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Ausgabe:

1960 Nr. 7

Spalte:

549-550

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Jacobs, Paul

Titel/Untertitel:

Theologie reformierter Bekenntnisschriften in Grundzügen 1960

Rezensent:

Schott, Erdmann

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549

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 7

550

die Andersartigkeit der reformatorischen Fragestellung klar entwickelt
: Die Reformation kämpft nicht gegen das Gesetz als solches
, sondern gegen das als heilschaffend mißverstandene (22),
Gesetz und Evangelium sind nicht nur untrennbar; sie 6ind ohne
einander nicht einmal verständlich (20). R. Bring spricht in diesem
Sinne von einem „dialektischen" Verhältnis und hält die
Parallelisicrung zur Zwei-Naturenlehre für sachgemäß (a. a. O.).
In dieser Motivation und Gestalt war Luthers Lehre vom Gesetz
gegenüber der paulinischen eine „Neuschöpfung", die aber das
Wesentliche bewahrte und zu neuem Leben erweckte (31). Die
Übereinstimmung liegt in dem wesentlich eschatologischen Verständnis
: Für Paulus steht das Gesetz trotz seiner Erfüllbarkeit
im einzelnen im Dienst der Verheißung (3 3); es kann nur in seiner
Verbindung mit ihr verstanden werden. Dabei wird die
Eschatologie als wesentlich zukünftig verstanden. Für Luther dagegen
ist dies eschatologische Verhältnis mehr ein gegenwärtigdialektisches
. Das Gesetz ist „ein fortwährend aktuelles Wort,
das mit Gottes Zorn verbunden ist" (38); die eschatologische
Spannung ist täglich neu zu durchleben. — Diese eschatologische
Interpretation wird verdeutlicht durch Gegenüberstellung zu
dem „psychologischen" Mißverständnis des Evangeliums, das sich
besonders unter Melanchthons Einwirkung durchgesetzt hat. Damit
meint Verf. offenbar sowohl die ausschließliche Betonung des
Trostmoments (39) wie auch die wesentlich konsekutive Anknüpfung
der Heiligung. Über diese Verwendung des Begriffs
„Psychologie" könnte man wohl verschiedener Meinung sein;
ebenso über die — heute sehr gängige — Ausweitung von
„Eschatologie". Die Grundthese — die wesentliche Übereinstimmung
von Paulus und Luther bei erheblicher Originalität — mit
derartiger Präzision herausgearbeitet zu haben, war eine dankenswerte
Leistung.

Homburg Helmut Ech t e r n orh

Jacob«. P.s Theologie reformierter Bekenntnisschriften in Grundzügen.

Ncukirchen/Moers: Neukirchencr Verlag der Buchhandl. des Erziehungsvereins
1959. 139 S. gr. 8°. DM 11.25; Lw. DM 13.80.

Nachdem bereits Darstellungen der Theologie der lutherischen
Bekenntnisschriften aus jüngster Zeit vorliegen, bekommen
wir hier nun eine „Theologie reformierter Bekenntnisschriften in
Grundzügen". Die lutherischen Bekenntnisschriften sind im Kon-
kordienbuch zusammengefaßt, das von vielen lutherischen Reichsständen
landesgesetzlich anerkannt wurde und auf diese Weise
einen offiziellen Rang bekommen hat. Auf 6eiten der reformierten
Bekenntnisschriften ist ein ähnlicher Vorgang nicht zu verzeichnen
. J. muß daher aus der Fülle des Materials eine Auswahl
treffen. Folgende Schriften legt er seiner Arbeit zugrunde: Genfer
Katechismus, Zürcher Übereinkunft (Consensus Tigurinus),
Hugenottisches Bekenntnis (Conf. Belgica), Zweites Helvetisches
Bekenntnis, Heidelberger Katechismus. Die Arbeit hat vier Teile;
Teil II und III mit zusammen 110 Seiten bilden das eigentliche
Korpus. t(e*t.ho*i«>

In Teil II werden die charakteristischen Aussagen der einzelnen
Schriften in der chronologischen Reihenfolge ihrer Entstehung
herausgearbeitet. Dabei tritt zugleich die geschichtliche
Abhängigkeit und Entwicklung der einzelnen Aussagen in Erscheinung
. Eine kurze Einführung in Entstehung und Geschichte ist
jeweils vorangestellt. Teil III gibt auf Grund der Analyse von
Teil II eine Synthese, in der die Hauptlinien der erhobenen Theologie
systematisch aufgezeigt werden. J. behandelt in zwölf Kapiteln
folgende Th emen, wobei er die Anordnung au6 den Be-
kenntnisschriften selbst begründet: Gott, Mensch, Christus, Erzählung
, Heiliger Geist, Glaube, Kirche, Wort Gottes, Sakramente
, Kirchenordnungen, Wandel, Letzte Dinge. Problematisch
wt die Einordnung der Lehre vom Worte Gottes (J. stellt sie
nicht voran), der Erwählungslehre (J. zieht sie nicht zur Anthropologie
) und der Lehre von den Kirchenordnungen, die bei J.
9* Brücke zur Ethik bildet unter Abweisung des Gedankens einer
4°erordnung über die Sakramentslehre. Teil I und IV bieten
eine Vorbesinnung über das Phänomen der Bekenntnisschriften
V,"d einen abschließenden, sehr knappen Vergleich zwischen dem
behalt lutherischer und reformierter Bekenntnisschriften.
, J- bemüht sich, die Eigenart reformierter Theologie anhand
Bekenntnisschriften herauszuarbeiten, ohne den Gegensatz

zum Luthertum zu überspitzen. Die Aufgabe ist nach beiden Seiten
nicht leicht, und e6 wird niemanden wundern, daß Rez.
manche Fragen hat. Vor allem fällt auf, daß J. gelegentlich in der
Gefahr ist, die Gegensätze zu harmonisieren. Z. B. der Satz:
„Der Heidelberger Katechismus steht zur manducatio impiorum"
(76) läßt sich schwerlich ohne Ilmdeutung des Begriffs der manducatio
impiorum halten. Auch bin ich nicht so sicher wie J., daß
Luther der Sakramentslehre des Schottischen Bekenntnisses zugestimmt
hätte (45). Daß Gottes Gnade im Abendmahl nur im
Glauben empfangen wird, lehren auch die lutherischen Bekenntnisschriften
(117); diese Aussage ist nicht kontrovers. Kontrovers
ist, ob die impii mit dem Munde Leib und Blut Christi empfangen
oder nicht. Diese leibliche Berührung mit dem leibhaftigen
Christus ist nach lutherischer Lehre als solche ebenso wenig
Gnadenempfang wie die leibliche Berührung des irdischen Jesus
etwa bei den Kriegsknechten, aber sie ist gleichwohl leibhaft
wirklich. Und eben dies bestreiten m. W. die reformierten Bekenntnisschriften
. - Nicht ganz klar ist m. E. der Satz: Die reformierten
Bekenntnisschriften betonen die beiden Kennzeichen von
Wort und Sakrament in gleicher Weise wie die lutherischen,
„fügen aber hinzu, daß Verschiedenheiten in ihrer Handhabung
keine kirchentrennende Bedeutung haben" (104). Was ist hier
mit „Handhabung" gemeint, und an welche Bekenntnisaussagen
ist konkret gedacht? - Wird nicht das reformierte Bilderverbot
dialektisch erweicht durch die These, „daß das Gesetz nicht auf
dem Wege adiaphoristischer Umgehung noch aber auch durch
rigorose Befolgung zu erfüllen ist" (79)? Muß nicht nach Meinung
der reformierten Bekenntnisschriften das Bilderverbot rigoros
befolgt werden? Auf welche Aussagen der Bekenntnisschriften
stützt J. seine Auffassung? - Sollte wirklich der Satz,
„daß der Wiedergeborene . . . nicht unter dem Gesetz steht"
(109), spezifisch lutherisch und nicht auch reformiert sein? Wie
steht J. dann zu Gal. 5, 18? - Die Konkordienformel widmet
gegen J. der Lehre vom Worte Gottes nicht einen besonderen Artikel
(106), sondern kommt auf 6ie zu sprechen in der dem ersten
Artikel vorangestellten Einleitung: „Von dem summarischen Begriff
. . .". _ Daß die lutherischen Bekenntnisschriften die
Schöpfungslehre „in den zweiten und dritten Artikel hineinnehmen
" und „keine spezielle Schöpfungslehre bieten" (84), wird
sich angesichts des Großen Katechismus kaum aufrecht erhalten
lassen. — Die Ausweitung der spezifisch christologischen chalce-
donensischen Formel auf die Ekklesiologie (91) und Pneumato-
logie (99) sowie die Bezeichnung der Kirche als des „lebenden
Christus" (Ist der Erhöhte etwa tot?) erscheint höchst fragwürdig
- — J. bemüht sich lebhaft um eine Interpretation des Extra
Calvinisticum; auch hierzu Fragen zu stellen, würde zu weit
führen.

Im Literaturverzeichnis fehlt: Friedrich Winter, Confessio Augustana
und Heidelberger Katechismus in vergleichender Betrachtung, Berlin
(1954) und E. Schott, Die zeitliche und die ewige Gerechtigkeit,
Eine kontrovers-theologische Untersuchung zum Konkordienbuch, Berlin

(1955).

Halle/Saale Erdmann Scho11

Bläser, Peter: Gesetz und Evangelium.

Catholica 14, 1960 S. 1—23.
Bockman, Peter Wilhelm: Mytetenkning og gudshandling ho«

Reinhold Niebuhr.

Norsk Teologisk Tidsskrift 61, 1960 S. 41—58.
Bring, Ragnar: Preaching the Law.

Scottish Journal of Theology 13, 1960 S. 1—32.
G ol 1 w i t z e r, Helmut: Das Bild des Menschen im theologischen

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Communio Viatorum II, 1959 S. 187—204.
Hayen, Andre: La strueture de la Somme theologique et Jesus.

Science« Ecclesiastiques XII, 1960 S. 59—82.
Hermann, Rudolf: Zum evangelischen Verständnis des „assensus".

Communio Viatorum II, 1959 S. 205—212.
L o c h m a n, J. M.: Theologia viatorum.

Communio Viatorum II, 1959 S. 228—236.
Marie, R.: Bemerkungen zur Theologie des Wortes bei Bultmann.

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Ramseyer. Jean-Philippe: Principes christologiques de la eure d'äme.

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