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Ausgabe:

1960 Nr. 8

Spalte:

577-578

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Um Diaspora-Dienst und Diaspora-Fragen 1960

Rezensent:

Bornkamm, Heinrich

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577

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 8

578

denz stehen soll, so daß diese beiden Titel innerhalb von Kap. 1
die Klammer bilden würden, die die übrigen Titel einschließt.
Andererseits: so ausgeprägt wäre diese Beziehung wiederum auch
nicht, daß sie für sich bereits ein Beweis dafür sein müßte, daß
mit dieser Gegenüberstellung auch wirklich zu rechnen wäre.
Tatsächlich liegt sie wohl nicht vor, indem Joh. 1,51 nicht
cschatologisch gemeint sein wird.

Dies braucht keineswegs zu bedeuten, daß jeder eschatolo-
gische Ausblick gänzlich fehlen bzw. die Aussage ausschließlich
uneschatologisch gemeint sein müßte, und schon in dieser Überlegung
liegt eine Sicherung gegenüber der voreiligen Annahme,
es solle in 1, 51 betont 6ein, Jesus sei „der Menschen6ohn nicht
im Sinne der jüdisch-urchristlichen Apokalyptik als der dereinst
auf den Wolken des Himmels Kommende, sondern in seiner irdischen
Gegenwart"18. Vielmehr wird es im Sinne des Evangelisten

*•) Bultmann S. 7t. Wenn das, was Bultmann hier deutsch sagt, in
Joh. 1,51 griechisch stehen würde, erst dann wäre der unumstößliche
Beweis geliefert, daß er recht hat. So aber handelt es sich lediglich um
Eintragung einer polemisch ausgerichteten Situation, die für den Evangelisten
tatsächlich gar nicht bestanden haben wird. Der Gedanke, den
Bultmann hier äußert, kehrt bei ihm ja außerordentlich häufig wieder.
Audi dieser rote Faden hält jedoch nicht.

durchaus erlaubt sein, zu fragen, wie denn der in 1,51 ins Auge
gefaßte Tatbestand eschatologisch aussehen mag, wie er sich
eschatologisch fortsetzt. 1, 51 selbst ist jedoch auf den Irdischen
bezogen. Es handelt sich um eine Zusage für die Zukunft (die
Aussage ist futurisch gehalten), aber diese Zukunft liegt innerhalb
der Erdenzeit Jesu". Gemeint ist: „Ihr (anwesende Jünger
und wohl auch Leser des Evangeliums) werdet nie einen anderen
Eindruck von meinem Verhältnis zu Gott haben als den einer
dauernden und vollkommenen Gemeinschaft mit Gott"60.

") Auch bei dem Futurum Si()fj 1,50 wird nicht etwa gemeint sein:

j erst nach dem Tode Jesu (vgl. Joh. 13,7). Die Futura Syjri und Srpeods
werden genau gleich zu verstehen sein, und das m/ieo&e ist an dem

j vorangegangenen ojpjj orientiert; es wird ihm daher auch aus diesem
Grund eine polemische Spitze gegen eine andersartige oyieo&e- Aussage,
etwa im Sinn von Mark. 14,62 Par. (vgl. 13,26Par), fehlen.

M) Wenn in 1,51 an eine ständige Verbundenheit mit Gott gedacht
ist (vgl. Anm. 32), fällt die Möglichkeit dahin, daß die Stelle insbesondere
auf die Auferstehung und die österlichen Erscheinungen der

I Jünger abzielen könnte. Vgl. Windisch (Anm. 30) S. 201 ff. — Dahingestellt
sei, ob es ratsam ist, den Inthronisationsgedanken mit Joh. 1,51

j zu verbinden. Vgl. Schweizer, Menschensohn S. 203, Anm. 63 („gewissermaßen
schon inthronisiert") und S. 204.

ALLGEMEINES: FESTSCHRIFTEN

IG c i ß I c r, Bruno:] Um Diaspora - Dienst und Diaspora - Fragen.
Bruno Gcißler, dem Achtzigjährigen. Hrsg. v. Paul Wilhelm G e n n-
r i c h. Kassel: Centralleitung d. Gustav Adolf-Werkes der Evang.
Kirche in Deutschland [1957]. 225 S. 8°. Lw. DM 7.—.

Für das lockere Gebinde einer Festschrift, wie sie dem hochverdienten
langjährigen Generalsekretär des Gustav - Adolf -
Werk es gewidmet wurde, ist die Welt der Diaspora ein denkbar
glückliches Thema. Was die einzelnen Verfasser auch aus ihrer
jeweiligen Sicht beitragen, illustriert doch immer nur auf neue
Weise das gleiche Problem. Älter als die Kirche, ist es yon keiner
Epoche der Kirchengeschichte abzulösen. Es bildet im verkleinerten
Spiegel des Minderhcitsdascins immer nur die Fremdlingschaft
ab, in der die Kirche überhaupt in der Welt lebt, mit aller Not
und allem Segen. Ein schmaler Band wie dieser, der aus Aufsätzen
in der von Bruno Geißler geschaffenen Zeitschrift „Die
evangelische Diaspora" als Dank für ihn erwachsen ist, kann davon
nur zufällige Eindrücke geben. Aber alle treffen die Sache.
Neben der Stimme der Diaspora selbst (Predigten des sieben-
Dürgi6chen Bischofs Müller und des österreichischen Bischofs May)
stehen Fragen der grundsätzlichen Besinnung (Harald Kruska,
Paul Wilhelm Gennrich, Ernst Fikenscher) und eine für alle freien
Werke der Kirche aufschlußreiche geschichtliche Besinnung von
Franz Lau über da6 Verhältnis zwischen der Kirche und diesen
unabhängigen Organisationen. Der Bogen der geschichtlichen
Beiträge spannt sich von der Neuinterpretation eines ägyptisch-
*ristlichcn Papyrus (Grenfell I, 53) auf die Anfangszeit des
Nonnenwesens durch Carl Schneider über Calvin (Richard Schlier),
das erste Beispiel staatlicher Rcligionsduldung in Siebenbürgen
1557 (Paul Philippi, gegen Hcussi, der sie für Cromwell in Anspruch
nimmt), den österreichischen Geheimprotestantismus
Ujrcte Mecenscffy, mit schönem, z. T. neuem Material) bis zur
Gegenwart.

Hans Koch berichtet „Vom Protestantismus bei den slawischen
Völkern" (Auszug aus dem in: Ostdeutsche Wissenschaft

, S. 82—115 abgedruckten Vortrag), P. W. Gennrich über die
evangelischen Kirchen in der Tschechoslowakei und über die neugeknüpften
Beziehungen zwischen ihnen und der Evangelischen
N>rche in Deutschland, der frühere Bukarester Pfarrer Hans Petri
aus eigenem Miterleben bis 1951 über die deutsche evangelische
! 'aspora in Rumänien. Das Gegenbild, die Fürsorge der katho-

iscncn Kirche für ihre Diaspora, zeichnet mit guten statistischen
^ngaben Ernst Wagner. Ein immer wiederkehrendes Diaspora-
Problem bildet die Sprachenfrage, zu dem drei wertvolle Beiträge
beigesteuert sind: Martin Schmidt. Glaube und Sprache bei Wil-

elm Löhe (ein interessantes Stück seiner Schöpfungstheologie);

Rudolf Obermüller, Der reformatorische Choral in Spanisch-
Südamerika (ein Überblick über die Übersetzungen im neuen
Gesangbuch von 1948 Culto Evangelico); Heinrich Geißler,
Sprachliche Führung der Jugend in der Diaspora (Einfügung der
Sprachenfrage in das pädagogische Gesamtproblem). Eine Betrachtung
zur Toleranz aus der Geschichte der Exegese von Luk. 14,23
liefert Erich Fascher (vor allem über das Compelle intrare bei
Augustin und Brun von Querfurt). Aber nicht nur das Thema
bindet den bunten Strauß zusammen, sondern auch die überall
spürbare Verehrung für seinen Empfänger, dessen geistiges Bild
Bischof Dibelius und Hans Gerber in knappen Strichen zeichnen.
Warum ist nicht auch das leibliche Bild hinzugefügt? Die Leser,
gleichviel ob sie die freundschaftliche Verehrung von Herzen teilen
oder später einmal den Mann einer so ungewöhnlichen
Ausstrahlungskraft vor Augen haben möchten, wären gewiß dankbar
dafür gewesen.

Heidelberg Heinrich Bo r n k a m m

Theologisches Jahrbuch. Hrsg. von Albert Dänhardt.
Leipzig: St. Benno-Verlag 1959. 401 S. gr. 8°. Lw. DM 8.35.

Der Herausgeber legt uns ein Sammelwerk katholischer
Autoren mit 28 Beitägen aus verschiedenen Sachgebieten der
Theologie vor. Wir bekommen einen guten Einblick in den
gegenwärtigen Stand der katholisch-theologischen Forschung.
Bemerkenswert ist die Spannweite der Probleme, die von der
Apologetik über Kontroverstheologie und Dogmatik bis zur
Moraltheologie und Kanonistik reicht und auch praktische
Fragen ausgiebig einbezieht. Ein Beitrag über das Leben der
Gemeinde nimmt besonders auf das Neue Testament Bezug.
Mit einem Problem der „Jungen Kirchen" beschäftigt sich N.
Greitemann, Christliches Selbstbewußtsein in Afrikas Klerus.
Besonders eindrucksvoll ist das Bestreben, das Gespräch mit den
„getrennten Brüdern" zu 6uchen, das an vielen Stellen und
thematisch in den beiden letzten Beiträgen zum Ausdruck
kommt: „Das theologische Gespräch in der Una Sancta'^ (Th.
Sartory) und „Hat die .Wiedervereinigung' Aussicht?" (O.
Karrer). Am Anfang der Reihe steht J. Döpfner mit der Wiedergabe
einer Ansprache, die er 1957 im Priesterseminar zu Erfurt
gehalten hat: Episkopat und Theologische Hochschule.

Unserm evangelischen Denken am fremdesten sind die
kanonistischen Aufsätze. J. Möhler behandelt unter der Überschrift
„Eheschließung und Verbindlichkeitswille" die innerkatholische
Streitfrage, ob „eine im kirchlichen Bereich gültige
Ehe zustande (kommt), wenn sich ein formpflichtiger Partner
schon durch die bürgerliche Eheschließung als gebunden erachtet
und die kirchliche Trauung zwar über sich ergehen läßt»
aber nur als unverbindliche Formsache ansieht und nur als
solche will" (218). Möhler entscheidet sich mit Flatten gegen