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1960 Nr. 8

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Kirchengeschichte: Neuzeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 8

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gemeint, auch nicht als Protest oder als Aufschrei; die Synode
wollte nicht nur etwas aussagen, sondern wollte handeln. . . .
Ernst Wolf hat zweifellos recht, wenn er feststellt, ,ihre Legitimität
mußte sich die Synode durch ihr Handeln unter Voraussetzung
eines kirchlichen Notrechts erwerben'."

In der geschichtlichen Einleitung finden sich Äußerungen
von damaligen Landesbischöfen u. a., die aufdecken, wie es damals
wirklich stand, z. B. ,,. . . kirchliche Auseinandersetzungen
sind staat6gefährlich." Oder (nach dem 30. Juni 1934): „Wenn
in solcher Not wie in den letzten Tagen unser Volk einen Mann
hatte, der wie der Führer in so unerbittlicher Härte zuzugreifen
verstehe, dann sollten wir Gott dafür dankbar sein."

Die Synode wurde auf den 19. Oktober einberufen und
zählte 143 ordentliche Mitglieder. Hauptthema war zunächst
die Proklamierung des kirchlichen Notrechts. Die Botschaft der
Synode ist von erfrischender Schärfe gegen den Reichsbischof,
gegen die von ihm erstrebte Nationalkirche und gegen die
schriftwidrige Einführung des weltlichen Führerprinzips in die
Kirche. Aber für die Folge war 111,3 der Botschaft der schwierigste
Punkt: „Wir fordern die christlichen Gemeinden, ihre
Pfarrer und Ältesten auf, von der bisherigen Reichskirchenregierung
und ihren Behörden keine Weisungen entgegenzunehmen
und sich von der Zusammenarbeit mit denen zurückzuziehen
, die diesem Kirchenregiment weiter gehorsam sein
wollen." In einer Verordnung wurden die landeskichlichen
Bruderräte aufgefordert, die Prüfungsämter der Bekennenden
Kirche zu bestellen, die Ordination der Pastoren vorzunehmen
und eine eigene Disziplinargerichtsbarkeit zu gründen. In einer
Ausführungsbestimmung wird weiter verfügt: „Sämtliche Schreiben
unrechtmäßiger Kirchenbehörden sind zu den Akten zu
legen." Und dergleichen mehr. Das Buch bringt auch die Referate
, die auf der Synode gehalten wurden, und schließlich in
einem 2. Teil die Verhandlungen der Synode (stenographischer
Bericht über die Plenarsitzungen und die Ausschußverhandlungen).

Die Synodalverhandlungen zeigen, wie heiß um die einzelnen
Punkte gerungen wurde. Leicht hat es die Synode sich nicht
gemacht! Ein Synodaler sagte in seinem Schlußwort: „Wir alle
haben in diesen Tagen gekämpft, gerungen und gelitten." Professor
D. von Soden erklärte in seinem Bericht über die Ausschußberatung
: „Es ist unter uns Menschen nun einmal so — wir wollen
das in seiner Last in Demut und in seinem Reichtum in Dankbarkeit
anerkennen —, daß unser Zueinander und unser Miteinander
zunächst immer durch ein Gegeneinander geht."

Eines Mannes wird heute nicht dankbar genug gedacht, sein
Name fällt überaus selten: das ist der Präses der Bekenntnissynode
, D. Koch (Oeynhausen). Als der, den der Staat des Führer-
Prinzips als Hauptverantwortlichen ansehen mußte, riskierte er
Kopf und Kragen. Seine klare und besonnene Führung der Synode
liest man Nicmöllers Buch ab.

Dies Buch von D. Niemöller ist in seiner Objektivität ungemein
instruktiv für alle, die den Kirchenkampf recht beurteilen
wollen; Wilhelm Niemöller ist wirklich ein verdienstvoller
Berichterstatter des Kirchenkampfes.

Oldenburg Gerhard Jacobi

örstcr, Erwin: Diakonie in der Brüdergemeine.
Die Innere Mission 50, 1960 S. 132—141.

Arrenberg, Friedrich: Friedrich Naumann (1860—1919).
Kirche in der Zeit 15, 1960 S. 83—86.

"hnc, Johannes: Zinzcndorfs Erbe.
D'e Zeichen der Zeit 14, 1960 S. 170—173.
uPisch, Karl: Da« war Bodelschwingh!
D'e Zeichen der Zeit 14, 1960 S. 131—136.
■ Plädoyer für den Pietismus.
Di« Zeichen der Zeit 14, 1960 S. 42—46.
chweitzcr, Carl Gunther: Naumann in lutherischer Sicht.
Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung 14, 1960 S. 81—83.

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

Schütte, Heinz: Um die Wiedervereinigung im Glauben. 2., stark
erweit. Aufl. Essen: Fredebeul&Koenen 1959. 192 S. 8°. Lw. DM 8.80.

Schüttes liebenswürdiges Buch erlebte in weniger als Jahresfrist
zwei Auflagen, nachdem es schon zuvor im Manuskriptdruck
verbreitet war. Aus Vorträgen an Volkshochschulen entstanden,
wendet es sich an eine breite Schicht der Gebildeten, bei der es
mit einem beigefügten kleinen Heft voller Empfehlungen evangelischer
und katholischer Theologen und Kirchenführer um Einlaß
wirbt. Da wir mit der Annahme rechnen müssen, daß das kontroverstheologische
Problem von der Mehrzahl der Leser hinfort mit
den Augen Schüttes angesehen werden wird, ist die besondere
Achtsamkeit der evangelischen Theologie gefordert.

Zunächst ein kurzer Überblick über die 8 Kapitel! 1. Die Einheit
im Glauben nach dem Hohenpriesterlichen Gebet. Hier wird auch das
Verhalten der evangelischen wie der katholischen Kirche zum Anliegen
der Wiedervereinigung besprochen, wobei gleich zwei Hauptfragen, die
nach der Messe und nach der Tradition, behandelt werden. — 2. Die
Ursachen der Reformation / Martin Luther. In der Darstellung ist auf
Eigenleistung verzichtet; fa6t das ganze Kapitel besteht aus Zitaten, die
Algermissen, Jedin, Lortz, Holl, Meissinger u. a. entnommen sind. Die
Kompilation erstrebt eine Sicht des Geschichtsverlaufs wie bei J. Lortz.
Eine entscheidende Bedeutung kommt Harnades These zu: „Wäre das
Trienter Dekret über die Rechtfertigung schon 1515 vorhanden gewesen
und hätte Zeit gehabt, sich in Fleisch und Blut der Kirche einzuleben
, so hätte die Reformation sich nicht entwickeln können" (zitiert auf
S. 56). — 3. Die Überwindung des Gegensatzes in der Rechtfertigungslehre
. Hier begegnet man dem Werk von Hans Küng, Rechtfertigung,
1957. Der sehr bekannt gewordene Brief Barths an Küng wird im Wortlaut
wiedergegeben. — 4. Die Kirche als Säule und Grundfeste der
Wahrheit. In bedeutendem Umfang wird hier der lutherische Kirchenbegriff
untersucht. Wie im ganzen Buch werden hier diejenigen Aussagen
lutherischer Theologen herangezogen, zu denen katholischerseits
ja gesagt werden kann. Gründlich ausgenutzt wird der Satz E. Kinders:
„Der lutherisch-reformatorische Kirchenbegriff bietet keine allseitige
Seinsbeschreibung der Kirche" (s. S. 96). Das Buch von I. Heubach, Die
Ordination zum Amt der Kirche, 19 56, findet das besondere Wohlgefallen
. — 5. Das Petrusamt. Die fast erreichte Übereinstimmung der
Exegeten über die Sonderstellung des Petrus in der Urchristenheit wird
stark hervorgehoben. Für die behauptete Nachfolge im Petrusamt werden
als Zeugen aus dem evangelischen Lager selbstverständlich R. Baumann
und M. Lademann herausgestellt, allerdings auch eine Erwägung
E. Stauffers, die in diese Richtung weist, registriert (121). — Von den
letzten drei Kapiteln genügt die Nennung der Titel: 6. Heiligen- und
Marienverehrung. — 7. Gemeinsamer Glaube der Christen/Verbindung
zur Ostkirche. — 8. Der Weg zur Wiedervereinigung.

So sehr man den Friedenswillen des Verf.s anerkennen und
so wenig man hinter ihm zurückbleiben soll, so sehr muß um der
Sache und das heißt um der Wahrheit willen die Diskussion aufgenommen
werden.

Schütte bemerkt im Vorwort zur zweiten Auflage, man
könne eigentlich den einheitlichen katholischen Aussagen keine
einheitlichen evangelischen gegenüberstellen, weil „grundlegende
Verschiedenheiten" — so hieße es im Bericht des Weltrates der
Kirchen von Amsterdam 1948 — evangelischerseits offen zugegeben
würden. Wir leugnen die Verschiedenheiten nicht, müssen
aber zurückfragen, ob die katholischen theologischen Aussagen
alle so eindeutig feststehen wie Schütte behauptet. Aus dem
größeren Material sei folgendes herausgegriffen:

I. „Die heilige Messe ist nach katholischer Lehre keine Wiederholung
des Kreuzesopfers" (26). Wenn das feststeht, warum liest man
es in zahllosen Fällen anders? Neuner-Roos, Der Glaube der Kirche in
den Urkunden der Lehrverkündigung, 5. Aufl. 1958, hrsg. v. K. Rahner,
S. 293 sagt als Urteil der Herausgeber: „Die heilige Messe ist die
Erneuerung des Opfers, das Christus für un6 dargebracht
hat." Das Wort „Erneuerung" läßt sich weit durch die Literatur verfolgen
, von der Scholastik her über die Diskussionen um die Dekrete
von Trient hinaus bis in die Gegenwart. So überschreibt Bernhard van
Acken, Konvertitenkatechismus, 1957, den Abschnitt 86 (S. 196): „Das
Meßopfer ist die Erneuerung und Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers
". Im Kath. Katechismus für die Diözese Hildesheim, 1925, heißt
es in Frage 217: „Das Opfer des Neuen Bundes ist das Kreuzopfer
Christi, das in jeder heiligen Messe erneuert wird". Wir könnten
die Zeugnisse nach Belieben ausdehnen. Man soll um gewisse Worte
nicht unnötig streiten. „Erneuerung" und „Wiederholung" mögen sich
nicht voll decken, im Blick aber auf die hier strittige Frage sind sie