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Ausgabe:

1960 Nr. 9

Spalte:

649-658

Autor/Hrsg.:

Kuhn, Karl Georg

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften 1960

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 9

650

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften

43. Zum heutigen Stand der Qumränforschung*

Von Karl Georg Kuhn, Heidelberg

Über den heutigen Stand der Qumränforschung in einem
Sektionsvortrag des Theologentages mit einer auch nur annähernden
Vollständigkeit zu referieren, ist von vornherein ein aussichtsloses
Unterfangen. Die ständig wachsende Literatur darüber
vollständig zu lesen und zu überblicken, ist heute schon kaum
jemandem mehr möglich. Idi bitte daher um Verständnis dafür,
daß ich von der Form eines Literaturberichts völlig absehe. Das
wäre auch doppelte Arbeit, denn diesen Literaturbericht wird
Herbert Braun dankenswerterweise in der Theologischen Rundschau
bringen. Hier geht es nur darum, Hauptprobleme zu umreißen
und Gesichtspunkte herauszuarbeiten, die m. E. für die
weitere Arbeit wichtig sind.

1. Heutiger Stand der Handschriftenfunde und -ankaufe.

Die Fund- und Ankaufsgeschichte von lQ ist abgeschlossen
und braucht hier nicht mehr erörtert zu werden. Auch die kleinen

Es sind zum ersten Mal wieder seit lQ neben Fragmenten auch
zusammenhängende ganze Rollen, wenn auch in schlechterem
Erhaltungszustand als in lQ. Stiftungsgelder für den Ankauf zu
bekommen in der alten Form wie bei 4Q, d. h. mit Bewilligung
der Ausfuhr in die Stifterländer nach der wissenschaftlichen Edition
, ist nunmehr ausgeschlossen. Möglich sind nur Stiftungen
unter der Bedingung, daß die angekauften Handschriften in Jordanien
, d. h. genauer im Palestine Archaeological Museum in
Jerusalem verbleiben. Dieses Museum ist eine Rockefellerstiftung,
untersteht also finanziell nicht dem Königreich Jordanien, sondern
wird betrieben von einem Stiftungskapital, das ein board of
trustees des Museums verwaltet. Nach längeren Überlegungen
hat sich dieses board of trustees entschlossen, die angebotenen
Handschriften aus llQ für den Preis von 45 000 jordanischen
Dinar, etwa 540 000 DM, für das Museum anzukaufen, wobei
dieser Betrag dem Betriebskapital des Museums entnommen
Höhlen~2Q* 3Q und 5-1oQ können wir" Wer beiseite lauen". J^e. Der Eingriff ist so tief daß jetzt kaum mehr genügend

, HTXJ.1A1 , ... Oeld für den laufenden Betrieb des Museums vorhanden ist.

Auch die Funde aus dem Bar-Koehba-Aufstand 132-135 Inzwischen aber hat sich heraiiegMtellt. daß die Beduinen
ru Chr., sind hier nicht zu erörtern weil wir um;eben auf die ^ dama]s ^ Unterhändl£ Kando nur einen Teil

Qumrantexte beschranken. Ich mochte jedoch nicht unerwähnt _ und man dgrf yenn nur den e(hleehteren Tdl _ de6sen>
lassen daß jetzt zu den Funden im Wadi Murabba at neue aus- was sje jn nQ funde„ hatt angcboten haben. Was die Bedu-
geze.chnete Funde treten die Yigael Yad.n in diesem Jahre in inen nodi zurü|halten von nQ *t ako wohl mehr und wahr.
den Schluchten am Westufer des Toten Meeres zwischen Enged. ; sdleinlidl bessgr und darum auch feurer aJg das was nun an.
und Masada gemacht hat Audi die Stelle, von der die Beduinen gekauft ^ ^ bedürft£ ^ Sdf yon mindestens 100000
1952 Texte aus der gleichen Zeit „von einem unbekannten Fund- englischen pfund a]so , 200 00Q DM um dem palestine ArAaeo.
ort wie es hieß, gebracht hatten wurde von den israelischen , ]ogka] Mus£um den Ankauf ^ des ^ noA vöU un_

Archäologen entdeckt. Sie hegt »m Nachal Zeelim (Wadi Sa.yal) bekannten Tdls yon nQ zu ermöglichen, und gleichzeitig die
aur israelischem Gebiet. durch dgn erstgn Ankauf vo„ nQ entstandene Finanzlücke zu

Als die Beduinen von 1952 an nach und nach in immer grö- schließen
ßerem Umfang das reiche Material von Fragmenten aus der von Hier ^ nun fan ^ ^ ^ ^ ^

ihnen entdeckten Hohle 4Q dem Palestine Archaeological Museum ^ der ^ ^ ^ Roller.Museum gehörte, sich
■n Jerusalem durch ihren Unterhändler Kando anboten, waren die abgr ^ ^ ^ überworfen hat< jm ktzten Winter

Mittel des jordanischen Staates einschließlich der englischen eingegriffen. Was das team, und d. h. sein Leiter, Pater de Vaux,
Finanzhilfe, für diese Ankaufe sehne 1 erschöpft. Damals erging m das ^.^ ^ ^ dje wissenschaftlidie BeaTbei.

ein Aufruf an alle wissenschaftlichen Institutionen um Stiftungen {ung dgs ^ ^ ^ ^ kaufte„ Texte>

zum Ankauf des reichen Schatzes an Fragmenten aus 4Q E.ne schlossen bejm Rockefeller-Museum zu erhalten und dafür Mittel
Reihe von Institutionen haben auch - zum Teil beträchtliche - , zu bekommen Jed(xh sind dje Bemühungen von de Vaux, für
Summen gestiftet darunter ist auch aus Deutschland ein Betrag imiü ^ Mäzgne zu finden sowejt iA informiert bin>
von 50 000 DM. Die Bedingung dabei war daß die angekauften bisher A . *t_ M d ^ wie aus seinen Zeitu

Fragmente bis zum Abschluß der wissenschaftlichen Edition ge- anjke]n h eht irf Zusammenarbeit mit Jordanien die geflossen
im Jerusalemer Museum bleiben und danach erst den gamten Qumrä»tcxt sowdt sie jetzt im R0ckefeller-Museum

verschiedenen Stiftern übergeben werden. Ihre spätere Ausfuhr
war grundsätzlich von der jordanischen Regierung zugesagt worden.

Es bestand in diesen Jahren immer ein Unsicherheitsfaktor
bei der Bearbeitung der Masse von Fragmenten aus 4Q, die ja
die Re6te einer Bibliothek von ursprünglich fast 400 Handschriften
darstellen, ob nun auch alles Material aus 4Q von den
Beduinen angeboten ist, oder ob sie noch einiges davon zurückbehalten
haben. Diese Frage ist seit dem vorigen Jahr ziemlich
eindeutig geklärt: 4Q ist nun ausgeschöpft. Als letztes Stück
kam noch ein sehr schönes Fragment mit mehreren Kolumnen
einer Deuteronomiumrollc in den Besitz des Museums. Die Edition
von 4Q kann nun abgeschlossen werden.

Inzwischen haben 6ich die politischen Verhältnisse tiefgreifend
verändert durch die Revolution in Ägypten und insbesondere
durch die Suezkrise. Es wird auf jeden Fall nach der
F-dition von 4Q nicht einfadi sein, die Bewilligung der damals
^gesagten Ausfuhr der Fragmente in die Stifterländer zu erreichen
.

1956 entdeckten die Beduinen als bisher letzte Höhle llQ-
Sie boten das Material aus ihr — das ganze Material, wie man
«amals meinte — dem Museum an, wo es auch deponiert wurde.

*) Die ThLZ bringt dieses auf dem Deutschen Evangelischen Theo-
'ogentag Berlin 1960 gehaltene Referat wegen seiner Thematik im Rah-
mcn der laufenden Berichterstattung über Qumrän.

) Beno Rothenberg, Der Aufstand des Bar Kochba, in .Frankfurter
Allgemeine Zeitung' vom 28. 5. 1960.

liegen und das Material aus llQ, das noch in den Händen der
Beduinen ist, zusammenfassen in einem eigenen, besonderen
Qumräninstitut, das dann nicht mehr dem Rockefeller-Museum,
sondern dem Department of Antiquities des Königreichs Jordanien
untersteht und da6 er — 6ehr romantisch — in 'Ain Fesdikha
errichten will. Für diese Pläne sind, wie er schreibt, 1 Million
englische Pfund als Stiftung erforderlich. Einen gewissen Erfolg
muß er mit seiner Zeitungskampagne erreicht haben, zwar —
wenn ich recht unterrichtet bin — nicht bei der englischen Regierung
, aber doch bei irgendwelchen Geldgebern. Wie Zeitungsmeldungen
besagen, ist er jetzt dabei, ,,eine groß aufgezogene
Suchaktion nach Schriftrollen und anderen alten Kulturdokumenten
auf jordanischem Gebiet zu unternehmen und vor allem nach
dem sagenhaften Schatz zu forschen, von dem die 1952 entdeckte
Kupferrolle von Qumrän redet"2.

2. Stand der Bearbeitung und Edition der Texte.

Gerade an der eben genannten Kupferrolle zeigt sich deutlich
die geschilderte kritische Situation. Milik hat jetzt seine
französische Übersetzung des Textes in der Revue Biblique 1960
voraus veröffentlicht. An sich hat Allegro bei der Öffnung der
beiden Teile dieser Rolle im Winter 1955/56 in England als
erster den Text gelesen und transkribiert. Doch hat er damit sofort
einige gewagte und phantastische Identifizierungen verbun-

2) Walter Baumgartner in: .Neue Zürcher Zeitung' vom 22. 4. 1960.