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Ausgabe:

1960 Nr. 9

Spalte:

686-690

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Emrich, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Franz Kafka 1960

Rezensent:

Emmel, Hildegard

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 9

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Seeliger, Stephan: Pfingsten. Die Ausgießung des Heiligen Geistes
am fünfzigsten Tage nach Ostern. Düsseldorf: Schwann [1958]. 45 S.
m. 10 Abb., 32 Taf., 1 färb. Titelbild. 4° = Lukas-Bücherei zur
christlichen Ikonographie, Bd. X. Hlw. DM 12.80.

In diesem Bande der Lukas-Bücherei werden die bildlichen
Darstellungen der Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingst-
tage zum ersten Male monographisch behandelt. Die Arbeit umfaßt
die Werke von der frühchristlichen Kunst bis auf unsere
Tage. Im ersten Kapitel seines Buches betrachtet der Verf. den
formalen Aufbau der Pfingstbilder und dessen Wandlungen und
beschäftigt sich mit Fragen der stilistischen Abhängigkeit und
Einordnung der einzelnen Kunstdenkmäler. In den folgenden
Kapiteln schenkt er dem Bildinhalt seine Aufmerksamkeit und
macht dabei bemerkenswerte Feststellungen: Obwohl alle Pfingstbilder
das Ereignis der Ausgießung des Heiligen Geistes am
fünfzigsten Tage nach Ostern als Thema haben, weisen die Bildinhalte
dennoch teilweise beachtliche Unterschiede auf. Die
Predigt Petri und die Wirkung des Heiligen Geistes auf die anwesenden
und zuhörenden ,,gentes" werden im Abendland selten
dargestellt. ,,Es sind immer nur Einzelwerke, die in von Byzanz
beeinflußten Kunstkreisen entstehen und kaum Nachfolge haben.
Im Barock wird der Gedanke dann noch einmal aufgenommen,
und Apostel und .gentes' werden zu einer neuen Einheit zusammengefügt
: nun aber nicht in Bezogenheit auf die Predigt
des Petrus, sondern als erste Glieder der universalen Kirche
Christi" (S. 24). Seeliger erklärt durchaus zutreffend, daß diese
Auffassung dem barocken Bild-Denken entspreche. Ohne Zweifel
hat hier die religiöse Diskussion jener Zeit über die universale
Kirche einen Niederschlag gefunden. Die weitaus größte
Zahl der Pfingstbilder stellt das Ereignis der Ausgießung des
Heiligen Geistes auf die versammelten Jünger dar. Aber auch
diese Bilder zeigen nicht nur in ihrer Komposition, sondern auch
in ihrem Bildinhalt Unterschiede, die theologisch interessant,
ja sogar sehr bedeutsam sind. Eine Gruppe beschränkt sich in
der Darstellung auf die Zusammenordnung der Apostel und die
Symbolisierung der Geistausgießung. Die Wirkung des Ereignisses
wird durch den Gesichtsausdruck und durch die Haltung der
versammelten Apostel zum Ausdruck gebracht. Die Zahl der
Apostel schwankt auf den uns überkommenen Bildern. Kompositioneil
wird manchmal Petrus in den Mittelpunkt der versammelten
Jünger gestellt und durch die auf ihn gerichteten
Blicke der Apostel und durch die über ihm herniederschwebende
Taube oder auf andere Weise hervorgehoben (siehe z. B. das
Pfingstbild im Perikopenbuch aus Altomünster). Eine andere
Gruppe zeigt Christus als den Entsender des Heiligen Geistes.
Seeligcr schreibt hierüber: „Es will nicht recht gelingen, die
Pfingstdarstellungen mit Christus historisch enger miteinander
zu verknüpfen. Entstanden ist die Bildform wohl im Abendland
um das Jahr 1000, jedoch findet sich der sie bedingende theologische
Gedanke schon bei Augustin... Die Seltenheit und Ver-
streutheit entsprechender Bilder läßt uns annehmen, daß der Gedanke
kaum eine feste Tradition gehabt hat, sondern immer
wieder neu gedacht wurde, ausgehend von den genannten
Schriftstellen Joh. 15, 26; 16, 7 und verbunden mit dem Glauben
an Christus, den Lehrer und Weltenrichter. Wie in frühchristlicher
und in unserer Zeit waren es gewiß auch im Mittelalter
gelehrte Theologen, die diese christologische Sicht des Pfingst-
ereignisses bestimmten, während andere die Geistsendung mit der
Trinität in Verbindung zu bringen suchten" (S. 27 f.). Auch von
dieser Bildgattung führt S. einige Beispiele an. Eine verhältnismäßig
große Zahl von Pfingstbildern zeigt Maria inmitten der
versammelten Apostel, ja hebt sie teilweise aus der Reihe der
Apostel heraus und erhöht sie als Thronende. S. macht daraur
aufmerksam, daß schon in der Frühzeit des Christentums Maria
als mater ecclesiae mit der Kirche so eng verbunden wird, daß
zwischen beiden „Figuren" eine Wesenseinheit entsteht, die es
°ft unmöglich macht, Worte der Theologen auf eine von beiden
speziell zu bezichen. „Maria ist die Kirche, und somit wird die
Ausgießung des Heiligen Geistes zu einer Erhöhung Mariens.
"nd ihre Darstellung als Thronende, Triumphierende gewinnt
Berechtigung. Als solche ist Maria schon auf mittelalterlichen
Pfingstbildern aus der Schar der Apostel herausgehoben, z. B. auf
der Halbcrstädtcr Seidenstickerei, am Revaler Altar des Bernt

Notke oder im Landgrafenpsalter. Man hat sich über die spzielle
Bedeutung des Thrones und der die ganze Figurengruppe umgebenden
Architektur Gedanken gemacht und gemeint, daß hier
Maria als vorgebildete Ecclesia im Himmlischen Jerusalem thronend
dargestellt ist. Das ist möglich, denn im Mittelalter wurde
über die aus den Berichten des Neuen Testaments bekannten Gegebenheiten
ähnlich spekulativ gedacht — aber nicht gewiß,
denn wir kennen weder Texte noch Inschriften gleichen oder
ähnlichen Inhaltes... Maria gehört nicht notwendig zu Pfingsten
dazu, und es hat Jahrhunderte gegeben, die sich bei der
bildlichen Darstellung des Ereignisses auf die zwölf Apostel beschränkt
haben. Vom Text her ist das auch möglich, denn die
Apostelgeschichte bezeichnet die Beteiligten nur als ,sie alle',
und man hat offensichtlich nicht immer den 13. und 14. Vers
des ersten Kapitels mit herangezogen, um diesen kurzen Hinweis
auf die zwölf Apostel ,samt den Frauen und Maria' zu beziehen.
Eine solche unterschiedliche Lesung ist im Wandel der Marienverehrung
und der Anschauung von der Gnadenfülle Mariä begründet
. Es ist ja ganz auffällig, wie ab der Mitte des 12. Jahrhunderts
Maria immer häufiger in die Apostelversammlung aufgenommen
wird, bis seit dem Ende des 13. Jahrhunderts das
Pfingstbild mit Maria die fast ausnahmslose Regel bildet. Anfang
des 12. Jahrhunderts aber lebt Bernhard von Clairvaux (1091
—1153), der große Erneuerer der Marienverehrung, der mit seinen
glutvollen Gedanken die Frömmigkeit der nachfolgenden Generationen
weitgehend bestimmt hat. Ging man nun allenthalben
daran, im Sturm der neuen Verehrung auch das Bild Mariens in
der Kunst zu erneuern, so wollte man in der Gestaltung des
Pfingstbildes gewiß nicht nachstehen. Dabei konnte man sich
auf alte Traditionen stützen, denn schon in frühchristlicher und
in karolingischer Zeit wurde Maria bei der Ausgießung des Heiligen
Geistes mit dargestellt. Ob meistens oder nur selten, können
wir heute nicht mehr feststellen, denn zu wenig ist aus dieser
Zeit erhalten. Gewiß ist nur, daß dann in ottonischer Zeit
und tief bis in das 12. Jahrhundert hinein andere Anschauungen
herrschten und die Muttergottes nur selten und an weniger beherrschender
Stelle in der Pfingstgemeinde erscheint" (S. 24 f.).
So weit die Darlegungen Seeligers! Die theologische Forschung
wird sorgfältig nach den Gründen fragen müssen, die die Zeit
Bernhards von Clairvaux reif machten, die Marienverehrung zu
erneuern bzw. in der Weise neu zu begründen, wie es damals geschehen
ist. Die damalige Situation muß dazu geeignet gewesen
sein, solche Gedanken auszusprechen und entgegenzunehmen.
Die Forschung wird ferner der Frage nachgehen müssen, inwieweit
in der Marienverehrung die Vorstellungen von Maria als
der Gottesmutter und Maria als der mater ecclesiae, d.h. als einer
Versinnbildlichung der Kirche, zusammengeflossen sind. Bei der
Beantwortung dieser Fragen wird man die Erkenntnisse, die
Seeliger durch sein vorliegendes Buch vermittelt, nicht außeT
acht lassen können.

Cuxhaven Alfred Weckwerth

Lehmann, Arno: Afro-asiatische Kunst und Bibelillustration.

Evangelische Missionszeitschrift 17. 1960 S. 33—45.
Lüthi. Kurt: Bildende Kunst als theologisches Problem.

Theologische Zeitschrift 16, 1960 S. 120—132.

LITERATURGESCHICHTE
UND CHRISTLICHE DICHTUNG

Em rieh, Wilhelm: Franz Kafka. Bonn: Athenäum-Verlag [1958].
445 S. gr. 8°. Lw. DM 28.—.

Das Kafka-Buch von Wilhelm E m r i c h ist ein Buch von
hohem Niveau und als eindringliche und umfassende Auseinandersetzung
mit dem Gesamtwerk von Franz Kafka auch über den
Kreis der Germanistik hinaus von Bedeutung, zumal es die überaus
reiche und vielseitige Kafka-Forschung, die im Augenblick
schon nur noch schwer überschaubar ist, von überlegenem Standpunkt
ordnet, verarbeitet und zu neuen Ergebnissen führt.

Mit Gewinn wird es jedoch nur der lesen, der sich um seinen
Gegenstand schon bemühte. Es dient nicht der Einführung in das