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Ausgabe:

1960

Spalte:

612-613

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Hermelink, Jan

Titel/Untertitel:

Kirchen in der Welt 1960

Rezensent:

Schott, Erdmann

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identisch. Warum hat man überhaupt von Erneuerung gesprochen, wenn
man die Bestimmung von Trient (NR 512 = D 938) für letztgültig
hätte halten müssen, nämlich daß in der Messe das Kreuzesopfer „dargestellt
" würde? „Erneuerung" geht weit über „Darstellung" hinaus.
Wir fragen: gibt es nur in der evangelischen Theologie verschiedene
Meinungen?

2. Zur Tradition: Schütte schließt sich S. 27 der Meinung Geiselmanns
an, das Trienter Konzil hätte über das „und" in der Zusammenstellung
von Schrift und Tradition nichts Bindendes gesagt. „Nichts,
gar nichts. Mit dem ,et' ist das Konzil einer Entscheidung ausgewichen,
weil diese Frage noch nicht entscheidungsreif war". Was sagen Andere?
Neuner-Roos erklären (S. 67): „Es gibt zwei Quellen der Offenbarung:
Überlieferung und Schrift." „Norm für die Erklärung der Heiligen Schrift
ist die Überlieferung." Das allein entspricht der Formel von Trient:
„Die heilige Kirchenversammlung weiß, daß diese Wahrheit und Ordnung
enthalten ist in geschriebenen Büchern und ungeschriebenen Überlieferungen
, die die Apostel aus Christi Mund empfangen haben und
die von den Aposteln selbst auf Eingebung des heiligen Geistes gleichsam
von Hand zu Hand weitergegeben wurden und so bis auf uns gekommen
sind" (NR 80 = D 783). Wenn von Schütte Küng zitiert
wird (28): „Die Quelle, aus der die katholische Lehre schöpft, ist das
Wort Gottes. Das Wort Gottes im strengsten Sinn ist allein die Heilige
Schrift", so ist das ein Wort des Theologen Küng, nicht der gültigen
dogmatischen Lehrentscheidung.

3. Wie wenig die Gegensätze in der Rechtfertigungslehre überwunden
sind, wird dem immer deutlicher, welcher der Diskussion
katholischerseits über Küngs Buch folgt. Die „Herder-Korrespondenz"
bringt laufend Hinweise. Wir begnügen uns hier, auf den Aufsatz von
E. Schott zu verweisen: „Annäherung an die evangelische Rechtfertigungslehre
in der neusten römisch-katholischen Theologie" (Materialdienst
des konfessionskundlichen Instituts, März/April 1959, S. 21 f.).

4. Natürlich freuen wir uns, daß Schütte in der Beurteilung Luthers
und der Reformation J. Lortz folgt. Wenn aber der Anschein erweckt
wird, diese Beurteilung sei katholischerseits allgemein akzeptiert, so
fordert man den Hinweis auf die Instructio vom 20. 12. 1949 (Rohr-
basser S. 412 ff.) und die Frage heraus, warum O'Brien, Was ist die
Wahrheit über den Katholizismus? (1954) ins Deutsche übersetzt ist, da
es von Beleidigungen Luthers im alten Stil nur so strotzt und unhaltbare
veraltete Vorstellungen über die Reformation verbreitet. Warum
ist 1959 (1) Laurentius von Brindisi zum Kirchenlehrer erklärt worden,
ein Kapuzinertheologe, der in der Beurteilung Luthers — Cochläus folgt?
Einheitliche Beurteilung wichtigster Fragen?

5. Zur Heiligenverehrung: Nach Schütte hat das Trienter Konzil
ausgesprochen, kein Katholik sei zur Heiligenverehrung verpflichtet
(131). Wir können nur bitten, NR 400 = D 984 nachzulesen. Dort begegnen
zwei Aussagen: a. „Es ist gut und nutzbringend, sie (die Heiligen
) um Hilfe anzurufen." Damit ist expressis verbis nicht gesagt,
daß der Katholik zur Heiligenverehrung verpflichtet sei.
b. „Gottlos denken, die leugnen, daß man die Heiligen in der ewigen
Seligkeit des Himmels anrufen soll." Niemand kann diesen Satz in positiver
Wiedergabe anders ausdrücken als so: Die Gottesfürchtigen anerkennen
, daß man die Heiligen anrufen soll (invocandos esse). Gewiß
ist die Lehrbestimmung hier mehrschichtig, aber von einer Zurückhaltung
in der Anerkennung und Forderung des Heiligenkults kann
keine Rede sein. Geht es an, bei der Frage nach der Messe in Abwehr
der „Erneuerung" auf den Wortlaut der Trienter Formel zu pochen, um
im andern Fall über den Wortlaut hinauszugehen?

6. Zur Mariologie: „Keine Anbetung Marias" (134). Wir bitten
um Kenntnisnahme der Erklärungen Leos XIII. NR 327 = D 1940a.
Wie Schütte mit ihnen fertig wird, mag seine Sache bleiben. Wir haben
hier den Finger darauf zu legen, daß es nicht nur im evangelischen Lager
verschiedene Meinungen gibt, sondern, daß die katholischen Kirchenlehrer
sich nicht einig sind.

Soviel zur theologischen Diskussion im katholischen Lagerl
Ein zweites Bedenken gegen das Buch Schuttes sei angeschlossen.
Sein Ziel ist die Union zwischen den getrennten Kirchen (25 ff.),
für die es bekanntlich geschichtliche Vorbilder gäbe. Es ist das
gute Recht eines Verfassers, für sein Ziel zu streiten. Er weiß,
daß der Weg über die ökumenische Bewegung gehen muß. Hier
aber erwartet uns eine gewisse Enttäuschung. Das Schlußkapitel
„Der Weg der Wiedervereinigung" ist fast nur paränetisch und
fern von allem Realismus. Die offiziellen römischen Kundgebungen
zur Sache werden hier übergangen. Der Rückverweis
auf Ausführungen des Anfangs (24 f.) wäre keine Entlastung,
denn sie sind unzureichend. Die Enzyklika „Mortalium animos"
wird nicht erwähnt, aber sie besteht seit dem 6. I. 1928 und
wird in den Quellenwerken selbstverständlich dargeboten (z. B.
Rohrbasser S. 397 ff.). Nur die Instructio des Heiligen Offiziums
vom 20. 12. 1949 wird herangezogen, leider unter Verkehrung

ihres Sinns in das Gegenteil. Schütte behauptet, in der Instructio
seien der katholische und nichtkatholische Teil als gleichgestellte
Gesprächspartner anerkannt. Thomas Sartory, Die ökumenische
Bewegung und die Einheit der Christenheit, 1955, war
mit der irreführenden Bemerkung vorweggegangen (S. 94 f.).
Die Instructio, die im deutschen Text bei Rohrbasser S. 412
nachzulesen ist, sagt in Wahrheit, daß die Katholiken und
Nichtkatholiken nicht gleidibercchtigt sind, sondern daß der
Weg der Wiedervereinigung nur über die Konversion gehe, —
das Wort kehrt gehäuft wieder. Wohl wird einmal (R Nr. 697)
von der „gleichberechtigten Diskussion" über Glaubens- und
Sittenfragen gesprodien, aber tadelnd, als Veranstaltungen, die
eigentlich nicht stattfinden sollten; so bestimmt es ja auch can
1 325 § 3 des Codex juris canonici. Die Lage ist fast grotesk zu
nennen, denn die Instructio ist im Grunde ein Damnamus über
Schütte und seine Freunde: „Ferner werden die Bischöfe darüber
wachen, daß nicht unter dem falschen Vorwande, man müsse eher
auf das achten, was uns eint, als auf das, was uns trennt, ein
gefährlicher Indifferentismus gefördert werde, besonders bei
jenen, die in theologischen Belangen weniger erfahren sind und
deren religiöse Praxis eher schwach ist. Denn man muß sich davor
hüten, in einem Geiste, den man heute .irenisch' nennt, die katholischen
Lehren, seien es Dogmen, seien es mit den Dogmen
zusammenhängende Lehren, durch vergleichende Studien und im
eitlen Bemühen einer fortschreitenden Angleichung der verschiedenen
Glaubensbekenntnisse den Lehren der Dissidenten derart
anzupassen, daß die Reinheit der katholischen Lehre darunter
leidet oder ihr wahrer und sidierer Gehalt verdunkelt wird"
(R Nr. 693).

Es tut uns leid, daß wir den vielen Empfehlungen (angeblich
auch von evangelischer Seite) zum Trotz schwerwiegende Fragen
und Bedenken gegen das Buch anmelden müssen. Man kann in
dieser Frage die Erklärungen der höchsten kirchlichen Instanzen
nicht übergehen oder ihren Sinn verkehren. Wenn es noch eines
Aufrufs zum konfessionskundlichen Quellenstudium und zur
Redlichkeit einer interkonfessionellen Gesprächsführung bedarf,
die ja keineswegs der christlich-Urbanen Formen entbehren
kann, so erreicht er den, der Ohren hat zu hören, aus dem besprochenen
Buch.

Rostock Gottfried Holtz

Hermclink, Jan: Kirchen in der Welt. Konfessionskunde. Stuttgart
: Burckhardthaus- und Kreuz-Verlag [1959]. 238 S. 8° = Handbücherei
de6 Christen in der Welt, hrsg. v. R. v. Thadden-Trieglaff,
JH. Lw. DM 9.80.

Verf. behandelt im ersten Teil (13—68) die Trennungen,
die in der Geschichte der Kirche stattfanden. Er entkräftet dadurch
den gelegentlich gehörten Vorwurf, als sei Luther derjenige
, der mit den Spaltungen angefangen hat. Die lange und
schmerzliche Geschichte der Spaltungen vor Luther belehrt uns
eines besseren. Im zweiten Teil (69—174) werden die wichtigsten
Kirchen in ihrer Eigenart geschildert. Dabei verweist H. für die
beiden großen evangelischen Konfessionen auf die andern Bände
der „Handbücherei des Christen in der Welt" (70); sie bleiben
hier also außer Betracht. Im übrigen trifft H. folgende Auswahl.
Nach den drei „Großkirchen" (orthodoxe, römisch-katholische,
anglikanische Kirche) behandelt er einige Freikirchen (Kongrega-
tionalisten, Baptisten, Methodisten) und „Bewegungen" (Brüdergemeine
, Quäker, Darbysten). Der ökumenischen Ausrichtung
des Buches entsprechend gilt H.s besondere Aufmerksamkeit den
Wiedervereinigungen von Kirchen. Als Beispiel einer „wiedervereinigten
Kirche" führt er darum seinen Lesern die Kirche von
Südindien vor. Im dritten Teil werden zunächst Typen christlicher
Gemeinschaft, wie sie sich besonders im Verhältnis zur Uniwelt
zeigen, erörtert (179—200): Staatskirche, Volkskirche, Freikirche

— die amerikanischen Kirchen — die Kirchen Asiens und Afrikas

— Kirche und Umwelt. Den Abschluß bildet eine Darstellung der
ökumenischen Bewegung (201—235).

H. wendet 6ich, wie überhaupt die Reihe, in der sein Buch
erscheint, an einen weiteren evangelischen Leserkreis. Er versteht
es, in lebendiger einfacher Sprache anhand des wichtigsten
Materials in die einschlägigen Probleme einzuführen und den
Leser für die ökumenische Arbeit zu erwärmen. Als theologischer