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Ausgabe:

1960 Nr. 1

Spalte:

35-36

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Die Kultsymbolik im Alten Testament und im nachbiblischen Judentum 1960

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 1

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berechnet. Auf die kommentierende Arbeit wird stärkstes Gewicht
fallen, weil die Aufnahme des ersten Atlasbandes unbefriedigend
war. Es stellte sich heraus, daß der ADV wohl begeistert begrüßt
ist und als Vorbild für ausländische Nachfolger gedient hat, aber
„bisher in der Volkskunde nicht als brauchbare wissenschaftliche
Arbeitsgrundlage eingesetzt wurde". Der Grund für diese überraschende
Tatsache wird in der Bannung der Forschenden durch
die Probleme des Deutschen Sprachatlas gesehen, der kleinräumige
geographische Bezirke mit festen Grenzen aussondern konnte. Im
ADV liegen die Dinge erheblich anders. „Im volkskundlichen
Erscheinungsbild unserer Tage finden sich Reste aus Zeiten, die
vor unsere Sprachgemeinschaft zurückreichen, und spätere Einflüsse
aus Räumen, die viele Tausend von Kilometern weit entfernt
liegen und mehrere Spracheinheiten umfassen. So sind die Karten
des ADV viel eher geeignet, weitgespannte überlandschaftliche
und übernationale Beziehungen deutlich zu machen oder Stellung
und Wandlung volkstümlichen Kulturguts innerhalb einer Lebensgemeinschaft
, aber aus dem großen Zusammenhang heraus aufzuzeigen
." Der bisher fehlende Kommentar beginnt zu erscheinen;
unsere Zitate sind ihm entnommen. Ein erstes grundlegendes Erfordernis
ist die Kenntnis der Fragebogen im Wortlaut; der
Wiederabdruck erfolgt vor dem eigentlichen Kommentar.
Die bisher behandelten Themen sind diese:

1. Frauenarbeit in der Landwirtschaft. Die
wichtigste Erkenntnis aus der ersten Beschäftigung mit den Karten ist
die, daß die schwere landwirtschaftliche Frauenarbeit im Süden, Westen
und in der Mitte Deutschlands zuhause ist, nicht in den großagrarischen
und großbäuerlichen Gebieten, in denen beim Säen, Eggen, Pflügen, Mähen
, Schneiden die Frau als Partnerin des Mannes ausscheidet, während
sie im Bereich der Klein- und Kleinstbetriebe neben dem Mann steht.
Offenbar hat das Vorbild der Großwirtschaft im ganzen geographischen
Bereich auch auf die kleinen Wirtschaften beispielgebend gewirkt und
die Stellung der Frau verbessert, womit ein Segen der Großwirtschaft
sichtbar würde, auf den man zu wenig geachtet haben wird. Indessen
sind die Deutungsversuche hier mannigfach; sie reichen von der Annahme
neolithischer matriarchalischer Fernwirkungen bis zu technischen
Erwägungen über Hausense und Sichel der Neuzeit; letztere sei den
Frauen und Kindern vorbehalten geblieben.

2. Das Brauchtum bei der Heirat. (Werber, sein
Name, seine Person, sein Lohn, die abgeleiteten Redensarten u. a..)

3. Volkstümliche Heiligenverehrung. „Die Antwortzettel
erlitten durch Kriegseinwirkungen besonders für Süddeutschland
zum Teil sehr große Schäden." Es geht um folgende Unterthemen
: Heilige, die um günstige Witterung, um Sonnenschein oder
Regen angerufen werden; Schutzheilige der Haustiere, insbesondere des
Rindviehs; Schutzpatrone bei Feuersgefahr; die Schutzheiligen bei Gewitter
; die Schutzpatrone der Schweine. Der Kommentar bringt im
Apparat auch viele Gebets-, Segens- und Beschwörungstexte; außerdem
wird auf die Wallfahrtsfrage eingegangen. Das Studium der Karten zeigt
leicht und sicher die Schwerpunkte der kultischen Verehrung. So sind
Heiligenanrufungen bei Feuersgefahr am stärksten im Rheinland und in
Westfalen zuhause. Eindrucksvoll tritt hervor, wie die protestantischen
Gebiete von Heiligenverehrung frei 6ind. Besondere Hervorhebung
verdient das Verzeichnis der behandelten 241 Heiligen, mit kurzen Angaben
über Leben, Sterben und Kultkalender, vor allem aber der jeweiligen
Bibliographie der weitverstreuten und entlegenen Arbeiten. Hier
werden in Zukunft die Forscher der Volks- und Kirchenkunde die unentbehrliche
Arbeitshilfe finden. Nicht minder wichtig dürfte das umfassende
Literaturverzeichnis zur Heiligenverehrung allgemein sein,
darunter die Arbeiten zur Patrozinienforschung, zu Kaiendarien und
Martyrologien und zur volkstümlichen Heiligenverehrung.

Mit dem Kommentar der „Neuen Folge" ist ein großer
wissenschaftlicher Fortschritt erreicht. Der Theologe wird weiter
auf reiche Belehrung hoffen dürfen, weil die Behandlung des
Totenbrauchtums und magischer und übersinnlicher Erscheinungen
folgen wird.

Rostock Gottfried Holtz

ALTES TESTAMENT

Ehrlich, Ernst Ludwig: Die Kultsymbolik im Alten Testament und
im nachbiblischen Judentum. Stuttgart: Hiersemann 1959. 143 S.
gr. 8° = Symbolik der Religionen, hrsg. v. F. Ferdinand Herrmann III.
DM 25.-.

Nachdem in der von gesundem historischem Sinn getragenen
Einleitung die „Entwicklungsstufen der israelitisch-jüdischen Religion
" beschrieben worden sind, werden in 27 Kapiteln die folgenden
27 Gegenstände dargestellt: Der Mythus, Kultorte, Kultsymbole
, Der Tempel in Jerusalem, Der kultische Tanz, Die Opfer,
Das Priestertum, Der König, Die israelitischen Feste, Der Sabbat,
Der Neumondstag, Die Fasttage, Der Werktag, Die Synagoge,
Der Gemeindegottesdienst, Gebetssammlungen und Riten, Die
Beamten der Gemeinde, Haltung und Kleidung im Gottesdienst,
Der gottesdienstliche Gesang, Die Beschneidung, Die Bar Mizwä
[wörtlich „Sohn des religiösen Gebotes", Feier der mit 13 Jahren
eintretenden Volljährigkeit], Ehe und Ehezeremonien, Die Ehescheidung
, Der Trauerritus, Rituelles Schlachten und Speisegesetze,
Die Mezüzä [wörtlich „Türpfosten", an den Türen angebrachte
Pergamentröllchen mit dem hebräischen Text von 5. Mose 6, 4—9;
11, 13—20], Der Davidstern (Hexagramm). Den Beschluß bilden
Literaturverzeichnis (S. 132—134), Abkürzungsverzeichnis (S. 13 5).
Namen- und Sachregister (S. 137—140), Stellenregister (S. 141
—143), da6 laut seiner Überschrift nur eine Auswahl der herangezogenen
Stellen geben will, sich auf AT und NT beschränkt und
die Rabbinica, obwohl aus ihnen sehr viele Stellen zitiert werden
, leider ganz unberücksichtigt läßt. Das auf der Höhe der
Wissenschaft stehende und von großer Vertrautheit seines Verfassers
auch mit der neueren und neuesten Literatur zeugende Buch
widmet dem Brauchtum des nachbiblischen Judentums mehr Raum
als dem des Alten Testaments, was darum berechtigt und zu begrüßen
ist, weil das des letzteren sonst recht häufig beschrieben
ist, das des ersteren aber weit weniger Darstellungen erfahren
hat. Daß man hier und da ein Phänomen anders beurteilen kann,
als der Verf. es tut, ist angesichts der Fülle des Stoffes, den es zu
bewältigen galt, ebenso selbstverständlich wie dies, daß ab und
zu doch eine wissenschaftliche Arbeit, die hätte berücksichtigt
werden können, übersehen worden ist. Für beides je ein Beispiel.
S. 83 wird die Sach 7, 2 ff. bezeugte Zurückhaltung gegenüber den
bisher in Gedenken an die Zerstörung des Jerusalemischen Tempels
587 v. Chr. gefeierten Fasttagen vermutungsweise daraus erklärt
, daß „man inzwischen im babylonischen Exil den fremden
Ursprung der Trauertage kennengelernt" hatte. Aber der Zusammenhang
von Sach 7, 2 ff. will doch offenbar die bisherigen
Fasttage darum in Freudentage verwandelt wissen, weil die messia-
nische Zeit, die eitel Freude bedeutet, im Anbruch ist. Zu den
S. 96 stehenden Ausführungen über kosmische Erklärung der
Menörä, des siebenarmigen Leuchters, aber hätte auf W. Eltester,
Schöpfungsordnung und Natürliche Theologie im frühen Christentum
(New Testament Studies 3, 1957, S. 93-114. Taf. 1-2) verwiesen
werden können. Es versteht sich indes ganz von selbst,
daß solche Desideria den aufrichtigen Dank für die hier gebotene
Leistung in keiner Weise beeinträchtigen sollen und können.

Halle/Saale Otto Ei Ilfeld t

Frey, Hellmuth: Das Bndi des Werbens Gottes um seine Kirche. Der
Prophet Hosea. Übersetzt u. ausgelegt. Stuttgart: Calwer Verlag
[1957]. XVI, 318 S. 8° = Die Botschaft des Alten Testaments. Erläuterungen
alttestamentlicher Schriften, Bd. 23/11. Lw. DM 13.80.

Die Anlage der Calwer Sammlung ist so erfolgt, daß jeder
Band eine bestimmte, kennzeichnende Überschrift erhält. Diese
sind im allgemeinen gut und zutreffend gewählt und stellen eine
Art Vorzeichen des betreffenden Buches oder Buchabschnittes dar.
So ist auch der Titel für den Hosea-Kommentar entsprechend und
brauchbar. Denn hier geht es um die „leibhafte Darstellung der
Liebe Gottes" (S. 15), wie es ja auch sonst „prophetische Handlungen
im Stile der Plakatmission" (S. 13) gibt. Dabei wird mit
dem Wort „Kirche" im Titel ganz ernst gemacht, und es wird
daran die Meinung der hier geübten gesamtbiblicchen Auslegung
unmittelbar deutlich. Das wird besonders sichtbar bei den drei
ersten Kapiteln und bei den Ausführungen um Jakob in der zweiten
Hälfte. Zum ersten zwei exegetische Bemerkungen. An sich
ist der Verf. gar nicht schüchtern in bezug auf Umstellungen und
Änderungen. Aber zu 2, 1-3 bringt er den grundsätzlich wichtigen
und richtigen Satz: „Die biblischen Schriftsteller kennen nicht
unser Verlangen nach chronologischer Reihenfolge. Sie nehmen
gern das Ende voraus" (S. 24). Hierzu kann man nur ein Notabene
an den Rand schreiben. Sodann setzt sich Fr. energisch für
die Gleichsetzung der Frau in Kap. 3 mit der Gomer ein (S. 71).
„Darin offenbart sich der sittliche Ernst der Liebe Gottes" (S. 74).