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1960 Nr. 9

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Altes Testament

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 9

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will. Durchaus nicht alle seiner 12 messianischen Stellen sind erst
dieser Zeit zuzuweisen. Sie sind infolgedessen auch anders zu verstehen
. Für Jes. 9, 5. 6 ist es geradezu als sicher anzusprechen,
daß keine eschatologisch-nachexilische Figur erwartet wird, sondern
ein Davidide mitten im Raum der lebendigen Volks-
geschichte Israels. Denn nicht nur die Einzelelemente des Spruches,
sondern auch sein Aufbau entstammen dem judäischen Königsritual
und lassen sich Zug um Zug mit dem Ablauf des ägyptischen
Krönungsrituals vergleichen. In unmittelbarem Zusammenhang
damit steht die Verleihung der göttlichen Charismata an
den künftigen Herrscher Jes. 11,1 ff. Diese Texte sind keine
nachexilischen Produkte, die auf eine eschatologisch-politische
Gestalt hin konzipiert wurden, sondern wurzeln in einer festen
Geschichtstradition, die ihre Ausbildung am davidischen Hof
sukzessiv erfahren hat. Eine andere Frage ist, ob man sie messia-
nisch nennen darf. Wenn man es tut, dann mit eben demselben
relativen Recht, mit dem man Stellen des Alten Testaments überhaupt
mcssianisch nennen kann. Wenn der Mes6ias-Titel im
Alten Testament auf eine erwartete Einzelgestalt überhaupt
nicht angewendet wird, sondern erst im späteren Judentum seine
Ausprägung fand, ist es zumindest ein fragwürdiges Unterfangen,
von wirklich messianischen Stellen im Alten Testament mit
solcher Zuversicht zu sprechen, wie Verf. es tut. Hier wäre es
richtiger gewesen, das relative Recht dieser Bezeichnung schärfer
hervorzuheben und zu zeigen, wie es kam, daß im Volke Israel
überhaupt der Gedanke aufbrach, von einer Einzelgestalt der
Zukunft etwas zu erwarten. Aber diesen Weg, das Werden der
Messias-Idee an Hand der Texte allmählich zu entfalten, verbaut
sich der Verf. durch seine Spätansetzung der Texte in nachexili-
sche Zeit und sein damit verbundenes pauschales Eschatologi-
sieren aller für ihn in Betracht kommenden Stellen.

Die Heimat des alttestamentlichen Me6siasgedankens ist
Jerusalem und seine Voraussetzung das dynastische Königtum
der Davididen. Aus diesen konkreten geschichtlichen Gegebenheiten
hat sich ganz allmählich eine Herrschererwartung entwickelt
, die sich wiederum auf Elemente ganz konkreter, wahrscheinlich
ursprünglich rituell verwurzelter Verheißungen berufen
konnte, wie sie etwa in 2. Sam. 7 aufbewahrt sind. Damit
waren Voraussetzungen geschaffen, die allerdings nach dem
Untergange des davidischen Königtums in nachexilischer Zeit
einen neuen und selbständigen Ausbau erfuhren. Der Verf. tut
nicht recht, wenn er diesen organischen Prozeß des Werdens der
judäischen Herrschererwartung, die nicht zuletzt auch den Boden
für die spätere Menschensohn-Erwartung ebnete, übergeht, den
alttestamentlichen Messiasgedanken ein „sehr fragwürdiges politisch
-theologisches Gebilde" nennt und sogar die Vermutung
äußert, daß die geistige Urheberschaft der Messiasidee mit heilverheißenden
Kultpropheten in Zusammenhang stehen könne,
die von den „großen Einzelpropheten" so schroff bekämpft
wurden. So sollte die strittige Kultpropheten-These nicht zugunsten
einer ganz anders gerichteten Konzeption ausgespielt
Werdenl

Fohrers gebrochene Haltung gegenüber dem alttestamentlichen
Messiasgedanken, die dem Messias in der Geschichte
Israels selbst keinen rechten Raum geben möchte, sondern ihn
radikal cschatologisiert, steht auf einem weiteren Hintergrunde,
den die vorliegende Schrift nur stellenweise erkennen läßt.
Verf. gesteht zu, daß man gegenüber dem Alten Testament von
einer Glaubensgeschichte sprechen könne, aber nicht von einer
Heilsgeschichte. Das sei allenfalls noch gegenüber dem Jahwisten
Möglich, nicht aber beim Elohisten, wo sich Ex. 32 der entscheidende
Bruch Israels mit Gott vollziehe, dem nun eine Geschichte
"Abfalls bis hin zum Exil folge. „Es ist schwer verständlich und
gehört zu den Seltsamkeiten des theologischen Denkens, daß
"Jan angesichts dieses klaren und eindeutigen Tatbestandes in den
alttestamentlichen Schriften den irreführenden Begriff der Heils-
geschichte überhaupt erfinden konnte." So S. 36f. Später aber auf
* 42 f. finden sich die Sätze: „Die Rettung und Heiligung aber
°es eigentlich dem Tode verfallenen schuldigen Menschen und
die Heiligung der Erde zum Ziel und Zweck ihres Bestehens unter
der Gottesherrschaft — das ist das gemeinsame Thema des Alten
und Neuen Testaments. Es ist die gesamtbiblische Botschaft, die
«as Ganze durchzieht und umfaßt." Also muß es doch im Alten

Testament auch eine Heilsgeschichte geben! Zweifellos hat Verf.
die hier zusammengestellten Sätze unter zwei verschiedenen
Aspekten geschrieben. Aber eben sie sind wesentlich. Nicht die
Verkettungen und Verwicklungen der Geschichte Israels und
ihrer oft schwer zu entwirrenden alttestamentlichen Berichterstattung
können den Verf. von der Offenbarung Gottes in der
Geschichte überzeugen. Das sind ihm nur Beispiele, die den Menschen
je und dann zu eigener Entscheidung aufrufen 6ollen. In
diesem Entscheidungscharakter aber liege der eigentlich keryg-
matische Kern der alttestamentlichen Überlieferung. Es wird also
nicht damit gerechnet, daß Gott objektiv und verbindlich an
Israel gehandelt habe und handle und er durch dieses Handeln
sich bereits als Gott erweise, sondern allein das im prophetischen
Glauben ergriffene Kerygma kann die Bibel zu einer persönlich
bedingten Autorität werden lassen. Auf diesem Hintergrund einer
kerygmatischen Vereinseitigung des alttestamentlichen Zeugnisses
mit einem gefährlich subjektiv verengten Geltungsbereich
steht auch Fohrers Absage an die Verbindlichkeit des Messiasgedankens
. Weil Gott für ihn nicht wirklich in die Geschichte
eingeht, weil für ihn „das Alte Testament kein vorfindliches und
vorhandenes ,Wort Gottes' ist", sondern nur „jeweils gegenwärtiges
göttliches Wort werden kann", „wenn das Kerygma uns
trifft und in die Entscheidung stellt", darum wird letztlich dem
Verf. die Messiasfrage belanglos, denn gerade sie könnte eine
geschichtliche Kontinuität göttlichen Handelns auch außerhalb
unserer subjektiven Faßbarkeit andeuten.

Es war notwendig, im Rahmen dieser Rezension Fragen zu
berühren, die eher in den Bereich des Systematikers als des Alt-
testamentlers gehören. Jedoch verlangten Fohrers stets klare,
aber manchmal doch überraschende Formulierungen eine Einordnung
in ein größeres gedankliches Gefüge, aus dem heraus sie
eigentlich erst ganz verständlich werden. Verf. stößt mit seiner
Studie in Zentralbereiche des Schriftverständnisses vor. Aber
nicht auf allen Wegen wird man ihm folgen können.

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