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1960 Nr. 1

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Neues Testament

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 1

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Zukunft der Gottesherrschaft und über den Zusammenhang von
Gottesherrschaft und Kirche. Das grundlegende erste Kapitel betont
sofort, daß die Botschaft von der nahen Gottesherrschaft in
Jesu Verkündigung zentral war und daß „der Begriff der
,Gottesherrschaft' in seinem (d. h. Jesu) Mund immer das escha-
tologische Königtum Gottes meint", und daß Jesus mit diesem
Begriff Heil verkündigt, auch wenn er Umkehr fordert und Gericht
voraussagt, wie auch schon die Erhebung dieses Begriffs zum
zentralen Heilsbegriff durch Jesus eine originale Tat war. Zeigt
sich im Zusammenhang dieser überzeugenden Ausführungen bereits
, daß die Verbindung von Ilmkehrforderung und Heilsangebot
nur verständlich wird, wenn man das Hereinwirken der
eschatologischen Gottesherrschaft in Jesu Wort und Tat als An
Spruch Jesu erkennt, so fügt sich ganz natürlich die Erörterung
der Frage nach der Gegenwart der Gottesherrschaft in der Verkündigung
Jesu an. S. schickt diesem Kapitel eine Übersicht über
die heute vertretenen Deutungen der Gottesherrschaft bei Jesus
voraus und entscheidet sich für eine „heilsgeschichtliche" Deutung
. Durchaus überzeugend wird dann nachgewiesen, daß Jesus
in seinen Taten und Worten die Gottesherrschaft vorläufig, aber
dynamisch und nicht nur als Vorzeichen gegenwärtig wirksam
sieht, und daß in diesem Anspruch ein verborgener Messiasanspruch
nicht zu verkennen ist, den die Überlieferung verstärkt
hat. Weniger überzeugend ist die sich anschließende Behandlung
einiger „umstrittener Stellen" (der „StürmeTsprach" redet ursprünglich
davon, daß sich seit dem Täufer jeder mit Gewalt ins
Gottesreich eindrängt; auch Lk 17, 20 f. zeigt die Gegenwart der
Gottesherrschaft, wie überhaupt bei Lukas der „Spannungscharakter
zwischen Gegenwart und eschatologischer Vollendung"
trotz Dehnung der Zeit erhalten bleibt), und problematisch ist
auch die Behandlung der Wachstumsgleichnis6e (sie setzen die
Gegenwart der Gottesherrschaft voraus, schauen aber zugleich auf
die künftige Vollendung). Wird hier zu Unrecht die allegorische
Deutung der Evangelisten als Jesu Verkündigung sachgemäße
Weiterdeutung in einer veränderten Situation in Anspruch
genommen (und sogar die Allegorese der Kirchenväter
„für ihre Zeit" verteidigt!), so läßt sich die Richtigkeit der
Ausführungen über die Gegenwart der Gottesherrschaft bei Jesus
m. E. nicht bestreiten, zumal im folgenden Kapitel mit gleicher
Eindeutigkeit betont wird, daß „den zukünftigen Charakter
der Gottesherrschaft die Hauptmasse der Stellen" bezeugt und
daß „das kommende Reich der Herrlichkeit der perspektivische
Punkt ist, von dem aus die Gegenwartsaussagen ihre Richtung
.. . empfangen". Auch hier wird mit Recht gezeigt, daß Jesus
seine eschatologische Rolle als Menschensohn mit der zukünftigen
Gottesherrschaft verbunden hat. Wenn dann aber S. im Anschluß
daran die Behauptung aufstellt, daß Jesus infolge des Unglaubens
seiner Hörer zur Einsicht kam, daß er die Rolle des jesajanischen
Gottesknechts spielen und durch seinen Sühnetod eine neue
Heilsmöglichkeit schaffen solle, so ist weder die Annahme einer
2. Periode in der Verkündigung Jesu noch die Eintragung der
lukanischen Anschauung von der Umkehrmöglichkeit zwischen
Auferstehung und Parusie in die Verkündigung Jesu geschichtlich
überzeugend. In einem abschließenden Paragraphen wendet sich
S. dann der „Frage der Naherwartung" zu und behandelt hier die
viel diskutierten Texte Mt 10,23; Mk 9, 1; 13,30 mit dem
Resultat, daß diese Texte nicht erlauben, Jesus einen Irrtum in
der Zeitvoraussage zuzuschreiben. Wird schon hierbei die Unsicherheit
der Exegese dieser Texte mit dem Resultat ihrer Un-
wirksammachung zweifellos übertrieben, so kann es nur als ein
Rückfall in eine ungeschichtliche und apologetische Betrachtung
bezeichnet werden, wenn S. dann sogar fordert, wir müßten uns
von den abendländischen empirischen Zeitvorstellungen lösen,
weil „das heilsgeschichtliche Denken der Bibel vielmehr nach dem
fragt, was in der Zeit geschieht und sie .füllt' "I Die Untersuchung
der Verkündigung Jesu wird abgeschlossen durch ein Kapitel
über „Die Gottesherrschaft und die Heilsgemeindc Jesu"
Hier sucht S. zu zeigen, daß Jesus in seiner letzten Zeit auf den
Restgedanken zurückgreift und die reduzierte irdische Jüngerschar
als den Kern der Heilsgemeinde des kommenden Gottesreiches ansieht
. Eigentümlicherweise wird dann aber (entgegen Mtl6,18f.)
bestritten, daß die Zugehörigkeit zu der von Jesus begründeten
Endgemeinde die Aufnahme in die kommende Gottesherrschaft

garantiere, und andererseits wird schon in diesem Zusammenhang
aufgrund des Matthäusevangeliums gezeigt, daß die Urkirche
ihre Existenz in Beziehung zur kommenden Gottesherrschaft
interpretierte. So sehr S. dabei die Gleichsetzung von Kirche und
Gottesherrschaft ausdrücklich vermeidet, so sehr scheint mir doch
die Behauptung eines Kirchengedankcns als einer Spätform des
Denkens Jesu unhaltbar. Richtig wird zuletzt das Abendmahl im
Sinne Jesu als reale Anwartschaft auf das kommende Gottesreich
gedeutet.

Nach dieser ausführlichen Behandlung der Verkündigung
Jesu wirkt der dritte Teil („Gottes Herrschaft und Reich in der
Verkündigung des Urchristentums", S. 181—245) fast wie ein
Nachtrag. Für die Urgemeinde wird darauf verwiesen, daß die
vollendete Gottesherrschaft sich schon jetzt in der Christusherrschaft
realisiert, und überzeugend betont, daß die Paru6ie-
erwartung zwangsläufige Folge dieser Anschauung und nicht eine
spätere Stufe urchristlicher Christologie ist, daß vielmehr die
Anschauung von der Gegenwart als der heilsgeschichtlichen
Zwischenzeit das ganze Urchristentum beherrscht. Für Paulus ergibt
sich, daß für ihn in der Gegenwart Christusherrschaft und
Gottesherrschaft zusammen bestehen, ohne daß der Gedanke des
künftigen Gottesreiches verloren geht (die exegetische Erörterung
der paulinischen ßaadn'a -Texte ist besonders eindringlich und
erwägenswert). Eine kirchliche Weiterbildung dieser Gedanken
im Epheserbrief will S. nicht zugestehen, stellt dagegen fest, daß
der Begriff des „Himmlischen Reiches" in 2. Tim 4,18 einen
hellenistischen Eindruck macht, ohne daß für die Frage der paulinischen
Herkunft daraus eine Konsequenz gezogen würde. Richtig
ist auch, daß die vertikale Betrachtung jetzt neben die horizontale
, heilsgeschichtliche Betrachtung tritt (Hebr, 2. Petr), doch
fallen auch in der Apokalypse Kirche und Gottesreich erst in der
Vollendung zusammen. Ausführlich untersucht S. in diesem Zusammenhang
den Gedanken des Tausendjährigen Reiches in der
Apokalypse, stellt mit Recht fest, daß dieser Gedanke auch hier
im Grunde unmöglich ist, und sucht nachzuweisen, daß Apk
20, 1 ff. nicht ein wirkliches Zwischenreich meine, sondern nur
Sieg und Lohn der Märtyrer beschreiben wolle. Das wird mit sehr
beachtlichen Argumenten begründet, ist aber doch wohl nicht ganz
einleuchtend.

Die gesamte Untersuchung Schnackenburgs bietet so eine
wirkliche Geschichte des Gottesreichsgedankens im Urchristentum
, bei der die zentrale Rolle der futurischen Eschato-
logie ebenso ernst genommen wird wie die Wandlungen der
Vorstellungen durch das Vordringen der Christologie nach Ostern
und infolge des aufbrechenden Bewußtseins der Parusieverzöge-
rung. S. arbeitet sehr selbständig, grenzt sich auch mehrfach klar
gegen übliche katholische Deutungen ab, wird aber trotzdem an
manchen Punkten durch dogmatische Gebundenheit zu einer Inkonsequenz
oder einem Selbstwiderspruch veranlaßt. Das lebendig
geschriebene Buch bedeutet so eine wirkliche Förderung, vor
allem für das Verständnis der Verkündigung Jesu, und wird das
wissenschaftliche Gespräch zwischen den evangelischen und katholischen
Erforschern des Neuen Testaments zweifellos beleben.

Marburg/Lahn Werner Georg Kümmel

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