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Ausgabe:

1960 Nr. 9

Spalte:

662-666

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fohrer, Georg

Titel/Untertitel:

Messiasfrage und Bibelverständnis 1960

Rezensent:

Herrmann, Siegfried

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 9

662

Der Valentiniani6mus ist übrigens für J. in erster Linie deswegen
die Krönung der mythologischen Gnosis, weil von hier aus der
Gedankensprung zu Plotin als möglich erscheint. Wir würden den
Valentinianismus, wenn wir ihn im Sinne von J. nach der ursprünglichen
gnostischen Daseinshaltung beurteilen wollten, eher
als ein Verfallsprodukt der Gnosis kennzeichnen, weil die bestechende
Systematik auf Kosten der Radikalität in der Daseinshaltung
geht. Hier muß nämlich ein Sachverhalt angemerkt werden
, den J. überhaupt nicht beachtet und der dennoch von ganz
entscheidender Bedeutung ist: Die Objektivation wirkt auf ihre
Basis, die Daseinshaltung, zurück (soweit ist das auch die Meinung
von J.); Veränderungen in der Sphäre der Objektivation
müssen also, sofern sie ihrerseits nicht schon in einer Veränderung
der Daseinshaltung begründet sind, eine Änderung in der
Daseinshaltung zur Folge haben! Ein weiterer Einwand richtet
sich gegen die Behauptung bzw. Voraussetzung, daß innerhalb
der mystischen Philosophie im Unterschied zur Mythologie der
Mensch die Erlösung nicht bloß glaubt, sondern bereits zu Lebzeiten
tatsächlich erfährt (S. 163. 165. 168). J. deutet doch wiederholt
selbst an, daß die Bedeutung dessen, was der Mensch tut,
wesentlich von seiner Interpretation im Rahmen des Gesamtsystems
abhängt. Das Tun an sich ist mehrdeutig. Wenn ein
Mensch zur Vorbereitung auf eine Ekstase oder überhaupt körperliche
und geistige Askese treibt, erlebt und erfährt er in diesem
Tun als solchem keinen Aufstieg zum Ur-Einen bzw. keine
Erlösung. Erlösung ist das Tun für ihn nur dann, wenn er dazu
noch beispielsweise die Weltanschauung Plotins teilt. Auch er
gl a u b t letztlich nur, die Erlösung zu erfahren. Wie groß der
Unterschied zwischen der mythologischen Gnosis und der mystischen
Philosophie hinsichtlich der Vollziehbarkeit der Erlösung
durch den Menschen auch sein mag, er wirkt sich jedenfalls nicht
darin aus, daß das Erlebnis der Erlösung in der mystischen Philosophie
„wirklicher", in der mythologischen Gnosis weniger
wirklich wäre. Einmal unterläuft J. schließlich sogar auch in der
Argumentation ein Zirkel, wenn er nämlich ausführt, daß die
Entwicklung der Theorie in den Mysterienreligionen im Sinne des
Zeitgeistes, nämlich in Richtung auf die Gnosis, erfolgt sei
(S. 65—69), während der Sinn seines Gesamtwerkes über die
Gncwis doch gerade ist, erst nachzuweisen, daß die Gnosis der
Zeitgeist der Spätantike war.

Berlin Hans-Martin Schenke

ALTES TESTAMENT

Hempel, Johannes: Heilung als Symbol und Wirklichkeit im biblischen
Schrifttum. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1958]. 78 S.
gr. 8° == Nadirichten der Akademie d. Wissenschaften in Göttingen,
!■ Philol.-hist. Klasse, Jg. 1958, Nr. 3. DM 8.-.

Die außerordentlich materialreiche Schrift, herausgewachsen
aus langjährigen Studien des Verfassers, gliedert sich in folgende
Abschnitte: 1) Der Stand der altisraelitischen Medizin (S. 237
~260). 2) Der Lebenswille und die Dämonen (S. 260-270).
3) Jahwe tötet und heilt (S. 271—291). 4) Der Zweck der Heilungen
(S. 291-302). 5) Die Heilungen in der Bildersprache
v-5- 302—312). Von diesen Abschnitten sind die ersten drei bereits
in dieser Zeitschrift 1957, 809—826 veröffentlicht worden,
"egen jetzt in etwas erweiterter Form und mit reicherem Material
ausgestattet abermals vor. Es ist angesichts dieser Sachlage verständlich
, wenn die beiden letzten Abschnitte das meiste Interesse
erwecken, denn hier hat Verfasser die Gedanken der ersten
Abschnitte weitergeführt. Gegenüber dem König und den Priestern
werden die Propheten als die „heilungwirkenden Wunder-
Banner ' (S. 294) aus den Aussagen des AT herausgearbeitet,
e'ne Auffassung, die sich im NT fortsetzt in der Gestalt Jesu und
seiner Jünger sowie im Wirken des Christus durch seine Jünger
i i' 25; 13- 10 f-). ohne daß auf die Legitimation des Gottes
Jesu Christi durch die Heilungswunder als Gott anderen Göttern
gegenüber Wert gelegt wird. Die Kampffront, von der die
«eilungswundererzählungen ihre Gestalt erhalten, wird von Sa-
an und seinen Dämonen gebildet, der gegenüber die Siegesmacht
Rottes im Ringen um die Welt sich durchsetzt. Sehr treffend
(TnKA j ^ aU^' <'a" gegenüber der Kriegsrolle von Qumrän
V der Sieg Gottes sich in der menschlichen Seele und ihrer

Sünde, die der Vergebung bedarf, vollzieht. So werden die Erzählungen
zu Repräsentanten des Einbruchs der Gottesherrschaft
(S. 301), die ihrerseits mit dem Zurücktreten der Heilungswunder
in der christlichen Gemeinde ein ernstes Problem aufwirft.

Der letzte Abschnitt untersucht die bildliche Verwendung
von Krankheit und Heilung in der Sprache des AT und NT.
Während in der Weisheitsliteratur diese Verwendung in verhältnismäßig
blassen Bildern erfolgt (Prov. 4, 20 ff., 12, 8; 13, 3. 7 f.),
sind Hosea und Jesaja wesentlich bildkräftiger (Hos 6, 1 ff., Jes 1
und 6). Heilung als Bild meint die Abwendung der Gefahr oder
die Neubesiedlung verwüsteter- Städte und das Entstehen des
„Heiligen Samens". Das Bild der Heilung wird positiv als
Wiedererlangung des Friedens statt des Schadens und negativ als
Nichtheilung der Strafe für Abfall und Treulosigkeit gebraucht
(S. 304). Bis in die Qumräntexte hinein, die Verfasser übrigens
sehr häufig in seiner Abhandlung erwähnt und zitiert, wird diese
Problematik verfolgt. Von der äußeren Heilung trennt Hempel
sehr ansprechend den inneren Vorgang, nämlich die Umkehr nach
erfolgtem Abfall; auch diese Umkehr, als Heilung bezeichnet, ist
die Tat Gottes allein. In einer Anmerkung dazu (S. 308, Anm. 4)
verweist Verf. auf Jer 13,23, eine Stelle, die für die Sündenauffassung
Jeremias bezeichnend ist und wohl einen Ansatzpunkt
für die Linie darstellt, die von hier aus zu Ez. 11,19; 36, 36 und
wohl auch, worauf Verf. nicht verweist, zu Jer 31, 31 ff. führt.
Diese Verbindungslinie führt schließlich zur „terminologischen
Gleichsetzung von Heilung und Vergebung in Sir 28, 2f." (309 f.).
Im NT dagegen erscheint die bildhafte Verwendung in den blasseren
Formulierungen von gesund sein und geheilt werden
(S. 311).

Am Schluß der Schrift bietet Verf. dankenswerterweise eine
Zusammenfassung seiner Untersuchungsergebnisse. Die Aussagen
des AT über Krankheit und Heilung konzentrieren sich auf Jahwe
und seine prophetischen Werkzeuge. Nur am Rand erscheint die
rationale Medizin, als solche Phänomen des AO. Im NT ist die
Heilung Gottessieg und Teil des Heilswirkens Gottes gegenüber
Welt und Satan.

20 Anmerkungen sind auf den beiden letzten Seiten beigegeben
. 18 davon beziehen sich auf die drei ersten Teile der
Schrift. Sie zeigen, wie der Verfasser bis zur Drucklegung an
seinem Thema gearbeitet hat. Das Problem von Krankheit und
Heilung im AT ist oft angefaßt worden, auch von nichttheologischer
Seite, z. B. W. von Siebenthal, Krankheit als Folge der
Sünde. Eine medizinhistorische Untersuchung („Heilkunde und
Geisteswelt". Eine medizinhistorische Schriftenreihe, hrsg. von
Prof. Dr. Steudel, Bd. 2), Hannover 1949. Andere Wissenschaften
sind an diesem Fragenkomplex interessiert, insbesondere die
Geschichte der Medizin, die selbstverständlich den theologischen
und religionsgeschichtlichen Horizont, in dem die Aussagen des
AT über Krankheit und Heilung zu sehen sind, schwerer in das
Blickfeld bekommen. Daher ist diese Untersuchung besonders
zu begrüßen, die von theologischer Seite her den schwierigen
Sachverhalt beleuchtet, d. h. von den zentralen Aussagen her,
dem Gotteszeugnis des Alten und Neuen Testaments. Für diese
Leistung, ein wichtiges Sondergebiet des AT monographisch angefaßt
und zur theologischen Klärung geführt zu haben, gebührt
dem Verfasser besonderer Dank. Wie stark er selbst mit seiner
eigenen Existenz an diesen Fragen beteiligt gewesen ist, zeigt
die sehr innerlich gehaltene Widmung.

Leipzig Hans B a r d t k e

Fohrer, Georg, Prof. D. Dr.: Messiasfrage und Bibelverständnis.
Tübingen: Mohr 1957. 47 S. gr. 8° = Sammlung gemeinverständl.
Vorträge und Schriften aus dem Gebiet der Theologie u. Religionsgeschichte
213/214. DM 3.80.

Auf engem Raum im Rahmen der „Sammlung gemeinverständlicher
Vorträge und Schriften" bemüht sich der Alt-
testamentler Georg Fohrer um ein Bibel- und Menschenverständnis
aus der Sicht des Alten Testaments, indem er von der Frage
nach dem Messias im Alten Testament ausgeht und sodann den
Blick auf die gemeinsamen und besonderen Merkmale erweitert,
die beide Testamente miteinander verbinden. Verf. gliedert seine
kleine Studie in die beiden Hauptteile „Gestalt und Bedeutung
des Messias im Alten Testament" und „Wege zum Verstehen der
Bibel". Er versucht durch Koppelung dieser beiden Themen nach-