Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1960 Nr. 9

Spalte:

671-672

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schniewind, Julius

Titel/Untertitel:

Das Evangelium nach Markus 1960

Rezensent:

Schneider, Johannes Ferdinand

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

671

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 9

672

traten ein erneuertes Judentum auf der Grundlage der authentischen
Offenbarung an Mose; ihre Botschaft war „hauptsächlich
negativ", und die Person und der Ort Christi im göttlichen Plan
waren nicht voll gewürdigt [lllj. So entsteht beim Leser die
Frage, wie die Hellenisten die Initiatoren einer christlichen
Mission außerhalb Jerusalems werden konnten, die sich (auch
nach S.) 6ehr bald auch an Heiden wandte. Es entsteht die Frage,
wie der Reformjude Stephanus das Bindeglied zwischen judenchristlicher
Auffassung und Paulinischer Stellung (besonders zum
Gesetz) [112] werden konnte; zumal S. selbst betont, daß bei der
vollständigen Differenz ihrer Anschauungen Paulus nicht als
Stephanus' geistlicher Sohn bezeichnet werden kann [113]. Aber
diese lediglich andeutenden Fragen sollen nur zu einer genaueren
Auseinandersetzung mit den Thesen S.s anregen, die man in der
Sprache, in der diese Haskell Lectures 1956 gehalten sind, als
stimulating bezeichnen kann. Da das beim Druck solcher Vorlesungen
keineswegs immer durchgeführt wird, sei nicht unerwähnt
, daß diese in Ohio gehaltenen durch die Angaben der
Belege aus den Quellen und weithin auch aus der Literatur bereichert
sind.

Halle/Saale Gerhard Delling

Schniewind, Julius f: Das Evangelium nach Markus übersetzt und
erklärt. Mit einer Einleitung zum Gesamtwerk: Die Entstehung und
der Wortlaut des Neuen Testaments. Von Hermann Strathmann.
Unveränderter Nachdruck der 8. Aufl. Berlin: Evangelische Verlagsanstalt
[1958]. (Lizenzausgabe des Verlages Vandenhoeck & Ruprecht,
Göttingen). 214 S. gr. 8° = Das Neue Testament Deutsch. Neues
Göttinger Bibelwerk, hrsg. v. P. Althaus u. G. Friedrich, Teilbd. 1.
Geb. DM 8.—.

Den Besprechungen der früheren Auflagen in dieser Zeitschrift
ist nichts wesentlich Neues hinzuzufügen. Der Beitrag von
H. Strathmann gibt einen knappen, aber doch gut orientierenden
Einblick in die Entstehung des Neuen Testaments. Es
dürfte sich aber empfehlen, bei der nächsten Auflage den Abschnitt
über den Text des Neuen Testaments ausführlicher zu
gestalten. Viele Leser des NT Deutsch wären gewiß dankbar,
wenn sie über die Handschriften, die Geschichte des Textes und
die Probleme der Textkritik noch genauer unterrichtet würden.

Die Auslegung des Markusevangeliums durch J. Schniewind
ist vorbildlich. Der Verf. weicht keiner kritischen Frage
aus; auch die Ergebnisse der modernen Forschung werden überall
berücksichtigt. Sehn, hält sich jedoch von jeder radikalen Übertreibung
fern. Vor allem hütet er 6ich davor, vorschnell bestimmte
Stücke des Evangeliums der Gemeindetheologie zuzuweisen
. Die Auslegung enthält indirekt einen wichtigen Beitrag
zu dem heute viel verhandelten Thema: Der historische Jesus und
das urchristliche Kerygma. Den ihn bei seiner Erklärung leitenden
Grundsatz hat der Verf. selbst einmal folgendermaßen formuliert
: „Die Frage kann nie sein, ob wir den Wortlaut eines Spruches
, den Jesus in einer bestimmten Lage gesprochen hat, wiederherstellen
können; sondern nur danach darf gefragt werden, ob
und wie ein überliefertes Wort im Zusammenhang: aller Jesus-
Worte und im Zusammenhang ihreT Voraussetzungen (AT. Judentum
) und Nachwirkungen (das gesamte NT) erscheint. Nach
diesem Grundsatz versuchten wir bisher alles im Mk.-Evangelium
zu erklären" (S. 187). Durch dieses hermeneutische Prinzip
kommt Sehn, zu einer viel positiveren Beurteilung der Überlieferung
als etwa Buirmann. Die phantastische Größe „Gemeindetheologie
" spielt bei Sehn, so gut wie keine Rolle. Dabei weiß er
sehr gut, daß das Mk.-Evangelium von einem Verständnis der
ganzen Gestalt Jesu, nicht nur des geschichtlichen, sondern
auch des erhöhten Christus aus geschrieben worden ist. Die Verkündigung
des Mk. — darin stimmt Sehn, mit Wredc überein —
ist durch das Wort „Messias-Geheimnis" gekennzeichnet. Jesus
i s t der Messias. In ihm ist die Messias-Erwartung des AT erfüllt.
Das Geheimnis liegt in der Art Jesu, in dem „ Anstößigen"
seiner Gestalt und seines Wortes, und hier, bei seineT Verkündigung
, in dem Geheimnis des Bußrufs. Das sind die grundlegenden
Erkenntnisse, von denen sich Sehn, bei seiner Auslegung leiten
läßt. Es geht ihm immer darum, das wirkliche Anliegen Jesu
herauszustellen. Dadurch wird er dem Text besser gerecht als die
Exegeten, die sich der radikal-kritischen Methode bedienen.

Sehn, hält die Zweiquellentheorie für gesichert und bewertet
auch die Ergebnisse der formgeschichtlichen Untersuchungen
im ganzen positiv, ohne ihnen freilich ein zu starkes Gewicht für
die eigentliche Aufgabe der Erklärung des Textes beizumessen.
Aber Sehn, gesteht auch der bekannten Papiasnotiz ihr historisches
Recht zu. So hält er e6 auf Grund von 1,29—39; 8, 33;
14, 53 ff. für wahrscheinlich, daß hinter unserem Mk.-Evangelium
„Petrus-Erinnerungen" stehen. Dagegen ist nach 6einem Urteil
im Mk.-Evangelium kein Einfluß des Paulus wahrzunehmen.

Durch die besonnene, jeder übersteigerten Hypothese abgeneigte
, das Wesen der Verkündigung Jesu wie seines messiani-
schen Handelns zutiefst erfassende Auslegung ist diese Erklärung
des Mk.-Evangeliums ein unentbehrliches Hilfsmittel zum Verständnis
der synoptischen Evangelien.

Berlin Johannes Sch noi de r

Anderson, Hugh: The Historical Jesus and the Origins of Chri-
stianity.

Scottish Journal of Theology 13, 1960 S. 113—136.
Bammel, Ernst: Emil Schürer, der Begründer der Wissenschaft vom
Spätjudentum.

Deutsches Pfarrerblatt 60, 1960 S. 225—227.

Beare, F. W.: "The Sabbath wa6 made for Man?"

Journal of Biblical Literature LXXIX, 1960 S. 130—136.

B o n n a r d, Pierre: La Tradition dans le Nouveau Testament.

Revue d'Histoire et de Philosophie Religieuses 40, 1960 S. 20—31.

C u 11 m a n n, Oscar: L'avvento presente o futuro del Regno di Dio
nel messaggio di Gesü.
Protestantesimo XV, 1960 S. 65—76.

G r ä ß c r, Erich: Die Apostelgeschichte in der Forschung der Gegenwart
.

Theologische Rundschau 26, 1960 S. 93—167.
Haenchen, Ernst: Neuere Literatur zu den Johannesbriefen.

Theologische Rundschau 26, 1960 S. 1—43.
L u z z i, Jacinto: Contenido Religioso de soma y sarx.

Ciencia y Fe XV, 1959 S. 451—473.

V i c e n t i n i, J. lg.: La critica racionalista y el Jesus historico.
Ciencia y Fe XV, 1959 S. 475^192.

W i 1 k e n s, Wilhelm: Evangelist und Tradition im Johannesevangelium.
Theologische Zeitschrift 16, 1960 S. 81—90.

Y o d e r, James D.: Semitisms in Codex Bezae.
Journal of Biblical Literature 78, 1959 S. 316— 321.

KIRCHEN GESCHICHTE: ALLGEMEINES

Schmidt, Kurt Dietrich: Chronologische Tabellen zur Kirchengeschichte
. Beigefügt: Synoptische Zeittafeln, bearb. von Horst
Reil er. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1959]. 92 S.,
17Falttab. gr. 8° = Grundriß der Kirchengeschichte, Ergänzungsbd.
Kart. DM 7.50; Lw. DM 9.80. ~*

Seinem „Grundriß der Kirchengeschichte" hat der Verf.
einen Ergänzungsband beigegeben, der zunächst auf 89 Seiten
„chronologische Tabellen zur Kirchengeschichte" enthält. Der
Stoff ist in 60 Abschnitte aufgespalten, die in Längsschnittmanier
gehalten sind. Die einreihige Anordnung mit dem beständigen
Abreißen der Zeilen wirkt für das Auge nicht angenehm. Es fehlt
bei Schmidt nicht an Ungenauigkeiten und veralteten Ansätzen.
Natürlich taucht der zählebige Origines wieder auf, sogar in Fettdruck
. Mohammed würde wohl mit der Interpretation seiner
Hedschra als „Flucht" unzufrieden sein, und der Kultusminister
Falk ungern von seiner „Absetzung" lesen, usw. Die Längsschnittmethode
in Tabellenform wirkt sich notwendig verwirrend
aus: der Bismarcksche Kulturkampf vor dem Pietismus, der Auf'
klärung, dem deutschen Idealismus. — In der zweiten Hälfte des
Bändchens folgen dann noch „Synoptische Zeittafeln" von Horst
R e 11 e r. Sie sind wohlbekannt, denn sie sind im Evangelischen
Kirchenlexikon des gleichen Verlags bereite veröffentlicht. Die
Rellersche Arbeit scheint mir besser gelungen zu sein, als die
von K. D. Schmidt, wenn sie auch nicht das Ideal einer synchronistischen
Tabelle darstellt, weil rein chronistische Parallelen immer
wieder durch Sachgruppen gesprengt werden, was die Benutzung
erschwert.

Jona Karl Heuiii