Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1960 Nr. 7

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

547

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 7

548

sehen und der Theodizee, die im Grunde für die positive Religion
abgelehnt wird. Das Ganze wirkt fast scholastisch in der Klassizität
seiner Themenstellung, aber es ist eine rationalistische
Scholastik, keine Selbstexplikation einer gläubig gewordenen Vernunft
wie in der echten Scholastik. Im Grunde aber ist Soren
Holms Religionsphilosophie doch ein Phänomen, bei dem man
dankbar sein kann, daß es dies noch gibt: die Gesamtmasse aller
überlieferten Themenstellungen fein säuberlich, jedes einzelne in
seinem Gefach, vor 6ich zu haben. Daß 6ich dabei gerade das in
uns zum Wort meldet, was man vermißt: die brennende, beunruhigende
Problematik unserer Zeit mit ihren Grundlagenkrisen
in Philosophie, Naturwissenschaft, Geisteswissenschaft, Kunst,
Kultur und ihre Auswirkungen auf Religion und Glauben, sei als
ein unbeabsichtigtes Verdienst des Buches noch besonders vermerkt
: Es zeichnen sich die Konturen einer philosophischen
Religionsproblematik unserer Zeit deutlich ab, die noch geschrieben
werden muß und die das Buch von S. Holm zu ergänzen hat.
Stimmen wie die der Simone Weil oder etwa Dietrich Bonhoeffers
werden darin ihren Platz haben. Aber es ist immer gut, die Gesamtsumme
der traditionellen Themen der Religionsphilosophie
vorher in der Weise präsent zu haben, wie Seren Holm sie uns
geliefert hat.

Berlin Liselotte Richter

Vogel, CJ.de, Prof. Ph. D.: Greek Philosophy. A Collection of
Texts with Notes and Explanation6. Vol. III: The Hellenistic-Roman
Period. Leiden: Brill 1959. XVI, 669 S. gr. 8°. Lw. hfl. 33.—.

Der hier anzuzeigende Band bildet den Abschluß eines Werkes, das
die wichtigsten Texte zur Geschichte der griechischen Philosophie im
Original bietet (I: 1950, *1957; II: 1953). Den relativ größten Raum
widmet der Verf. in Band III dem Neuplatonismus und seinen Vorstufen
(hier sind z. B. Philon von Alexandria — auf 23 S. —, Plutarch,
Gnosis, Hermetica und Numenius eingereiht), die zusammen Buch VI
des Gesamtwerkes bilden (The Theological or Theosophical Schools;
S. 340—592); davon sind über 100 Seiten Plotin vorbehalten, dem eine
besondere Neigung des Verfs. gilt (S. XIII; the mature and profound
philosophy of Plotinus, S. XII). Etwas weniger Platz ist den Stoikern
gewährt. Zwischen die ältere Stoa (S. 44—183) einerseits und die mittlere
und spätere Stoa andererseits, die in einem Kap. zusammen mit
der sog. 4. Akademie und dem Kynismus behandelt werden, sind die
Skeptiker eingeschoben (S. 184—230); Epikur und seiner Schule stehen
40 Seiten zur Verfügung. Alle diese Gruppen sind in Buch V des Ganzen
unter dem Titel Post-Aristotelian Dogmatism and the Sceptical
Reaction zusammengefaßt. Gegebenenfalls werden den Äußerungen des
behandelten Philosophen antike Nachrichten über ihn und sein Werk
vorangestellt.

Fordert schon die Zusammenstellung einer solchen weitgreifenden
Textauswahl einen umfassenden Überblick über die
Quellen, so erheischen vollends die einleitenden und erläuternden
Bemerkungen die volle Sachkenntnis des Fachmannes. Der
Verf., Professor für antike und mittelalterliche Philosophie in
Utrecht, bietet in bestimmtem Sinn tatsächlich eine Geschichte der
griechischen Philosophie, a history composed of the texts, with
marginal notes, introduetions and explanations (S. XII). Die die
einzelnen Stücke einleitenden Sätze führen in der gebotenen
Knappheit doch wirklich auf den Text hin; den folgenden Erläuterungen
ist mitunter etwas größerer Raum geschenkt. Unvermeidbar
kommt in diesen Zusätzen natürlich die Auffassung des
Verfs. zur Geltung; das gilt im Grunde aber auch schon für die
Auswahl der Texte. Man darf indessen dem Verf. gerade für die
instruktive Hinleitung zu den wichtigsten Quellen dankbar sein.

Überdies führt er den Benutzer seinerseits weiter durch zahlreiche
im Zusammenhang der Texte gemachte Angaben der
zugehörigen Literatur, mit der sich der Verf. öfters kurz auseinandersetzt
oder deren Auffassung er knapp charakterisiert,
und durch eine kurze Gesamtbibliographie (z.T. vor allem zu den
Quellen; S. 593—606). Besonders hilfreich sind für den Benutzer
die eingehenden Indices, die die Sammlung von verschiedenen
Gesichtspunkten aus zugänglich machen (Personen S. 607—618,
englische Sachstichwörter S. 618—644, griechische S. 644—668).
Sehr praktisch ist auch die den Inhalt zusammenfassende Angabe
am Rande jedes Textstückes. Wie die äußere Einrichtung überhaupt
, so ist auch die Ausstattung durch den Verlag vorzüglich.

Der Band wird gerade auch für die wissenschaftliche Arbeit
des Theologen weit über die bequeme Darbietung der ihm nicht

immer ohne weiteres zur Hand liegenden Texte hinaus von großem
Nutzen sein, für eine rasche Übersicht sei es zu bestimmten
Themen, sei es zu einzelnen Persönlichkeiten der „hellenistischrömischen
" (Titel) Geistesgeschichte, und das nicht nur soweit es
um deren speziell philosophische Seite geht (für diese erhält
übrigens auch der Student, der sich nicht mit dem Kompendienwissen
begnügen will, eine bequeme Möglichkeit des Quellenstudiums
, bzw. der Dozent eine entscheidende Hilfe zur Anleitung
für dieses); denn auch die Äußerungen zur Religion und die
konkreten Weisungen zur Ethik sind gegebenenfalls reichlich berücksichtigt
. Der Verf. hat nicht nur eine Quellensammlung, sondern
ein Nachschlagewerk geschaffen, für dessen mühevolle und
sorgfältige Zusammenstellung ihm reicher Dank gebührt.

Halle/Saale Gerhard Delling

B o 11 n o w, O. F.: Der erlebte Raum.
Universitas 15, 1960 S. 397—412.

B o u i 11 a r d, Henri: Maurice Blonde! et la Philosophie de Ia Religion.
Recherches de Science Religieuse XLVIII, 1960 S. 291—330.

Meyer, Hans: Kant und die Scholastik heute. Glossen zu den gleichnamigen
Pullacher philosophischen Forschungen. Bd. I.
Theologische Revue 56, 1960 Sp. 1—10.

R a c e 11 e, Jean: L'etude de l'äme humaine releve-t-elle de la Philosophie
de la nature?

Sciences Ecclesiastiques XII, 1960 S. 105—117.
T i 11 i e 11 e, Xavier: ßtat present des fitudes Hamanniennes.
Recherches de Science Religieuse XLVIII, 1960 S. 350—376.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Sommerlath, Ernst: Gesetz und Evangelium. Bring, Ragnar:
Die paulinische Begründung der lutherischen Theologie. Berlin: Luth.
Verlagshaus 1955. 43 S. 8° = Luthertum H. 17. DM 3.20.

Der erste Beitrag ist das Referat, das E. Sommerlath im Juli
1952 bei der Tagung des Lutherischen Weltbundes in Hannover
hielt; wer es gehört hat, dürfte es auch heute noch in der Erinnerung
haben. Es geht um die Frage, ob und in welchem Sinne dem
Gesetz bleibende Bedeutung zukommt — also um das Problem
des tertius usus. Durch Karl Barths Umkehrung der traditionellen
Wortfolge und die aus ihr notwendigerweise folgende Legalisierung
des Evangeliums und überhaupt durch den allgemeinen
Einbruch reformierten Denkens ist die lutherische Theologie aufgerufen
, die Frage neu zu durchdenken. Sommerlath erörtert zunächst
die üblichen Verhältnisbestimmungen, etwa die Anwendung
der Formel von Chalcedon (s. 6) und die Möglichkeiten,
die sich vom primus usus her ergeben (11 ff.). Sie erweisen sich
als nicht stichhaltig. Das bedeutet aber nur, daß das Gesetz als
Heilsweg abgetan ist. Bleibende Bedeutung kommt ihm zu, solange
die Sünde besteht. Das Gesetz nötigt zu Nüchternheit und
Wachsamkeit (15); es wehrt der Eigenwilligkeit des Menschen
und seinem Verlangen nach selbstgewählter Heiligkeit (a. a. O.).
Und es fordert auf zum Bleiben in dem geschenkten Heil, zum
„Ausleben einer Gabe" und damit zum „Festmachen der Berufung
". In diesem Sinne ist der Begriff „tertius usus" berechtigt. —
Ich meine, dem Herrn Verf. hierin zustimmen zu können. Man
könnte vielleicht noch einige Fragen anschließen. Etwa: Will die
Lehre vom dreifachen usus legis im Sinne der FC eigentlich eine
Stufenfolge des Heilsweges darstellen oder eine Analyse der
christlichen Existenz, wie 6ie von der Taufe bis zur Auferstehung
bleibt? Die Ausführungen des Verfs. dürften in die letztere
Richtung weisen. Zu fragen wäre weiter, ob der vom Verf. angeführte
Gedanke der Zurückweisung religiöser Eigenmächtigkeit
durch das Gesetz einer Ausweitung fähig wäre etwa in dem
Sinne, daß zur bleibenden Wirkung der Sünde auch die Unkenntnis
des göttlichen Willens gehört; die stete Gefahr, im Namen
Gottes das Verkehrte zu tun. M. E. versteht die FC den tertius
usus sowohl im adhortativen wie im informativen Sinn, ohne daß
beides klar voneinander abgehoben würde. Hier wäre vielleicht
eine weitere Klärung nötig.

Ragnar Bring arbeitet zunächst den Unterschied zwischen
dem paulinischen und dem lutherischen Verständnis des Gesetzes
umfassend heraus, ausgehend von der zutage liegenden Tatsache
, daß für Paulus das Gesetz erfüllbar ist (31). Dabei wird