Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1960 Nr. 7

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

529

Theologische Literaturzeitung 1960 Nr. 7

530

uns ein ähnlich geschlossenes Bild hinterlassen. Erst als das Denken
des 19. Jahrhunderts von dem historischen Bild einer Persönlichkeit
verlangte, daß es sich in das 6einer Umwelt einfügte
und aus den gemeinsamen Voraussetzungen erklären ließ, begann
man überhaupt zu sehen, daß das aus der Antike überlieferte
Konstantin-Bild problematisch war, da e6 jenen Forderungen
nicht genügte, und erst seit wir gelernt haben, warum das grundsätzliche
Mißtrauen gegenüber den Behauptungen der Quellen
selbstverständliche Voraussetzung aller historischen Arbeit ist,
konnte man die Aufgabe abschätzen, vor die die Konstantin-
Forschung gestellt ist. Seitdem ähnelt die Konstantin-Forschung
■der Evangelienkritik insofern, als die konservativere Meinung
ein wenig den Schein der Frömmigkeit, die radikalere den wissenschaftlicher
Unbestechlichkeit trägt, keine von beiden aber
für bare Münze nimmt, was die Quellen wörtlich sagen. Wenn
einer nun heute den Versuch machen wollte, aus den unmittelbaren
Aussagen der Evangelien, der Apokryphen und vielleicht
einiger Münzlegenden ein Leben Jesu zu schreiben, so wäre das
die genaue Entsprechung zu dem, was hier auf dem Gebiet der
Konstantinforschung unternommen worden ist. Es werden nämlich
die unmittelbaren Aussagen der Quellen in historischer
Ordnung aneinandergereiht. Das bedeutet, daß man schon aus
der angewandten Methode heraus urteilen kann, was sich so ergeben
muß: das offizielle Bild von Konstantin, das nach dem
Willen der oströmischen Regierung der Nachwelt erhalten bleiben
sollte, das Bild des frommen Kaisers, der Kirche und Christentum
zum Siege führte und damit dem römischen Erdkreis ein
neues, aufgeklärtes Zeitalter bescherte.

Man würde somit dem Buch Unrecht tun, wenn man ihm
Kritiklosigkeit vorwürfe. Es liegt in seiner Methode, daß die
Nachrichten zwar gesammelt und geordnet vorgeführt, aber
nicht auf ihre Tendenz und nicht auf die Gründe befragt werden,
aus denen sie uns überliefert wurden. An Stelle einer eigentlichen
historischen Interpretation werden sie durch Schilderungen
der Umwelt, der politischen, religiösen und sozialen Verhältnisse
im Römerreich illustriert. Das ist kenntnisreich und
geschickt in der Auedrucksweise unserer Umgangssprache geschehen
, und es ist der Hauptgrund dafür, warum sich das Buch
leicht und lebendig, ja spannend liest und warum es tatsächlich
«ine zutreffende Kenntnis vielleicht nicht von Konstantin, aber
doch von den Verhältnissen im Römeireich vermittelt. — Der
Untertitel ,,Annalen" weist auf das Darbietungsschema hin.
Für jedes Regierung6jahr Konstantins sind unter den eponymen
Konsuln die politischen Ereignisse zusammengestellt und in der
genannten Weise erläutert. Wer meint, Annalen müßten trocken
8ein, wird hier vom Gegenteil belehrt. Hervorzuheben ist der
umfangreiche, teils populäre, teils wissenschaftliche Apparat.
Dazu rechnet der sehr große Anmerkungsteil, außerdem eine
reichhaltige, alles Wichtigere aufzählende Bibliographie für die
lahre 1747 (!) bis 1957 und das Register, andererseits 92 Abbildungen
auf 80 Tafeln, also meist ganzseitige, deren instruktiver
Wert nur gelobt werden kann (so sind z. B. vielen Baudenkmälern
Grundrißskizzen beigegeben, die zutreffender unterrichten
als Rekonstruktionen), eine ausklappbare Übersichtskarte
und ebenso eine Stammtafel, die in Übereinstimmung mit den
genannten Grundsätzen mit Claudius Gothicus beginnt. Der Le-
^r erhält also mehr geboten, als er eigentlich verlangen kann.

Was ist nun an dem Buch auszusetzen? Man könnte einige
jj'üchtigkeiten nennen, die im Blick auf das Ganze aber keine
•Jolle spielen. Es bedeutet auch keinen grundsätzlichen Einwand,
aaß uns die moderne Ausdrucksweise hie und da etwas zu flott
Vorkommt; wer wäre wirklich berufen, die Grenze zwischen Journalismus
und ernsthafter Geschichtsschreibung genau festzulegen
? — Was wir uns aber nicht vorstellen können, 6ind die Le6er,

Ur die das Buch geschrieben ist. Wer sich selbständig forschend
m,t der konstantinischen Zeit befaßt, der erhält allerdings in dic-
jCm .^ucb ein ungemein praktisches Nachschlagewerk, das durch
aie übersichtliche Form der „Annalen" an Brauchbarkeit kaum
seinesgleichen hat. Diesem Leser aber würden die nackten Tat-

achen, Quellcnhinwcise oder -exzerpte besser dienen als das

'ebevoll ausgeführte, aber begreiflicherweise oft willkürliche
olorit. - Vielleicht ist aber an diesen Leser gar nicht gedacht,

°ndern an den unbelasteten, der nicht die Absicht hat, historische
Forschungen zu betreiben, sondern hier nur Konstantin
kennenlernen will. Dann müssen wir freilich sagen, daß dieses
Ziel unmöglich durch eine Reproduktion des offiziellen uns vom
4. Jahrhundert überlieferten Konstantin-Bildes erreicht werden
kann. So überzeugt wir sein können, daß der Kaiser selber mit
dem Bild, das Euseb von ihm gezeichnet hat, zufriedener wäre als
mit dem, das etwa E. Schwartz oder J. Vogt entworfen haben, so
sicher scheint das Ergebnis kritischer Forschung modernem Wahr-
heitsempfinden näherzukommen, auch wenn es noch so unvollständig
ist. Zweifellos sind die Bilder auf antiken Mosaiken und
Münzen schöner und geschlossener als moderne Porträts oder gar
Photographien, jedoch wie die dargestellten Personen sich in unseren
Augen ausgenommen hätten, das sagen sie nicht. Aber gerade
das wollen wir wissen.

KieI Heinz. Kraft

Broglie, Guy de: La notion augustinienne de sacrifice ..invisible"
et ,,vrai".

Recherdies de Science Religieuse XLV11I, 1960 S. 135—165.
Chavasse, Antoine: La diseipline romaine des sept scrutins pre-
baptismaux. Sa premiere forme.

Recherdies de Science Religieuse XLVIII, 1960 S. 227—240.
D a n i e 1 o u, Jean: Gregoire de Nysse et le Messalianisme.

Recherdies de Science Religieuse XLVIII, 1960 S. 119—134.
G a 11 i e r, Paul: La Forma Dei et la Forma Servi selon saint Hilaire

de Poitiers.

Recherdies de Science Religieuse XLVIII, 1960 S. 101—118.

Lauras, Antoine: Saint Leon le Grand et la Tradition.
Recherdies de Science Religieuse XLVIII, 1960 S. 166—184.

L u b a c, Henri de: Saint Gregoire et la grammaire.

Recherdies de Science Religieuse XLVIII, 1960 S. 185—226.

Müller, C. Detlef G.: Neues über Benjamin L 38, und Agathon, 39,
Patriardien von Alexandrien.
Le Museon 72, 1959 S. 323—347.

Otto, Stephan: Das Problem der Zeit in der voraugustinisdien Theologie
.

Zeitschrift für katholische Theologie 82, 1960 S. 74—87.

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Acta r c f o r m a t i o n i s catholicae ecclesiam Ger-
maniae concernentia saeculi XVI. Die Reformverhandlungen
des deutschen Episcopats von 1 520 bis 1570. Hrsg. im
Auftr. der Görres-Gesellsdiaft von Georg P f e i 1 s c h i f t e r. Bd. I
(1520-1 532). Regensburg: F. Pustet 1959. XXXII, 670 S. gr. 8°.
Lw. DM 5 8.-.

Das Erscheinen eines neuen Quellenwerkes, da6 wesentliche
Urkunden und Gutachten von katholischer Seite aus dem
Zeitalter der Reformation und des Tridentinums bieten soll,
ist für die Reformationsgeschichte ein wichtiges Ereignis. Während
wir bisher einiges von dieser Seite in den deutschen Reichstagsakten
, den Nuntiaturberichten aus Deutschland und im
Corpus catholicorum fanden, uns danach aber nur ein unzureichendes
Urteil darüber bilden konnten, was sich in den ereignisreichen
Tagen der Reformation auf Seiten der Altgläubigen
tat, wird in dem neuen Werk erstmalig Material vorgelegt,
das die Beantwortung dieser Frage schon eher ermöglicht. Zu
allererst muß als bemerkenswertes Faktum hervorgehoben werden
, daß ein einziger Forscher es fertiggebracht hat, in jahrzehntelanger
mühevoller Arbeit ein fast unermeßliches Material
zu sichten und das Wichtigste daraus, soweit es um Reformverhandlungen
des deutschen Episkopats geht, in diesem Werk
zusammenzutragen. Die Beschränkung auf die mit dem Episkopat
zusammenhängenden Verhandlungen war notwendig, um dieses
Werk durchführen zu können. Die in diesem Zusammenhang
vorgelegten Quellen zeigen, wie die deutschen Bischöfe in
jenen turbulenten Zeitläuften sich verhalten bzw. was sie auf die
Forderungen der Stände hin unternommen haben. Hier wird
manches an überkommenen Auffassungen korrigiert bzw. ergänzt
werden müssen.

Als Josef Lortz den 2. Band seiner Reformationsgeschichte
der Reformtätigkeit der katholischen Kirche widmete, standen
ihm für die Darstellung nur die oben genannten Quellen zur
Verfügung. Vor allem hat er sich an die kontroverstheologische