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Ausgabe:

1960

Spalte:

598-600

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Blomgren, Sven

Titel/Untertitel:

Eine Echtheitsfrage bei Optatus von Mileve 1960

Rezensent:

Altendorf, Hans-Dietrich

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597

Theologische Literatlirzeitung 1960 Nr. 8

598

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Kelly, J. N. D., D.D.: Early Christian Doctrines. London: Black

[1 958]. XII, 501 S. 8°. 30 s.

Beim Lesen dieser altchristlichen Theologiegeschichte mag
den deutschen Theologen und Kirchenhistoriker leichter Neid
überkommen, daß in englischen Landen ein solches, in erster
Linie für Studenten gedachtes Studienbuch geschrieben werden
kann. Auch seine Anlage ist aufs engste mit seinem, vom Angli-
kanismus geprägten, theologischen Mutterboden1 verbunden.

Nach einem als „Prolegomena" bezeichneten ersten Hauptteil
(3—79), der den religions- und geistesgeschichtlichen Hintergrund
der altkirchlichen Theologiegeschichte, sowie die Entwicklungsgeschichte
des Verhältnisses von Tradition und Schrift
und der Schriftexegese behandelt, erfolgt im zweiten Hauptteil
(83—220) die Darstellung der „Pre-Nicene Theology", die im
Nacheinander für die trinitari6che Frage, das Inkarnationsproblem
, die Soteriologie und die Ekklesiologie längsschnittartige
Durchblicke gibt, so daß die Entwicklung als ein Bündel
einzelner Entwicklungsstränge erscheint. Wohl tritt im dritten
Hauptteil („From Nicaea to Chalkedon") das historische Entwicklungsprinzip
stärker in Erscheinung (S. 223—445), indem die
trinitarischen Streitigkeiten der nachnizänischen Epoche bis zum
Abschluß von 381 kontinuierlich dargestellt werden, dem 6idi
nach dem bekannten, problemgeschichtlichen Skopus (Inkarnationsproblem
) die christologischen Streitigkeiten de6 4.15. Jhdts.
anschließen. Es ist aber auch für diesen Berichtsraum charakteristisch
, wie in dem trinitarischen Kapitel die Entwicklung über
381 hinaus im Westen verfolgt wird (S. 269 ff.) und die augu-
stinische Trinitätslehre als eine „contribution 6C. to the doctrine
of the Trinity" (S. 271) verstanden ist. Dementsprechend wird
auch in den weiteren Partien des dritten Hauptteiles die Längsschnittmethode
für die Anthropologie (Sünden- und Prädestinationslehre
), die Soteriologie, die Ekklesiologie und in einem
eigenen Kapitel die Sakramentslehre der Spätphase angewandt.
Daß damit Überschneidungen und Wiederholungen gegeben sind,
liegt auf der Hand, und der Verfasser ist sich dessen auch bewußt:
er kann solche Inkonzinnitäten aber seinen Lesern und seiner
Gesamtkonzeption getrost zumuten. Besonders der als „Epilog"
geschriebene vierte Hauptteil (459—489), der unter dem bezeichnenden
Titel ,,The Christian hope" die Eschatologie behandelt
und ähnlich wie der Prolog den gesamten Berichtsraum umfaßt,
macht den Unterschied zu den protestantischen Dogmengeschichten
deutlich. Von ihnen fühlt sich der Verfasser nur Harnack, Loofs
und Sccberg, die er als „the classical historians of Dogma" (S. VI)
bezeichnet, verpflichtet. Es ist kein Zufall, daß bei der letztgenannten
Problematik weder hier noch sonst Martin Werners
problemgeschichtliche Darstellung Berücksichtigung findet. Ich
darf hier auf das verweisen, was ich bei früherer Gelegenheit,
vgl. ThLZ 84, 1959, Sp. 81 bemerkte: Kellys Arbeit beweist für
den Anglikanismus, ähnlich wie M. Schmaus für den Katholizismus
mit seinem „Handbuch der Dogmengeschichte", das gleichfalls
die Methode des Längsschnittes anwendet, daß man dort
mehr Darstellungsmöglichkeiten hat für die Dogmengeschichte,
wo das Traditionsprinzip als theologisch-dogmatische Norm un-
angefochtcn ist.

Der Kritiker, der nicht auf der gleichen „Insel der Glückseligen
" lebt und sich keiner Selbsttäuschung über seine theologische
Situation hingeben möchte, müßte demnach mit seinen
ragen bei den Präliminarien des Werkes einsetzen. Er würde zunächst
fragen, ob man dem theologiegeschichtlichen Prozeß gerecht
wird, wenn man trotz Kenntnis der hier vorliegenden
(M° ^Vß'" ^V^ e religionsge6chichtlichen Phänomene

(Mystericnfrömmigkeit etc.), die Philosophiegeschichte, Judentum
und Gnosis (in einem übrigens glänzend geschriebenen Überblick)
'sohert von der Entwicklung als „background" hinstellt und da-
m't ihren entwicklungsgeschichtlichen Beitrag ausklammert. Auch
Fj deni interessanten Kapitel „Tradition and Scripture" (S. 29 ff.)
J^te^er manches zu sagen. Aber er würde in dieser kritischen

) Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Erlebnisbericht
'"es jungen Stipendiaten des Weltkirchenrates, Georg Günter Blum.
Dcgegnung mit der Kirche von England, Verlag Stauda Kas«el 1959.

Aussprache die theologischen Voraussetzungen des Werkes
übersehen haben.

Da sein Verfasser jedoch in vorbildlicher Weise aus den
Quellen unmittelbar schöpft und durch einen lückenlosen
Quellennachweis, der für jede Einzelheit gegeben wird, zu einem
Gespräch über die theologiegeschichtlichen Texte einlädt, dürfte
in diesem Bereich historischer Forschung die Auseinandersetzung
mit ihm sich fruchtbarer gestalten. Mit Harnack teilt er die herrschende
Meinung, daß der trinitarische Personbegriff Tertullians
theologische Leistung sei (S. 150). Ich habe auf dem 3. Internationalen
Patristiker-Kongreß in Oxford durch einen Vortrag
„Zur Entstehung und Geschichte des trinitarischen Person-
begriffes" gewisse Korrekturen an dieser Auffassung angebracht
und darf hierzu auf die kommende Veröffentlichung in den Studia
Patristica verweisen. Dort habe ich auch auf die Quellenproblematik
hingewiesen, die bezüglich der Sabellius-Überlieferung besteht
und die auch Kelly S. 122 f. bekannt ist. Doch glaube ich
nicht, daß sein argumentum e silentio als Ersatzlösung tragbar
ist. Die vorgetragene Schlußfolgerung: Sabellius habe Prosopon
kaum anders als Hippolyt verstanden, da aber Hippolyt Ref. X,
27, 4 Kallist als Sabellianer verdächtige, müsse der in dieser Lehrformel
Kallist's angewandte Prosoponbegriff auch für Sabellius
gelten, scheitert daran, daß diese sog. 2. Lehrformel Kallist's bei
Hippolyt Ref. X, 27, 4 sichtlich Spuren einer tendenziösen Formulierung
durch Hippolyt trägt.

Derlei Ansichtsdivergenzen, die sich nur auf das Detail beziehen
, ließen sich noch vermehren. Angesichts des weitgespannten
Entwurfs fühlt man sich gehemmt, sie nach Beckmesserart
vorzutragen. Der starke Gesamteindruck, von dem ich eingangs
sprach, ist jedenfalls nicht zuletzt dem reichen Wissen des Verfs.
zuzuschreiben, der bereits durch sein früheres Werk „The Early
Christian Creeds" dem Leser vielleicht noch stärkere Hochachtung
abnötigte. Daß die Bibliographien am Schluß eines jeden Kapitels
und die Indices den Wert des Werkes für seine Zwecke erhöhen
wollen, liegt auf der Hand. Daß aber stärker die französische als
die deutsche Forschung hier berücksichtigt wird, hat sicher
tiefere Gründe.

Marburg/Lahn Carl And resen

Blomgren,, Sven: Eine Echtheitsfrage bei * Optatus von Mileve.

Stockholm: Almqvist & Wiksell [1959]. 70 S. gr. 8° = Acta Acade-A^
miae Regiae Scientiarum Upsaliensis] 5^Schw. Kr. 10.—.

Der numidischc Bischof muß seine ursprünglich in sechs
Büchern herausgegebene antidonatistische Schrift nachträglich
mehrfach überarbeitet oder Überarbeitungen in Angriff genommen
haben. Das ergibt 6ich aus der Textüberlieferung von I bis
VI und dem Zustand, in dem die Materialien überkommen sind,
die das jetzige Buch VII bilden. In diesem Buche finden 6ich sechs
Partien1, die nur von einer einzigen Handschrift bezeugt sind,
dem nach seinem Besitzer, Bischof Jean de Tillet, benannten
codex Tilianus; sie sind in der 2. Auflage (Paris 1569) der von
F. Baudouin veranstalteten Optatausgabe gedruckt; die Handschrift
selbst ist verschollen. Die Partien2 fallen nicht nur überlieferungsmäßig
, sondern auch inhaltlich auf: ihre Haltung
gegenüber den Donatisten ist noch entgegenkommender als es
die in VII gebotenen Ausführungen ohnehin sind. Daher ist
ihre Echtheit mehrfach bestritten worden, fand aber auch Verteidiger
, ohne daß bisher eine gründliche Untersuchung vorgenommen
worden wäre. Diese liegt in Bl.s Abhandlung vor.

Der Verf. kommt zu der Feststellung, „daß die nur durch den codex
Tilianus tradierten Textpartien in verschiedener Hinsidit so viele und
so bedeutende Ähnlichkeiten mit den Büchern des Optatus aufweisen,
daß man nicht die Möglichkeit ausschließen kann, daß er selbst diese

') In der Ausgabe Ziwsas S. 1 59, Z. 17 - S. 163, Z. 26; S. 165, Z. 2
-S. 167, Z. 33; S. 168, Z. 10-13; S. 170, Z. 12-14; S. 171, Z. 3-5;
S. 172, Z. 21 f.

s) Für den letzten Zusatz stellt BI. m.E. die Herkunft aus dem Tilianus
zu Unrecht in Frage (S. 9, Anm. 2; S. 47; ich habe Baudouins Druck
ebenso wie BI. nidit einsehen können): die unbestimmte Angabe im
Apparat Ziwsas: „addunt edd." entspricht der Weise, in der Dupin die
Tilletschen Texte notiert und scheint hier versehentlich von Ziwsa übernommen
worden zu sein, während er an den übrigen Stellen den ursprünglichen
Fundort angibt. Die Verdeutlichung des Matthäuszitates
dürfte daher hinsichtlich der Verfasserfrage wie die übrigen Zusätze zu
beurteilen sein.