Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1960 Nr. 8

Spalte:

579-580

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Thielicke, Helmut

Titel/Untertitel:

Vom Schiff aus gesehen 1960

Rezensent:

Holtz, Gottfried

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

579

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 8

580

Mitterer für ein Nein. Nach 6einer Auffassung können also
solche Ehen im kirchlichen Eheprozeß für nichtig erklärt werden,
wodurch die Ehegatten die Freiheit zu einer anderweitigen Ehe
bekommen, was bekanntlich bei einer Scheidung von Tisch und
Bett nicht der Fall ist. Man wird bei der Lektüre den peinlichen
Eindruck nicht los, daß sich die katholische Kirche mit
ihrem Dogma vom Ehesakrament und dem daraus folgenden
Kompetenzanspruch in eherechtlichen Fragen (Eherecht ist Sakramentsrecht
!) übernommen hat. Einerseits soll die Unlösbar-
keit der Ehe kirchenrechtlich durchgehalten werden, andererseits
werden aber auf dem Umweg über die aus verschiedensten
Gründen mögliche Nichtigkeitserklärung an die Praxis dauernd
Konzessionen gemacht, deren Begründung wenig überzeugt. Man
denke nur den umgekehrten Fall, der Staat würde eine Ehe für
ungültig erklären, weil ein Partner sich bereits anderweitig für
gebunden ansieht und die bürgerliche Eheschließung nur als eine
unverbindliche Formsache über sich ergehen läßt. Wenn man
schon angesichts der Zerrüttung mancher Ehen den Ehegatten
einen Weg zur Trennung und Wiederverheiratung eröffnen muß,
dann sollte man das in der Ehegesetzgebung auch klar aussprechen
, ebenso klar freilich auch, daß juristisches Recht und sittliches
Recht nicht identisch sind.

Halle/Saale Erdmann Schölt

X

Thiel icke, Helmut: Vom Schiff aus gesehen. Tagebuch einer Ostasienreise
. Gütersloh: Mohn [1959]. 274 S., 8 färb. Taf. 8°. Lw.
DM 14.80.

Man wird fragen können, ob ein Reisebericht hier zu besprechen
sei. Schaltet man politische und gesellschaftliche Beurteilungen
außereuropäischer Vorgänge und Entwicklungen — Thie-
Iicke verhält sich hier sehr selbstkritisch und zurückhaltend —,
kleine menschlich-normale Reiseerlebnisse und Bemerkungen zur
Tagebuchliteratur überhaupt aus, so bleibt genug Wesentliches
zurück, auf das der Theologe aufmerksam sein sollte.

Thielicke hat 6eine Ostasienreise im Frachter zurückgelegt,
weswegen als Mitmensch nicht der Passagier, sondern der Mann
der Besatzung die Hauptrolle spielt. Mit ihm bestand offenbar
enger Kontakt. Auf das, was hier aus intimer Kenntnis gesagt
wird, sollten Psychologen und Seelsorger aufmerksam sein. Die
sexuellen Hafenabenteuer in aller Welt werden aus der Eintönigkeit
des Dienstes, der undifferenzierten und meist primitiven
Geistigkeit und dem Mangel an gehaltvollen Darbietungen
in den Hafenstädten zu begreifen gesucht. Aufschlußreich die Urteile
über Seemannsmission aus Matrosenmund! Alle schwärmen
für einen australischen Seemannspastor, der es versteht, die
Männer dem „Dreck der Gosse" zu entreißen. ,,Er lädt sie in gepflegte
Räume, wo sie spielen und leöen können; es sind junge
Leute ihres Alters da, die sich um sie kümmern, sie mit nach
Hause nehmen oder ihnen die Stadt zeigen, und abends sind
junge Mädchen aus ordentlichen Häusern zum Tanz bestellt.
Zum Schluß sagt er ihnen in verschiedenen Sprachen noch ein
kurzes Abschiedswort" (122).

Verwandt ist das Urteil über die modernen Missionare. Mit
Albert Schweitzer wird nur Männern von theologischem und
kulturellem Rang die Eignung zugesprochen. Wir lernen einen
solchen kennen, der in Japan wirkt. Einige spezielle Missionsprobleme
werden diskutiert, so der schwere Zugang der Japaner
zu den christlichen Sakramenten.

Ernüchternd sind Erlebnisse in buddhistischen und shinto-
istischen Tempeln. Den vielen Besuchern scheint die Gläubigkeit
zu fehlen. Aus dem christlichen Japan wird die Bedeutung der
Laientheologie und der Einfluß von K. Barth und E. Brunner bestätigt
; auch die Schriften des Verfs. sind weithin bekannt.
Interessanterweise hat der bei uns halb vergessene Hilty eine
große Gemeinde, — Japan scheint nach einer christlichen Weisheit
«- und Spruchliteratur zu hungern. In erkenntnistheoretische
und glaubensmäßige Tiefen führt ein ausführlich wiedergegebenes
Gespräch mit einem führenden Zen-Buddhisten Japans.

Nicht zuletzt geschehe der Hinweis auf zahlreich eingestreute
christliche und humanistische Reflexionen, die der Leser
nachdenklich umkreist, so über die Stärke der selbstverständlichen
, von Ungläubigen und Fremden noch nicht erschütterten

Sitte (40 f.), über den Mangel an Tierliebe in China (212), die
verschiedenen Anschauungen der Religionen und Sekten von der
Gnade (88), die Zusammenhänge zwischen Magie und Scheu vor
dem Photoapparat in einigen Ländern (80), den Kinderreichtum
des Ostens, die seelischen Möglichkeiten der Bewältigung technischer
Probleme durch den Osten (176) und anderes mehr.

Das kluge, fecselnde Buch wird so leicht niemanden enttäuschen
.

Rostock Gottfried Hol tz

PospiSil, Bohuslaw: A Forward-Looking Witness — A contribution

towards understanding the work of J. L. Hromädka.

Communio Viatorum II, 1959 S. 249—256.
S o u c e k, J. B.: Theology in Action — An outline of the theological

endeavours of J. L. Hromädka.

Communio Viatorum II, 1959 S. 276—286.

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Cerf aux, L, et J. T o n d r i a u : Le culte des souvetains dans la
civilisation Greco-Romaine. Un coneurrent du diri6tianisme. Tournai:
Desclee & Cie. [1957]. 535 S. gr. 8° = Bibliotheque de theologie,
serie III, Vol. V.

Das Buch beginnt mit einer Bibliographie von 65 Seiten und
bespricht dann in chronologischer Folge die Zeugnisse des antiken
Herrscherkults aus dem Alten Orient, dem klassischen
Griechenland, Makedonien, Alexanderreich, den Diadochen-
monarchien und der römischen Welt von den Imperatoren der
Spätrepublik bis zu den späten Kaisern. Das letzte Kapitel bringt
methodologische, systematische und dogmengeschichtliche Schlußbetrachtungen
und einige Seiten über die antike Kritik am Herrscherkult
. Dann folgt auf 24 Seiten eine tabellarische Übersicht
über die verschiedenen Phasen, Objekte und Formen der Heroisierung
oder Divinisierung und zuletzt eine Menge Indices und
Nachträge (55 Seiten). Der Plan des Buches stammt von Tondriau,
der in Zusammenfassung und Weiterführung 6einer zahlreichen
Spezialarbeiten die Dokumente und Probleme der antiken
Herrschermeraphysik behandelt. Cerfaux hat die Abschnitte über
das Verhältnis des Judentums und Christentums zum Herrscherkult
beigesteuert. Beide Autoren haben keine Mühe gescheut, um
ihren Lesern ein praktisches Nachschlagewerk an die Hand zu
geben. Dafür gebührt ihnen der Dank der theologischen Jugend
in allen Ländern und Kirchen.

Das wissenschaftliche Hauptverdienst des Buches möchte ich
darin sehen, daß Tondriau hier eine Fülle von Belegen für die
göttliche Ehrung und Verehrung lebender Herrscher beigebracht
hat (p. 124 f. Philipp; 133 ff. Alexander; 208 ff. Ptolcmäer;
229 ff. Seleukiden; 417 ff. Gesamtantike). In vielen Büchern
kann man auch heute noch die hartnäckige Behauptung lesen,
die frührömischen Kaiser seien im lateinischen Westen erst nach
ihrem Tode zu Göttern erhoben worden. Manche Autoren berufen
sich dabei zu Unrecht auf Tacitus, Annalen 15,74. Demgegenüber
arbeitet Tondriau ohne Polemik, aber mit aller Klarheit
und Beweiskraft heraus, daß schon Caesar und Augustus zu
ihren Lebzeiten zu „Göttern" deklariert wurden, und
zwar nicht nur im hellenistischen Osten, sondern im römischen
Senat (p. 286ff.; 337ff.). Möge man das allmählich
zur Kenntnis nehmen.

Jeder Sachkundige wird begreifen, daß man in einem Kompendium
von 53 5 Seiten nicht alles zur Sprache bringen kann, was zur Sache gehört
, nicht alle Dokumente, nicht alle Probleme, nicht alle Thesen und
Spezialarbeiten. Dennoch wundert man sich manchmal, warum manches
60 kurz behandelt, manches ganz übergangen ist. Ich nenne nur einige
Beispiele, die für den theologischen Leser von besonderem Belang sind.
Zu kurz gekommen ist m. E. das antike Advcntsritual, die
Himmelfahrtsmctaphysik, die Geburt und Frühzeit des Wunderkinde«
Oktavian, die Aufnahme seines Namens in die Salierliturgie (Anno 29
ante!), der Eichenkranz des Augustus, die Symbolsprachc der Pilatusmünzen
, die Apokolokynthosis Senckas, die Hofdichtung Martials, die
Münzprägung des Gallienus und Probus. Ganz übergangen l«t.
wenn ich richtig sehe, die Londoner Dekadrachme mit Alexander
Keraunophoros, der Bios Kaisaros des Nicolau« Damascenus, der
Augustushymnus in Philons Legatio, die Wiener Gemma Augustca, der