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Ausgabe:

1960 Nr. 8

Spalte:

587-589

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Boer, Pieter Arie Hendrik de

Titel/Untertitel:

Second-Isaiah's message 1960

Rezensent:

Koch, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 8

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graphie beschließen den gehaltvollen Aufsatz. Für die Geschichte
des hebräischen Textes tragen die Untersuchungen nichts aus im
Gegensatz etwa zu dem Fund des Codex Odo von Johannes
Fischer BZAW LXVI, 1936, 198 ff. - Samuel Atlas, „Solomon
Maimon's Philosophy of Language critically examined" (S. 253
—288). Hier wird eine wertvolle philosophiegeschichtliche Arbeit
über den jüdischen Philosophen Solomon Maimon vorgelegt.
Sie stellt dessen Gedanken zur Philosophie der Sprache dar in
Beziehung zu den Philosophen, die ihn beeinflußt haben, und mit
deren Gedanken er sich kritisch und selbständig auseinandergesetzt
hat, also Maimonides, Wolff, Leibniz, Kant. Verf. zieht
auch Lichtenbergs Gedankenwelt heran und führt die Betrachtung
bis zu Nikolai Hartmann und Heidegger, stets in Beziehung zu
den Gedanken des Maimon, die sorgfältig auf Grund seines
literarischen Werkes dargestellt werden. — Der letzte englisch
geschriebene Aufsatz ist der von Jacob B. Agus, „The Prophet in
Modern Hebrew Literature" (S. 289—324). Die leidenschaftlich
geschriebene Arbeit stellt den Propheten als die religiöse Zentralgestalt
Israels heraus und konfrontiert ihn mit anderen Erscheinungen
wie dem griechischen Philosophen, dem katholischen Heiligen
, dem modernen Künstler und Ingenieur. Phänomenologisch
wird die Prophetengestalt zutreffend herausgearbeitet. Aber es
wird auch auf seine Vergänglichkeit, auf das Vorübergehende
seiner Erscheinung energisch hingewiesen. Wenn der blitzartige
Augenblick des Dialogs mit Gott vorüber ist, kann der Prophet
nur danach streben, sich des goldenen Augenblicks zu erinnern
und nach seiner Wiederkehr zu verlangen. Eine dauernde Verklärung
wie im Buddhismus und in verschiedenen christlichen
Theologien erfährt er nicht. Danach gibt der Verfasser eine sehr
instruktive Übersicht über die Prophetengestalt in der jüdischen
Literatur, die er S. 321 beschließt mit der Feststellung einerseits
einer Nachwirkung (the haunting spell of the ancient vision),
andererseits einer ganzen oder teilweisen Ablehnung der Pro-
phetie. Verf. kommt zu dem Ergebnis, daß wir nicht die stolzen
Wächter ewiger Wahrheiten sind, sondern nur die demütig Suchenden
des göttlichen Geheimnisses, das niemals völlig ergriffen
wird. Der prophetische Genius mag beschrieben werden, der
Mantel der Prophetie mag institutionalisiert werden, aber der
Geist der Prophetie kann nicht nach Belieben erzeugt werden.
Wir können nicht in Anspruch nehmen, unter denen zu sein, die
alles über Gott wissen, aber wir können die hervorragende Kraft
des unendlichen Suchens verkünden (S. 324). — Den Beschluß de6
Buches bilden die von Ezra Spicehandler herausgegebenen 21
Briefe des Josua Heschel Schorr an den Rabbiner Dr. Baruch Felsenthal
in Chicago innerhalb der Jahre von 1875—1890. Die sehr
sorgfältig in ausführlichen und zahlreichen Anmerkungen kommentierten
Briefe betreffen verschiedene innerjüdische Angelegenheiten
und Fragen des öffentlichen Lebens, z. B. Proselytenfragen
und anderes und sind wertvolle Dokumente zur Geschichte des
Judentums in neuerer Zeit.

Leipzig HansBurdtke

De Boer, P. A. H.: Second-Isaiah's Message. Leiden: Brill 1956.
VII, 126 S. gr. 8° = Oudtestamentische Studien XI. hfl. 21.—.

Nicht eine Gesamtdarstellung, sondern einige neue Gesichtspunkte
zur Deuterojesajaforschung — das ist das Ziel des Buches.
Voran geht eine Übersetzung (Kap. I), die in Kap. II und
IV begründet wird. Dabei wird der masoretische Text nur an
wenigen Stellen verlassen, an vielen Stellen wird er selbst da
beibehalten, wo fa6t allgemein angenommene Textverbesserungen
durch die berühmte Handschrift vom Toten Meer bestätigt wurden
. Der „gesunde Grundsatz, daß die Ursache einer inkorrekten
Lesung (im masoretischen Text) geklärt sein muß, ehe die Verbesserung
akzeptiert werden kann" (69) überspitzt die Problemlage
doch wohl zu einseitig zugunsten des MT. So richtig die
Frage nach der Ursache einer Verschreibung ist, — daß sie in allen
Fällen geklärt werden könne, ist Illusion. Andererseits ist, was
dem MT recht ist, den Qumranhandschriften und Übersetzungen
billig; auch da müßte — um den angeführten Grundsatz abzuwandeln
— die Ursache der Abweichung geklärt sein, ehe die Lesart
in der Textkritik übergangen werden darf. Daß die eine
lesajahandschrift aus Qumran einen „verwilderten" Text darstellt
, hindert nicht, bei jeder Abweichung von MT zu untersuchen
, ob sie nidit gerade an der betreffenden Stelle nun doch
den richtigen Text enthält; denn auch MT ist in gewisser, wenn
auch sehr viel geringerer Weise verwildert (wie die Änderungen,
die S. 69 f. vorgeschlagen werden, erweisen). Das Bestreben, den
MT unter allen Umständen festzuhalten, führt bei d. B. manchmal
zu sehr gekünstelten Übersetzungen (z. B. bei 45, 24 oder
49, 6f. — sollte das ein Israelit ohne d. B.s Anmerkungen verstanden
haben?).

Ausgezeichnet und überzeugend ist dagegen die Behandlung
von Js 51, ib im 3. Kapitel. Gegen die passive Fassung der Verben
in MT: „seht auf den Fels, (aus dem) ihr gehauen seid,
und auf die Zisternenöffnung, (aus der) ihr hef ausgegraben
seid" tritt d. B. für die aktive Lesung der LXX ein, die
bisher noch nicht beachtet worden ist: „seht auf den Fels, den ihr
aus haut (oder: ausgehauen habt), und auf die Zisternenöffnung
, die ihr ausgrabt (oder: ausgegraben habt)". Der
Satz ist auf Jahwe zu beziehen, er ist hier — wie an zahlreichen
anderen Stellen — der Fels, d. h. der Zufluchtsort und Lebensspender
. Daß Israel ihn aushauen darf, hat das spätere Judentum
vermutlich für anstößig gehalten, daher die Umpunktation.
Durch diese Deutung scheint mir die exegetische Schwierigkeit
von 51, 1—3, die schon viel Kopfzerbrechen verursacht und zu
den kühnsten Theorien verführt hat, endlich gelöst zu sein.

Erregend ist das 5. Kapitel: Die Grenzen von Deutero-
jesajas Botschaft. Entgegen der verbreiteten Ansicht, daß bei diesem
Profeten ein universalistischer Gottesgedanke zum Durchbruch
kommt und die Weltmission der Jahwereligion verheißen
wird, sieht d. B. in Deuterojesaja einen nationalistischen und
partikularistischen Theologen. Nach Stellen wie
43,3; 45,14; 47; 51,23 ist der Untergang oder die Linter-
werfung anderer Völker, nicht aber ihre Bekehrung, Bestandteil
des künftigen Heils. Einzig der Perser Kyros wird günstig geschildert
, aber nur um seiner Taten für Israel, keineswegs um
seiner selbst willen. Selbst 60 universalistisch klingende Sätze
wie der, daß „aller Welt Enden" das Heil Gotte6 sehen, besagt
nur, daß die Fremden Zuschauer sein werden, Zuschauer
jenes wunderbaren Neuanfangs, den Gott an seinem Volk wirkt.
Auch wo der Gottesknecht als ein „Licht für die Heiden" vorgestellt
wird, geht es nicht um deren Gewinnung für den Jahweglauben
, sondern es wird dadurch nur gesagt, daß das Geschehen
um den Gottesknecht in der Öffentlichkeit sich vollzieht, weithin
leuchtend, und deshalb von allen Völkern bestaunt und respektiert
wird. Gleichen Sinn hat die Wendung, daß der mischpat
Jahwes vor den Nationen hervorgebracht (nicht: hinausgetragen!)
wird. So ergibt sich: „Deuterojesajas einzige Absicht ist, Befreiung
für das judäische Volk zu verkünden" (90). — Die Vertreter
der herkömmlichen Sicht werden sich künftig eingehend mit der
in sich geschlossenen und klaren Beweisführung d. B.s auseinandersetzen
müssen. Freilich scheint mir seine These daran zu
kranken, daß solche in diesem Zusammenhang entscheidenden
Wörter wie „Licht" oder „mischpat" nicht streng begriffsgeschichtlich
erarbeitet sind; die Ableitung von mischpat auf
S. 91 f. ist wenig überzeugend und fast ohne jede Belegstelle aufgestellt
; und die Rede vom „Licht" meint im Alten Testament
gewiß mehr, als es der Auslegung von d. B. zuträglich ist!

Im 6. Kapitel wird „der leidende Knecht" kollektiv
auf das Volk Israel gedeutet, und zwar auf denjenigen Teil, der
in Babylon in Sklaverei geriet. Ihm steht ein anderer Volksteil
gegenüber, der in Palästina oder Mesopotamien seine persönliche
Selbständigkeit retten konnte und das stellvertretende Leiden der
Unterdrückten in 5 3,2—6 anerkennt. Die Personifikation des
Gottesknechts erklärt sich aus der Vorstellung vom Volksahnen,
der individuelle und kollektive Züge zugleich trägt. Mit „Jakob"
und „Israel" zusammen handelt es sich um „ideological names,
reminding und magically realizing the past" (106). — Dieses Kapitel
ist ohne Zweifel das schwächste des Buches. Auf die zugunsten
einer individuellen Deutung des Knechts in der Literatur
angehäuften Hinweise wird kaum eingegangen. Auch müßte d. B.
viel ausführlicher auf Einzelexegese eingehen. Um ein Beispiel
herauszugreifen: Daß der Gottesknecht nach 53,2 als junge
Pflanze vor den Augen der Zuschauer aufsprießt, bleibt bei dieser
Deutung unverständlich. Wieder werden die hebräischen Wörter
zu wenig geklärt: Daß das „Besprengen" in 52, 15 den Zweck