart: Evangelisches
Verlagswerk [1959]. 336 S. 8°. Lw. DM 24.—.

Der Verfasser hat mit dieser Arbeit für Theologie und
Kirche einen unschätzbaren Dienst geleistet. Er hat die ganze in
der ökumenischen Bewegung und in Verbindung mit ihr entstandene
Literatur unter der Fragestellung nach einer Theologie
der missionarischen Verkündigung, die vielen Stimmen und die
verstreuten Aussagen, zusammengefaßt und damit den Kirchen
gezeigt, wieviele theologische Ansätze und praktische Anstöße
allein unter dieser Fragestellung in der ökumenischen Diskussion
liegen. Allein das Literaturverzeichnis macht 36 Seiten aus. Damit
werden die Erträgnisse der ökumenischen Diskussion für die
Verkündigung, vor allem aber für die volksmissionarische Arbeit
der Kirchen fruchtbar gemacht, und es wird verhütet, daß wertvolle
Erkenntnisse in Vergessenheit geraten können. Erst jetzt
wird deutlich, daß die ökumenische Diskussion sich nicht losgelöst
vom Leben der Kirchen vollzog, sondern daß sie von der
Heiligen Schrift ausgehend sich mit der rechten Verkündigung
der Kirchen beschäftigte und daß sie infolgedessen auch wieder
in diese hineinführen muß. Es geht dabei nicht darum, die wahre
Kirche herzustellen, sondern die Kirche wahr zu machen. Dennoch
konnte diese Arbeit nur ein Teilgebiet in Angriff nehmen;
denn sie mußte die Lehre von dem Sein der Kirche voraussetzen
und konnte sich nur mit ihrer Sendung beschäftigen. Es konnte
darin auch nicht berücksichtigt werden, was in den ökumenischen
Parabewegungen vor sich geht.

Der Doppeltitel des Buches ist notwendig geworden, weil
sich der englische Begriff „evangelism" nicht mit einem deutschen
Wort eindeutig wiedergeben läßt. Evangelisation ist dafür zu
wenig, missionarisch eigentlich zu weit, dazu abgegriffen und
verzeichnet. Evangelism „kann sowohl die heidenmissionarische
Verkündigung als auch die missionarische in der nicht klassischen
Missionssituation umgreifen, und er läßt Raum, um die
eschatologische Dimension eben der missionarischen Verkündigung
zum Ausdruck bringen zu können" (290). Es ist also in
erster Linie die Theologie der Volksmission und Evangelisation
behandelt, die aber nur dadurch richtig wird, daß sie von der
Sendung Gottes in die Welt her gedacht ist.

In einem 1. Teil arbeitet der Verfasser die Hoffnung als
Botschaft und Basis der christlichen Verkündigung heraus, wobei
er von der deutschen Stellungnahme auf der Weltmissionskonferenz
in Tambaram ausgeht und in dem Thema der Vollversammlung
von Evanston die Zuspitzung sieht. Dazwischen liegen die
Schwierigkeiten wie sie in einer dem eschatologischen Denken
entwöhnten Theologie aufgekommen (32, 34) und in Evanston
noch in Erscheinung getreten sind (46, 49). Bei einzelnen Abschnitten
wäre zu fragen, ob die Ergebnisse der Weltmissionskonferenz
von Whitby nicht doch zu Unrecht übergangen sind.
Mir scheint, daß gerade von dort her zu dem Abschnitt „Der
Zeuge" (67) oder zu dem Thema: Die Kirche als Werkzeug der
Sendung Christi (75), Entscheidendes zu sagen gewesen wäre.

Teil 2 behandelt: Die Kirche — Situation und Aktion, wobei
die Ökumene als Bußbewegung (81), also als Ereignis und
die Kirche als Pilgerschaft (84), als eine in die Welt Gesandte,
bezeichnet wird. Dabei ist sich der Verfasser bewußt, daß über
das Wesen der Ökumene und über die Kirche noch mehr zu sagen
gewesen wäre. Die ökumenischen Studien wollen jedoch keine
Dogmatik bieten, sondern wollen „Weckruf" sein (142). In diesem
Teil wird auch der Verlauf der ökumenischen Diskussion
entfaltet, wobei man sich fragen kann, ob das nicht methodisch
besser im Zusammenhang mit dem ersten Teil geschehen wäre.
Als Abschluß dieses Teiles wird die Theologie des Apostolats auf
Grund deT Arbeiten von H. Kraemer und J. C. Hoekendijk in

Zusammenhang mit der Gefangenschaft der Kirchen in ihren
Ordnungen behandelt und auf Grund einer Situationsschilderung
nach Henri Godin nach der missionarischen Aktion der Kirche
gefragt.

Teil 3 befaßt sich mit: Die Ökumene — Verkündigung und
Einheit, Die eine Kirche in der einen Welt, die Zusammengehörigkeit
von Mission und Evangelisation, Einheit und missionarische
Verkündigung sind die Hauptthemen. Es wird vor allem
die Kirche in ihrer postchristlichen Situation behandelt, die auf
der ganzen Welt durch das Wiedererwachen der Religionen und
durch die weltweite Verbreitung des Säkulari6mus gegeben ist.
Wie kann die Kirche an die von Christus losgelösten Menschen
mit ihrer Verkündigung herankommen? Erfreulich ist, daß in diesem
Zusammenhang die Taufe als der Griff Gottes nach dem
Menschen behandelt wird.

Das Vorwort des Buches nimmt eine Anzahl Abgrenzungen
vor. Es handelt sich vor allem um Fragen, die bisher in der Ökumene
nicht behandelt wurden.

Das Beglückende an dem Buch ist, daß es trotz klarer Analyse
der Situation keine Begründung des Dienstes der Kirche
von der Situation her gibt. Es geht immer von theologischen Erkenntnissen
aus, von denen her die Situation bestimmt wird
(10, 157 ff., 162 ff.). Es bleibt deshalb auch nicht in Methodenfragen
stecken (9), obwohl von den Erkenntnissen her die bisherigen
Methoden der Volksmission und der Evangelisation beleuchtet
werden (20, 59) und nicht verhehlt wird, daß die Verwirklichung
der Erkenntnisse bestimmte Methoden, z. B. Mut
zur Hauskirche (199 f.), erfordern. Es geht bei allem um die
Kirche selbst, darum, daß in der Kirche Kirche werde. Das war
das Überraschende an der ökumenischen Diskussion, daß sie von
Methodenfragen ausging, aber sehr bald entdeckte, daß keine
dieser Fragen zu beantworten war, ohne daß man die Frage nach
dem Wesen der Kirche und nach der Theologie ihrer Verkündigung
stellte.

Es war gut, daß die missionarische Verkündigung nicht von
der Kirche her begründet wurde (73). Sie hätte dann beim
Missionsziel in Fragen stecken bleiben müssen, wie: Geht es um
Rückgewinnung von Kirchengliedern (21) oder um die Wiederherstellung
des Corpus Christianum (56 f., 59), oder um die
Ausbreitung der Kirche und um ihre Propaganda (69 ff.)? Darum
erfolgt auch die Absage rm die bisherigen Missionsmotive, die
sich von den theologischen Erkenntnissen her nicht mehr als
tragfähig erweisen (53). „Die theologische Aussage wird gewonnen
in ständigem Blick auf den Begriff des Reiches Gottes in
seiner eschatologischen Spannung" (52). Mission ist damit Anteil
an der Sendung Christi (19), ist eschatologisches Geschehen,
Handeln Gottes mit der Welt (18), Sammlung der Gemeinde
Christi auf das Ende hin (21). Damit ist sie aber auf das engste
verknüpft mit der uns gegebenen Hoffnung, mit dem geschichtlichen
Ereignis der Offenbarung der Gottesherrschaft in Jesus
Christus, auf dem die Kirche ruht. Die Mission will die Welt für
das kommende Reich bereiten (29). Damit wird die eschatologische
Hoffnung das Ziel aller Missionsarbeit. Die Kirche lebt
darum im „schon" und im „noch nicht". Sie gründet in dem gekommenen
Christus und lebt auf den kommenden Christus hin
(50, 56, 65). Ihr Dienst ist durch das Evangelium immer auf ihr
Gegenüber, auf die Welt gerichtet. Dies tritt aber nicht in Erscheinung
, wenn sie durch das Corpus Christianum das Reich
Gottes in eine Symbiose mit der Welt zwängt (54), oder in der
Einheit von Kirche und Volk die eschatologische Verwirklichung
vorausnimmt (56). Die Kirche hat der Welt das Evangelium zu
bezeugen und in der Rettung der Menschen die Erhaltung der
Welt durch Gott zu sehen (63). Sie muß wissen, daß Christus
das Ende der Geschichte ist und daß diese Welt unter der Geduld
Gottes lebt (66). Erst durch die Mission wird die Geschichte
Geschichte Gottes mit den Menschen. In diese ist die Kirche
hineingenommen. Man kann darum nicht Kirche sein, ohne an
der Sendung Christi Anteil zu haben. Gott will die Kirche zu
seinem Werkzeug machen, durch deren Verkündigung immer
etwas Neues entsteht (71), das sein Ziel in der neuen Menschheit
findet (76).

Die Kirche kann aber nicht Werkzeug 6ein, wenn sie sich
nicht vom Kirchentum, von ihrer eigenen Fixierung weg ay'
Christus hin erneuern läßt (83 f.). Sie muß in der Kirche Kirche