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Ausgabe:

1960 Nr. 9

Spalte:

683

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Steck, Karl Gerhard

Titel/Untertitel:

Der "moderne Katholizismus" und seine Kritiker 1960

Rezensent:

Schott, Erdmann

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Seite 1

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683

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 9

684

Steck, Karl Gerhard: Der „moderne Katholizismus" und seine Kritiker
. München: Kaiser 1958. 34 S. 8° = Theologische Existenz heute.
Eine Schriftenreihe, hrsg. v. K. G. Steck u. G. Eichholz. N. F. Nr. 68.
DM 2.-.

St. gibt einen kritischen „Bericht über drei Auseinandersetzungen
römisch-katholischer Autoren mit dem bekannten
Buch Walter von Loewenichs über den Modernen Katholizismus
" (3). Die drei Autoren heißen Oskar Bauhofer, Heinrich
Fries und P. Heinrich Bacht S. J. St. gibt eine kurze Einführung in
die Gesprächslage und behandelt dann nacheinander die Kontroversen
um das Geschichtsbild (einschließlich Berufung auf biblische
Tatbestände), um die Normenlehre und, um die Basis der
römischen Ekklesiologie.

St. zeigt an mehreren Beispielen, daß der Katholizismus der
wirklichen Geschichte nicht genügend standhält, weil er die eigene
Geschichte zu rasch sanktioniert. Darum haben seine Berufungen
auf die Geschichte etwas Bemühendes. — In der katholischen Normenlehre
wird der Wahrheitsanspruch der Offenbarung in eine
gleitende Skala von Qualifikationen (theologische Gewißheitsgrade
!) verwandelt und gerät dadurch in ein merkwürdiges
Schwanken zwischen Überspitzung und Abschwächung. Ferner:
„Eine echte kritische Infragestellung des überlieferten Formelbestands
wird grundsätzlich unmöglich, und die sog. Dogmenentwicklung
wird zu einem rein innergeschichtlichen Vorgang, da
ein wirkliches richtendes Eingreifen des göttlichen Geistes gar
nicht vorgesehen ist" (29). — An die katholische Ekklesiologie
richtet St. die Frage, ob sich hier nicht die Inkarnation in die Aussagen
über die Kirche mehr oder weniger auflöst. Auch sei es nicht
richtig, „das Kirchendenken . . . einfach zu einer Funktion des
Christusglaubens zu machen" (31). Schließlich: „von einer Kanalisierung
und Bindung der göttlichen Leitung an das Herrschaftsgebilde
des römischen Kirchentums finden wir in der Bibel nichts
und können wir für die Zeugnispflicht der Christenheit und ihre
Sendung in der Welt etwas Besonderes nicht erwarten, solange
man dort die Wahrheit so auslegt und entwickelt, wie es tatsächlich
der Fall ist" (34).

Halle/Saale Erdmann Schott

P e y r o t, Giorgio: Considerazioni sulle conseguenze di una politica
concordataria.

Protestantesimo XV, 1960 S. 77—80.

GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

C.S ehr eyer^(Lothar: Christliche Kunst des 20. Jahrhunderts in der
katholischen und protestantischen Welt. Hamburg: Wegner [1959].
221 S., 40Taf. gr. 8°. Lw. DM 14.80.

Lothar Schreyer, einst Lehrer am Bauhaus und Mitglied des
Waldenschen „Sturm", ist genügend ausgewiesen, daß ihn die
moderne Kunst in ihren revolutionären Eineuerungen tief berührt
. Sein Buch „Erinnerungen an Sturm und Bauhaus" weist ihn
wiederum als lebendigen Erzähler aus. Beides kommt seiner
Veröffentlichung zur Christlichen Kunst des XX. Jahrhunderts
zugute. Schreyer hat darüber hinaus gründliche Quellenforschung
betrieben und dankenswerterweise eine Anzahl schriftlicher Dokumente
zur christlichen Kunst beigesteuert, darunter die gut
fundierten Gedanken von Rudolf Schwarz und die extremen von
Jan Weerda mit ihrer Ablehnung jedes Bildes in der Kirche. . . .
Sehr instruktiv sind die Aufgliederung des umfangreichen Stoffes
nach seinen christlichen, sozialen und künstlerischen Voraussetzungen
, seine Beweisführung zugunsten des ungegenständlichen
Bildes in der Kirche, seine Ausführungen zur Bilderverehrung
und über die Fragwürdigkeit des Bildes selbst. Ein
weiterer Abschnitt ist der Gefährdung der christlichen Kunst und
dem Christusbild gewidmet. Ein Bilderanhang bringt dazu vierzig
Seiten Abbildungen.

Wenn man bedenkt, daß in der Zeit von 1918 bis heute sowohl
in Frankreich als auch in Deutschland mehr Kirchen gebaut
wurden als von der Reformation an bis zum Ende des 1. Weltkrieges
, so wird man darüber nachdenken müssen, welche Verantwortung
heute kirchliche Baumeister, Maler und Bildhauer
haben. Denn nach ihren Werken wird man mit voller Sicherheit

auch die geistige Erneuerung der Kirchen im 20. Jahrhundert beurteilen
können.

Hier muß nun betrüblicherweise festgestellt werden, daß
dieses Bild insgesamt nicht dem entspricht, was sich viele Christen
erhofft haben. Es gibt zwaT nun eine große Anzahl neuer
Kirchen, und es kommen jeden Monat neue hinzu, es sind aber
nur wenige Bauten in ganz Europa, die künstlerisch von Belang
sind. Das Nur-Moderne, vor dem Schreyer warnt, hat gerade
einen großen Teil der Kirchen ergriffen, vom Bau bis zum Glasfenster
und Altargerät. Bei der Ratlosigkeit so vieler Gemeinden,
Pfarrer und Bauherren wird das auch weiterhin in Kauf genommen
werden müssen. Die künstlerische Ahnungslosigkeit so mancher
hoher kirchlicher Würdenträger wird mit ihrer Autorität
immer wieder einen Mißgriff steinerne monumentale Gestalt
werden lassen, wie von katholischer Seite die St. Alfonskirche in
Würzburg und von evangelischer Seite die Matthäuskirche in
München, die Schreyer beide zum Glück nicht abbildet. Das tiefe
Neue ist zwar immer modern, aber das Moderne ist, was beide
Kirchen demonstrieren, keineswegs immer tief. Es wird daher
höchste Zeit, Mittel der Unterrichtung zu finden, durch welche
die wenigen gelungenen Werke in ihrer geistigen Tiefe aufgezeigt
werden, so z. B. auf Bundesgebiet die St.-Anna-Kirche in
Düren von Rudolf Schwarz (abgebildet bei Schreyer) oder die
Trinitatiskirche in Mannheim von Helmut Striffler (nicht abgebildet
). Desgleichen muß aber auch im Interesse der höheren
Ordnung das Schwache und Gekünstelte mit seinem ungebührlichen
Anspruch hart zurückgewiesen werden.

So aufrichtig im frommen Glauben Schreyer sein Buch geschrieben
hat, so notwendig die Mahnungen sind, die er an die
Auftraggeber richtet, so wenig gelingt es ihm doch, in den abgebildeten
Beispielen die guten von den schlechten Werken zu
trennen. Hier hat leider eine christliche Milde bei der Beurteilung
geherrscht, die absolut nicht am Platze ist. Oder sollte er
wirklich nicht sehen, daß die Madonna von Henry Moore aus
Northampton keineswegs die Kühnheit seiner sonstigen Arbeiten
aufweist und daß sich Moore hier mit ziemlich leeren Gesichtern
begnügte? Was soll dazu in der Abbildungsreihe der ölige
Schmerzensmann von Gerhard Mareks oder gar der sanfte Altmännerverein
aus der Dorfkirche von Abbehausen, der hier als
Abendmahl figuriert? Auch der „Mensch unter dem Kreuz" aus
Dresden mag wohl als „fromm" empfunden werden, als Beispiel
echter christlicher Kunst ist er mit seiner Schwächlichkeit verfehlt
. Wenn 6olche Werke in irgendeiner Dorfkirche ihr Dasein
fristen, mag ein Achselzucken genügen, werden sie aber in einer
Veröffentlichung zur christlichen Kunst gar noch herausgestellt,
so ist das äußerst bedenklich, wenn nicht gar schädlich. Lothar
Schreyer fühlt sich hier mehr als Seelsorger, der rät, „zwischen
und neben erschütternden und beseligenden Bildern regelmäßig
Bilder zu betrachten, die keine durch ihre künstlerische Gestalt
zwingende christliche Aussage haben, in denen vielmehr das
Lehrgut mit bloßer Ehrfurcht .kunstlos' dargestellt ist". Das bedeutet
leider, dem Kitsch Tür und Tor öffnen, wenn der Hersteller
nur im frommen Glauben gehandelt hat. Unter Ehrfurcht
versteht man doch sonst etwas ganz anderes, z. B. die Antwort,
die Paul Cezanne auf die Frage des Malers Emile Bernard gab,
warum er keinen Christus male: „Ich würde es nie wagen. Einmal
weil es schon besser gemacht worden ist, als unsereiner es
könnte, und dann, weil es zu schwierig wäre." Nun war Cezanne
immerhin der tiefste geistige Maler der letzten hundert Jahre.
Ohne solche Ehrfurcht führt es dann zu jener eleganten
manieristischen Spielerei des Vortragskreuzes aus St. Maria in
Fulda (Abb. 20), bei der man sich fragt, wohin 6idh hier eigentlich
die Ehrfurcht vor dem Leiden Christi verflüchtigt hat.

Man darf einem frommen Menschen nicht die Art seiner
Frömmigkeit nachrechnen; wenn es aber um Werke geht, die
weit über den privaten Bereich hinau6wirken, so gilt mit Recht
das Zeichen der Tempelaustreibung für die, denen es an der Ehrfurcht
gebricht. Formen haben ihre Magie, und Schwäche erzeugt
hier Schwäche, wo man sich nicht energisch dagegen zu wehren
vermag. Nicht um der Ästhetik willen sollen die Kirchen echte
Kunst 6ein, sondern um der christlichen Vertiefung willen, zum
ehrfürchtigen Lobe Gottes.

Tutzing/Obb. CurtSeckel